Pulverinhalatoren statt Dosieraerosole

Wie man in der Asthma-Therapie CO2-Emissionen sparen kann

Stuttgart - 15.03.2022, 07:00 Uhr

Während einer Studie in Großbritannien wurden 1.081 Proband:innen auf den Pulverinhalator Ellipta (Relvar) mit der Wirkstoffkombination Fluticasonfuroat/Vilanterol umgestellt. (c / Symbolfoto: Kings Access / AdobeStock)

Während einer Studie in Großbritannien wurden 1.081 Proband:innen auf den Pulverinhalator Ellipta (Relvar) mit der Wirkstoffkombination Fluticasonfuroat/Vilanterol umgestellt. (c / Symbolfoto: Kings Access / AdobeStock)


Sie sind nicht leicht zu finden, aber es gibt sie – die ganz konkreten Hinweise, wie man selbst etwas gegen den Klimawandel tun kann, auch im Arzneimittelbereich. Kürzlich informierte erst die AMK über eine umweltfreundlichere Anwendung von Diclofenac-Gel; in Großbritannien wird hingegen versucht, mit der Umstellung von Dosieraerosolen auf Pulver-Inhalatoren das Klima zu schonen. Dazu gibt es mehrere Studien und Stellungnahmen. Was kann man daraus für Deutschland lernen? Und bringt eine Umstellung Nachteile in der Asthmakonrolle mit sich? 

Vergangenen Freitag machte Apothekerin Esther Luhmann in ihrem FUTUREPHARM-Eröffnungsvortrag zur INTERPHARM online 2022 zum Thema Nachhaltigkeit in der Apotheke unter anderem auf Daten aus Großbritannien aufmerksam, wonach in der Primärversorgung Arzneimittel, Dosieraerosole und Narkosegase für 60 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Bei respiratorischen Erkrankungen geht es also nicht nur darum, dass sie durch Luftverschmutzung verstärkt werden, sondern es ist auch an den ökologischen Fußabdruck von in dieser Indikation eingesetzten Dosieraerosolen zu denken.

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Tatsächlich ist zuletzt Ende des vergangenen Jahres eine im Journal „Thorax“ des British Medical Journal (BMJ) erschienene Studie der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen der Wechsel von einem Dosierinhalator zu einem Trockenpulverinhalator auf Klimaemissionen – und auf die Asthmakontrolle – hat. Dabei handelt es sich um eine Post-hoc-Analyse, die eine Untergruppe aus 2.236 Patient:innen (53 Prozent) der „Salford Lung Study“ (nicht verblindet, über zwölf Monate) aus Großbritannien auswertete. In dieser Subgruppe zeigte sich laut den Autor:innen der Studie, dass Patient:innen, die von einer Therapie auf Basis von Dosieraerosolen auf eine auf Basis von Pulverinhalatoren umstellten, ihren Kohlenstoff-Fußabdruck in Bezug auf ihre Inhalatoren mehr als halbieren konnten. Die Umstellung soll sich dabei nicht negativ auf ihre Asthmakontrolle ausgewirkt haben. Die Autor:innen meinen, dass ihre Daten zeigen, dass der Wechsel von einem Dosieraerosol auf einen Pulverinhalator in der normalen täglichen Praxis eine akzeptable und lohnende Option für die meisten Patient:innen ist.

Der Pulverinhalator Ellipta (Relvar, Wirkstoffkombination Fluticasonfuroat/Vilanterol) und seine Indikation laut Lauer-Taxe:

„Für die regelmäßige Behandlung von Asthma bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren, bei denen ein Kombinationspräparat (langwirksamer Beta2-Agonist und inhalatives Kortikosteroid) angezeigt ist: 

  • Patienten, die mit inhalativen Kortikosteroiden und einer Bedarfsmedikation mit inhalativen kurzwirksamen Beta2-Agonisten nicht ausreichend eingestellt sind. 
  • Patienten, die mit inhalativen Kortikosteroiden und langwirksamen Beta2-Agonisten bereits ausreichend eingestellt sind.“

Zu Beginn der Studie verwendeten die Proband:innen zur Asthmakontrolle eine Therapie auf Basis von Dosieraerosolen. Während der Studie wurden dann 1.081 Proband:innen auf den Pulverinhalator Ellipta (Relvar) mit der Wirkstoffkombination Fluticasonfuroat/Vilanterol umgestellt. 1.155 setzten ihre übliche Behandlung fort. Die Kontrolle des Asthmas wurde mithilfe des Asthma-Kontrolltests (ACT) bewertet – und zwar zu Beginn, 12, 24, 40 und 52 Wochen später.

Es handelte sich bei dem Pulverinhalator also um eine Kombination aus einem inhalativen Corticoid (ICS) und einem langwirksamen Beta-2-Agonist (LABA). Die Kombination aus ICS und LABA wird zur Asthma-Langzeittherapie für Erwachsene ab Stufe drei des medikamentösen Stufenschemas der „Nationalen Versorgungsleitlinie Asthma“ bevorzugt eingesetzt. 

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In die Berechnung der jährlichen CO₂-Äquivalente innerhalb der aktuellen Studie wurde nicht nur die Erhaltungstherapie, sondern auch die Bedarfstherapie (meist mit Salbutamol-Dosieraerosolen) einbezogen. Diese Akutmedikation wurde über die Gesamtzahl der verschriebenen Salbutamol-Inhalatoren im Behandlungszeitraum ermittelt. Wie groß ist nun laut der Studie der Gewinn durch eine solche Emissionsreduktion über die Umstellung auf Pulverinhalatoren in der Langzeittherapie? 

HFKW haben FCKW ersetzt – sind aber potente Treibhausgase

Wie es in der Einleitung der Studie heißt, tragen die in Dosieraerosolen eingesetzten teilhalogenierten Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW) zwar nicht wie die früher eingesetzten Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) zum Abbau der Ozonschicht bei, sie seien jedoch potente Treibhausgase. HFKW-Dosieraerosole sollen in Großbritannien für 3 bis 4 Prozent des CO₂-Fußabdrucks des Gesundheitswesens verantwortlich zeichnen. Dabei soll tatsächlich ihre Verwendung und Entsorgung ausschlaggebend sein und nicht ihre Herstellung. Eine Dosis eines HFKW-134a-Dosieraerosols soll ungefähr einer Meile (1,6 km) einer Autofahrt mit einem Familienauto entsprechen. 

Sieht es in Deutschland anders aus?

Einem Dokument des Umweltbundesamts aus dem Jahr 2011, mit dem Titel „Projektionen zu den Emissionen von HFKW, FKW und SF6 für Deutschland bis zum Jahr 2050“, ist zu entnehmen, dass bis zum Jahr 2002 mehr als die Hälfte der medizinischen Dosieraerosole mit FCKW und danach HFKW durch treibgasfreie Pulverinhalatoren ersetzt wurden. „Seitdem liegen die HFKW-Emissionen aus der Anwendung von Asthmasprays relativ konstant bei 200 t jährlich, davon 180 t HFKW-134a und 20 t HFKW-227ea“, heißt es. In einem theoretischen Zukunftsszenario ging das Umweltbundesamt 2011 davon aus, „dass innerhalb von zehn Jahren der Anteil der Pulverinhalation oder vergleichbar umweltfreundlicher Applikationssysteme von gegenwärtig 55 % auf 90 % ansteigt“. Dieser Zielwert sei in Skandinavien (Schweden) bereits seit vielen Jahren allein durch Pulverinhalatoren Realität. Jedoch stünden „nach heutigem Kenntnisstand“ einem vollständigen Ersatz von Dosieraerosolen Applikationsprobleme bei bestimmten Patientengruppen (u. a. Kleinkindern) entgegen. 

Auch in der aktuellen Studie aus Großbritannien heißt es, dass zum Beispiel Kinder oder ältere Menschen zur Applikation Spacer benötigen, eine Applikation mit Pulverinhalatoren ist dann also nicht möglich. Grundsätzlich seien auch die Vorlieben der Patient:innen zu berücksichtigen. An die Kosten denken die Forscher:innen auch: Bereits im Oktober 2019 berichtete hierzu zum Beispiel das Ärzteblatt, dass die Umstellung auf umweltfreundliche Asthma-Inhalatoren nicht nur CO₂-Emissionen, sondern auch Kosten senken kann. „Wenn für jedes Dosieraerosol der jeweils günstigste Pulverinhalator verwendet würde, wären sogar Einsparungen von 8,2 Mio. britischer Pfund möglich“, hieß es. Die zugrundeliegende Studie war ebenfalls im BMJ erschienen. Auf dieser Studie und einer weiteren basieren nun die zur Berechnung angenommen CO₂-Äquivalente der aktuellen Studie.

130 kg CO2 können pro Patient eingespart werden

Für die Pulverinhalatorengruppe wurde schließlich ein CO2-Fußabdruck von 108 kg berechnet – verglichen mit den entstandenen 240 kg aus der bisherigen Therapie. Die umgestellten Patient:innen benötigten offenbar ebenso weniger Notfallmedikation, was schließlich auch zur Einsparung von Salbutamol-Dosieraerosolen führen kann. Die Autor:innen gehen von jährlichen Einsparungen an CO2-Äquivalenten in einer Höhe von 130 kg pro Patient:in aus. Hochgerechnet auf die Anwendung von Dosieraerosolen unter Erwachsenen in Großbritannien könnten so pro Jahr 390 Kilotonnen CO2-Äquivalent eingespart werden, heißt es, was einer Reduktion um 40 Prozent entsprechen würde. Würde auch die Notfallmedikation auf Pulverinhalatoren umgestellt, ließe sich noch mehr CO2 einsparen, heißt es.

Bei der Umstellung intensiv beraten!

Wie es zur Einordnung in der Diskussion der Studie heißt, ist Großbritannien ein Ausreißer im Vergleich zum restlichen Europa, was seine weiterhin hohe Anwendung von Dosieraerosolen angeht. Neben der Pharmaindustrie sollten deshalb auch Verordner:innen, Apotheker:innen und Patient:innen umdenken und vermehrt Pulverinhalatoren empfehlen sowie anwenden. Das geht auch aus einem Statement der „British Thoracic Society“ von 2020 hervor. Zudem gebe es auch grundsätzlich bei Inhalatoren Defizite, was das Recycling angeht. 

Wer nun auch in Deutschland in der Apotheke im Sinne einer „Klimaberatung“ auf die Umstellung auf Pulverinhalatoren aufmerksam machen möchte, sollte wissen, dass in Großbritannien mittlerweile manche Expert:innen mahnen, dass Patient:innen über die Umstellung gut informiert werden müssen. Denn dort wird vom NHS (National Health Service) die Umstellung auf umweltfreundliche Inhalatoren mittlerweile aktiv gefördert – was offenbar zum Teil allzu großen Anklang ohne die notwendige Beratung findet.

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Doch wem, wenn nicht den Apotheker:innen sollten die Probleme, die mit einem Inhalator-Wechsel einhergehen, bewusst sein? Wenn Patient:innen also nach umweltfreundlicheren Alternativen fragen, kann durchaus auch in Deutschland der Gang zum Arzt und die Umstellung auf einen Pulverinhalator empfohlen werden. Letztlich ist aber natürlich auch die pharmazeutische Industrie gefragt, umweltfreundlichere Inhalatoren zu entwickeln.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Ideologie

von Thomas Kerlag am 15.03.2022 um 18:24 Uhr

Nur 1.6 km.
Sind ja wohl Peanuts gegen die Bombenschmeißerei. Werdet erwachsen!

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