Nicht nur Efluelda für Ältere

BMG will Sonderregeln zu Grippeimpfstoffen verlängern

Stuttgart - 22.02.2022, 12:15 Uhr

Das BMG hat einen Verordnungsentwurf vorgelegt, der die Sonderregeln zur Grippeimpfstoffversorgung älterer Menschen verlängert. (x / Foto: IMAGO / Beautiful Sports)

Das BMG hat einen Verordnungsentwurf vorgelegt, der die Sonderregeln zur Grippeimpfstoffversorgung älterer Menschen verlängert. (x / Foto: IMAGO / Beautiful Sports)


Durch eine Verordnung ist es in dieser Grippesaison 2021/22 möglich, dass Menschen ab 60 Jahren neben dem von der STIKO empfohlenen Hochdosisgrippeimpfstoff Efluelda auch mit standarddosierten Influenzavakzinen zulasten der GKV geimpft werden können. Diese Regel will das BMG nun um ein Jahr verlängern.

Die STIKO rät (Epidemiologisches Bulletin 1|2021), dass Ab-60-Jährige mit einem Hochdosisgrippeimpfstoff vor saisonaler Influenza geschützt werden sollen. So steht es auch in der Schutzimpfungs-Richtlinie und die GKV erstattet die Hochdosisimpfung bei Senioren auch. Der einzige Hochdosisgrippeimpfstoff auf dem Markt ist derzeit Efluelda® von Sanofi Pasteur. Sorge kam vor dem vergangenen Winter auf, dass – bei Efluelda®-Engpässen – Senioren leer ausgehen müssten, da man, salopp formuliert, älteren Menschen keinen rein standarddosierten und weniger wirksamen Grippeimpfstoff zumuten könnte. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) begründete damals: „Da die STIKO in ihrer Bewertung insgesamt zu der Einschätzung gelangt, dass Hochdosis-Grippeimpfstoffe einen besseren Schutz vor einer Influenzaerkrankung bieten als andere inaktivierte quadrivalente Influenza-Impfstoffe und somit nach Auffassung der STIKO in Bezug auf das Impfziel generell vorzuziehen sind, bleibt grundsätzlich kein Raum für eine Anwendung ,konventioneller‘ inaktivierter quadrivalenter Influenza-Impfstoffe innerhalb der GKV.“

Diese Krux blieb auch dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) nicht verborgen, woraufhin dieses flugs die „Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen Influenza und Masern“ erließ, die dieses Problem – zumindest für die Grippesaison 2021/22, also die aktuelle – löste.

Der Verordnung nach, die am 8. März 2021 in Kraft trat und noch bis zum 31. März 2022 gilt, dürfen ältere Menschen auch andere Grippeimpfstoffe als Efluelda® zulasten der GKV erhalten. Konkret heißt es dort in § 1: „Versicherte, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, haben im Rahmen der Verfügbarkeit der vorhandenen Impfstoffe Anspruch auf eine Schutzimpfung gegen Influenza mit einem inaktivierten, quadrivalenten Influenza-Impfstoff mit aktueller, von der Weltgesundheitsorganisation empfohlener Antigenkombination. Der Anspruch auf einen Influenza-Hochdosis-Impfstoff nach § 20i Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt; eine Verordnung des Influenza-Hochdosis-Impfstoffs gilt als wirtschaftlich.“

G-BA kann STIKO-Empfehlung nicht umsetzen, solange Verordnung gilt

Doch was passiert nun nach dem 31. März? Noch immer ist Efluelda® die einzige Hochdosisvakzine – Engpässe könnten folglich auch künftig die Versorgung von älteren Menschen mit Grippeimpfstoffen zulasten der GKV gefährden. Im August des vergangenen Jahres äußerte sich der G-BA dazu, wäre es doch das einfachste – nachdem die STIKO mittlerweile „nachgebessert“ hat und auch konventionelle Grippeimpfstoffe für Ab-60-Jährige bei Versorgungsengpässen vorsieht (Epidemiologisches Bulletin 34|2021) –, wenn der G-BA diese Regelung auch in der Schutzimpfungs-Richtlinie verstetigen würde. Ein Ausweichen auf andere Impfstoffe, zum Beispiel bei Lieferengpässen beim Masern-, Mumps- und Rötelnschutz, machte der G-BA nämlich im August 2021 möglich, indem er die Schutzimpfungs-Richtlinie dahingehend anpasste.

Am 5. August begründete der G-BA jedoch, warum das für den Hochdosisgrippeimpfstoff bislang nicht ging: „Bei einem Lieferengpass des inaktiven, quadrivalenten Influenza-Hochdosisimpfstoffs werden von der STIKO als Alternative konventionelle inaktivierte, quadrivalente Influenza-Impfstoffe empfohlen. Diese Empfehlung kann durch den G-BA aktuell nicht umgesetzt werden, da hierzu derzeit keine Regelungskompetenz des G-BA besteht. Denn ausweislich der Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen Influenza und Masern vom 10. März 2021 haben Versicherte ab 60 Jahren einen gleichrangigen Anspruch auf Schutzimpfung gegen Influenza mit einem inaktivierten, quadrivalenten Influenza-Impfstoff. Aufgrund dieser nach § 20i Absatz 3 Satz 1 SGB V entworfenen Rechtsverordnung kann der GBA gemäß § 20i Absatz 3 Satz 16 erst für die Zeit nach dem Außerkrafttreten der Rechtsverordnung, also für die Zeit nach dem 31. März 2022, die alternative Empfehlung der STIKO umsetzen.“

BMG sorgt sich um Lieferbarkeit von Efluelda

Was passiert also nun nach dem Auslaufen der Verordnung? Die „Deadline“ 31. März 2022 hat wohl auch das BMG auf dem Schirm – und sich bereits in einem Referentenentwurf der Verlängerung der „Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen Influenza und Masern“ vom 10. März 2021 (BAnz AT 11. März 2021 V2) gewidmet, was überrascht, denn ursprünglich war eine Verlängerung nicht geplant.

Im Verordnungsentwurf wird zuallererst in Artikel 1 in § 3 die Angabe „31. März 2022“ durch die Angabe „31. März 2023“ ersetzt. Allerdings sticht in der verlängerten Verordnung nun ein neuer Satz hervor, der in der aktuellen Verordnung nicht zu finden ist. So folgt auf „Nach aktueller G-BA-Schutzimpfungsrichtlinie (in Verbindung mit § 20i Absatz 1 Satz 1 und 3 SGB V) haben Personen ab dem 60. Lebensjahr im Normalfall ausschließlich einen Anspruch auf Versorgung mit Influenza-Hochdosis-Impfstoffen“, eine Ergänzung mit: „Die Sicherstellung der Versorgung dieser Personen allein mit einem Influenza-Hochdosis-Impfstoff ist indessen wegen nicht auszuschließender Produktions- und Versorgungsprobleme nicht gewährleistet“. Bei Sanofi kann man sich dieses „Add-on“ nicht erklären, schließlich habe man zehn Millionen Dosen Efluelda® für die noch andauernde Grippesaison 2021/22 produziert und „frühzeitig ausgeliefert“. Auch habe es keine Produktions- und Qualitätsprobleme gegeben, ebenso wenig Lieferengpässe, erklärt eine Sprecherin gegenüber der DAZ.

Efluelda sollte priorisiert werden

Sanofi fürchtet nun, dass diese Ergänzung mehr Verwirrung stiftet und die für das Unternehmen für die Planung der Produktion essenziellen Grippeimpfstoffvorbestellungen konterkariert, könne der Eindruck bei Ärzten und Apothekern entstehen, dass das BMG fortan standarddosierte Vakzinen für Ältere mit dem Hochdosisgrippeimpfstoff gleichsetze. Die Sorge bei Sanofi-Pasteur könnte sein, dass durch die Möglichkeit des Ausweichens auf konventionelle Vakzinen Ärzt:innen eher Grippeimpfstoffe bestellen könnten, die sie breiter verimpfen können – bei Kindern, jungen Erwachsenen und Senior:innen – wie Flucelvax® Tetra, Influsplit® Tetra oder Vaxigrip® Tetra und dadurch die Vorbestellungen für Efluelda® zurückgehen.

Denn ungleich der meisten anderen Grippeimpfstoffe darf Efluelda® erst bei Ab-60-Jährigen appliziert werden, für jüngere Grippeimpfungsempfänger müssen Arztpraxen somit zusätzlich andere Grippevakzinen vorrätig halten. Doch nach wie vor gilt die STIKO-Empfehlung, dass Ab-60-Jährige prioritär mit einem Hochdosisgrippeimpfstoff geimpft werden sollen, nur bei Lieferengpässen – und der Gefahr, dass Senioren ansonsten gar keinen Influenzaschutz erhalten –, rät die Ständige Impfkommission zu standarddosierten Vakzinen. Das geht so aus der Verordnung des BMG jedoch nicht explizit hervor.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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