Schwere Wechselwirkungen möglich

Warum das Corona-Arzneimittel Paxlovid mit Vorsicht zu genießen ist

Stuttgart - 22.02.2022, 10:45 Uhr

Was tun, wenn Coronapatienten Paxlovid erhalten sollen, aber ihre Dauertherapie kontraindiziert ist und diese nicht pausiert werden kann? (s / Foto: IMAGO / Independent Photo Agency Int.)

Was tun, wenn Coronapatienten Paxlovid erhalten sollen, aber ihre Dauertherapie kontraindiziert ist und diese nicht pausiert werden kann? (s / Foto: IMAGO / Independent Photo Agency Int.)


Paxlovid hilft gegen COVID-19, wohl auch bei Omikron-Infektionen. Allerdings birgt Pfizers Corona-Arzneimittel ein hohes Wechselwirkungspotenzial, sodass für einige Coronapatienten Paxlovid schlicht kontraindiziert ist. Was ist zu tun?

Am 28. Januar erhielt Paxlovid® die Zulassung in der EU. Angewendet werden darf das orale COVID-19-Arzneimittel von Pfizer bei erwachsenen COVID-19-Patienten, die noch keinen Sauerstoff benötigen, aber ein erhöhtes Risiko für einen schweren Erkrankungsverlauf haben. Überzeugt hat Paxlovid® in einer Studie an Hochrisikopatienten: Erhielten die COVID-19-Risikopatienten innerhalb von drei Tagen nach Symptombeginn Paxlovid® und nahmen sie die Tabletten über fünf Tage ein, so reduzierte das antivirale Arzneimittel Krankenhauseinweisungen und Tod um 89 Prozent verglichen mit Placebo. Pfizer geht nach Ergebnissen aus Laborstudien zudem davon aus, dass Paxlovid® auch „eine robuste antivirale Aktivität gegen Omikron entfaltet“, das teilte das Unternehmen im Dezember 2021 mit.

Ritonavir birgt großes Wechselwirkungspotenzial mit CYP3A4 und P-Glykoprotein

Paxlovid® enthält zwei Wirkstoffe: Nirmatrelvir und Ritonavir, wobei nur Nirmatrelvir gegen SARS-CoV-2 wirkt. Ritonavir hingegen fungiert lediglich als Booster für Nirmatrelvir, da es dessen Abbau hemmt und somit zur besseren Verfügbarkeit des Anti-Corona-Wirkstoffes im Körper beiträgt. Bekannt ist das „Ritonavir-Prinzip“ bereits aus früheren Arzneimittelkombinationen, die bei der Behandlung von HIV zur Anwendung kommen. Das Problem ist nur: Ritonavir ist damit auch kein spezifischer Nirmatrelvir-Blocker, vielmehr hemmt Ritonavir einen wichtigen Abbauweg in der Leber (CYP3A4) und P-Glykoprotein – und die werden auch von zahlreichen anderen Arzneimitteln genutzt. Das für Nirmatrelvir in Paxlovid® gewünschte Wechselwirkungspotenzial ist somit zugleich auch der Pferdefuß des Präparates.

Mehr zum Thema

Dabei sind unterschiedliche Effekte möglich: Zum einen kann Paxlovid® (durch Ritonavir) die Wirkspiegel von anderen Arzneimitteln erhöhen und diese unter Umständen toxisch werden lassen. Das könnte passieren, wenn man Paxlovid® mit dem Cholesterinsenker Simvastatin kombiniert, der über CYP3A4 verstoffwechselt wird. Höhere Wirkspiegel können bei Simvastatin zu Myopathie und Rhabdomyolyse (Zerfall der quergestreiften Muskulatur) führen. Andererseits gibt es auch Wirkstoffe, die über das CYP3A4-System nicht abgebaut werden, sondern erst zu ihrer Wirkform aktiviert. Fehlt nun diese Aktivierung, wirkt das Arzneimittel weniger als zuvor. Daneben können vice versa natürlich auch andere Arzneimittel Einfluss auf die Verfügbarkeit von Paxlovid® nehmen: Starke CYP-Induktoren (die also den Abbauweg von Nirmaltrelvir verstärken) – wie die Antiepileptika Phenytoin und Carbamazepin oder das bei Tuberkulose angewandte Rifampicin, auch Johanniskraut oder Ethanol (Alkohol) – könnten dadurch zu geringeren Wirkspiegeln von Paxlovid® (Nirmatrelvir) führen und zu einer verminderten antiviralen Wirksamkeit des Präparates gegen Corona.

Wenn möglich, andere Arzneimittel pausieren

All dies ist Grund für BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) und RKI (Robert Koch-Institut), vor möglichen Interaktionen von Paxlovid® mit anderen Arzneimitteln explizit zu warnen. Dafür hat die Arbeitsgruppe COVRIIN am RKI eine Tabelle erstellt, die einen Überblick über mögliche Wechselwirkungen bietet. Dabei geht sie auf Wirkstoffe ein, die Patienten nicht gleichzeitig mit Paxlovid® erhalten dürfen (Kontraindikation). Was aber tun, wenn diese Arzneimittel für die Patienten eine essenzielle Dauertherapie sind und einfach nicht pausiert werden können? In diesem Fall rät COVRIIN diese Arzneimittelbehandlung beizubehalten und stattdessen auf eine alternative COVID-19-Therapie ohne Paxlovid auszuweichen (rote Liste der COVRIIN-Tabelle). Diese Option schlägt COVRIIN bei einer antiarrhythmischen Therapie mit beispielsweise Amiodaron vor oder bei Patienten mit pulmonaler Hypertonie („Lungenhochdruck“), die Bosentan oder Sildenafil erhalten. Manchmal gibt es die Möglichkeit, einfach auf einen anderen Wirkstoff aus der gleichen Wirkstoffgruppe zu wechseln. Das geht, wenn dieser nicht mit CYP3A4 wechselwirkt – ein klassisches Beispiel ist der Wechsel der Cholesterintherapie von Simvastatin auf Pravastatin, da Letzteres keine Interaktionen mit Paxlovid® eingeht.

Dosisanpassung und Drugmonitoring prüfen

Möglich ist aber auch, dass die Patienten zwar bereits Wirkstoffe mit einem Wechselwirkungspotenzial gegenüber Paxlovid® erhalten, doch können diese Arzneimittel für die Dauer der Gabe von Paxlovid® pausiert werden, oder es sind Dosisanpassungen und die Bestimmung von Arzneimittelspiegeln denkbar, sodass das Risiko von wechselwirkungsbedingten Effekten gut überwacht werden kann (gelbe Liste der COVRIIN-Tabelle). Diese risikominimierenden Maßnahmen sollten sodann auch ergriffen werden, beispielsweise bei bestimmten immunsuppressiven Therapien oder wenn Patienten Voriconazol gegen Pilzinfektionen erhalten. Nur, für den Fall, dass kein entsprechendes Medikamentenmonitoring möglich ist, empfiehlt COVRIIN auch bei diesen Arzneimitteln, statt Paxlovid® auf ein anderes Corona-Arzneimittel auszuweichen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Pfizer-Arzneimittel gegen COVID-19

EMA prüft Zulassung von Paxlovid

Zu Interaktionen des COVID-19-Therapeutikums sicher beraten

Vorsicht bei Paxlovid und Opioiden

Eine Million Packungen des Pfizer-COVID-19-Arzneimittels

Bundesregierung kauft Paxlovid

Achtsam bleiben und gut vorbereitet sein

In Heimen ist Corona nicht vorbei

Nirmatrelvir / Ritonavir vor allem für Ungeimpfte sinnvoll

IQWiG zu Paxlovid: Anhaltspunkt für einen erheblichen Zusatznutzen

1 Kommentar

Da hab ich Zweifel

von Dr. Peter M. Schweikert-Wehner am 22.02.2022 um 11:07 Uhr

.. dass starke CYP-Induktoren die Wirkung beeinträchtigen, denn die Induktion geschieht mit einer Latenz und durch die Vermehrte Enzymbildung. Ja und auch mehr CYP Enzyme können durch Ritonavír gehemmt werden. Oder reicht die Menge des Enzymhemmers nicht aus? Das glaube ich erst wenn das durch eine Studie bewiesen wird!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.