14. Zukunftskongress Öffentliche Apotheke

Viele warme Worte und wenig klare Pläne für die Apotheken

Düsseldorf/Münster - 21.02.2022, 12:15 Uhr

Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, äußerte die Hoffnung, dass die Politik als Lehre aus der Pandemie die Apotheken fördert. Hier auf dem Deutschen Apothekertag in Düsseldorf, 2021. (Foto: c / Alex Schelbert)

Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, äußerte die Hoffnung, dass die Politik als Lehre aus der Pandemie die Apotheken fördert. Hier auf dem Deutschen Apothekertag in Düsseldorf, 2021. (Foto: c / Alex Schelbert)


Dank für die Arbeit in der Pandemie, Unterstützung für das Impfen in Apotheken, aber kaum Hoffnung auf mehr Geld, viel Sorgen wegen des Personalmangels und möglicherweise noch ein langes Warten auf die pharmazeutischen Dienstleistungen – das waren wesentliche Themen beim 14. Zukunftskongress Öffentliche Apotheke am vergangenen Samstag. Doch die spannende Frage, was die Ampel-Koalition für die Apotheken konkret plant, blieb auch hier offen.

Der Zukunftskongress Öffentliche Apotheke des Apothekerverbandes Nordrhein am 19. Februar fand wie im Vorjahr komplett online statt. Er wurde in einem Studio in Münster koordiniert und von Ralph Erdenberger moderiert.

Dittmar animiert zu mehr Impfungen in Apotheken

In einer vorab aufgezeichneten Videobotschaft würdigte Sabine Dittmar (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, die öffentlichen Apotheken als „zuverlässige Partner vor Ort“, die in der Pandemie durchgängig einsatzbereit waren und viele zusätzliche Aufgaben übernommen hätten. Damit hätten sie sehr zur Pandemiebewältigung beigetragen, wofür Dittmar ausdrücklich dankte. Auch das Impfen in Apotheken sei als niedrigschwelliges Angebot wichtig. 

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In der ersten Woche hätten 500 Apotheken Impfstoff bestellt. Das sei ein „sehr guter Anfang“, aber es gebe „noch Luft nach oben“, erklärte Dittmar und betonte, dass die Apotheken bei der Impfaufklärung auf ihre Erfahrung in der unabhängigen Beratung zurückgreifen könnten. Die Apotheken sollten ihre Kompetenz und den niedrigschwelligen Zugang künftig noch stärker in die Versorgung einbringen. Dabei sei sie auch gespannt, welche pharmazeutischen Dienstleistungen die Schiedsstelle definieren werde. Zu den Plänen der Regierung zitierte Dittmar nahezu wörtlich aus dem Koalitionsvertrag. Die Regierung wolle die Arzneimittelversorgung durch Apotheken an integrierten Notfallzentren in unterversorgten Gebieten verbessern und den Nacht- und Notdienstfonds (NNF) zu einem Sicherstellungsfonds weiterentwickeln. Konkreter wurde Dittmar nicht. Offenbar bestehen in der Regierung noch keine weiteren Pläne. Doch Dittmar bezeichnete die Apotheken als „unverzichtbar“ für die Versorgung und griff damit den Sprachgebrauch der ABDA auf.

Preis betont Impfschwerpunkt in Nordrhein

Gastgeber Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, äußerte die Hoffnung, dass die Politik als Lehre aus der Pandemie die Apotheken fördert. Er begrüßte, dass der NNF zu einem Sicherstellungsfonds erweitert werden soll. Der vor vielen Jahren geänderte Festzuschlag auf Rx-Arzneimittel müsse dringend nachgebessert werden, damit die Apotheken weiterhin ihre Leistungen erbringen könnten, erklärte Preis. Mit Blick auf die Corona-Impfungen sprach Preis von mittlerweile bundesweit 1000 impfenden Apothekern mit einem Schwerpunkt in Nordrhein. Dort seien 20 Prozent der impfenden Apotheker angesiedelt, die 25 Prozent der bundesweit 15.000 Corona-Impfungen in Apotheken vorgenommen hätten. Preis erklärte, die Unterstützung von Dittmar als Ärztin für die Impfungen in Apotheken sei wichtig. Denn der Gegenwind der Ärzte hindere viele Apotheker, an der Impfkampagne teilzunehmen. Doch Preis hoffe, dass Ärzte und Apotheker die Pandemie „Seite an Seite“ bekämpfen.

Wettbewerb um Arbeitskräfte

Zum weiteren Veranstaltungsprogramm gehörten eine Keynote von Bestseller-Autor Frank Schätzing zum Klimawandel und ein Vortrag des Arbeitsmarktforschers Prof. Dr. Stefan Sell über die Folgen des demografischen Wandels (mehr dazu demnächst bei DAZ.online). Sell mahnte, dass insbesondere den Gesundheitsberufen ein massiver Mangel an Arbeitskräften drohe. Dies erfordere grundlegend andere Sichtweisen, vornehmlich mehr Kooperation und das Aufweichen hierarchischer Strukturen.

In der anschließenden berufspolitischen Diskussion forderte Preis, die Politik solle in die Versorgung der Menschen investieren. Dabei seien die Apotheken eine wichtige Stelle. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Heidenblut (SPD) erklärte, die Zahl der Studienplätze müsse erhöht werden und die Berufe müssten attraktiver werden. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Dr. Paula Piechotta betonte, die junge Generation ticke anders. Mehr Studienplätze seien in gewissem Umfang sinnvoll, würden aber nichts bringen, wenn die Arbeitsbedingungen nicht besser werden. Zu den Pflegeberufen betonte Piechotta, die Pflege müsse multiprofessioneller werden. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Georg Kippels forderte ein neues Grundverständnis für mehr Arbeit im Team und mehr eigenverantwortliche Tätigkeit für Ausbildungsberufe.

Kontroverse um Bürokratie

Preis betonte, die Apotheken müssten wegen des harten Wettbewerbs um künftige Arbeitskräfte ansprechende Gehälter zahlen und bräuchten dafür mehr Geld. Außerdem müsse die Belastung durch die Bürokratie vermindert werden, um die Attraktivität der Apothekenberufe zu erhöhen. Heidenblut zeigte sich offen für den Bürokratieabbau, er könne aber nicht sagen, wie dies gelinge. Kippels erklärte, dass Bürokratie teilweise durch das Bemühen um Patientensicherheit ausgelöst werde. Hier entstehe ein Spannungsfeld. Entlastungen, die sich in der Pandemie bewährt haben, seien aber sinnvoll, betonte Kippels. Preis forderte, die Präqualifizierung abzuschaffen, die bei Arzneimittelzubehör wie Pennadeln zum Versorgungshindernis werde. Piechotta entgegnete, Qualität müsse nachvollziehbar sein. Es werde daher mit den Grünen keine Politik geben, die alle solche Regelungen über Bord werfe. Kippels ergänzte, Patientenvertreter würden mit Blick auf die Qualität vermutlich erklären, es könne gar nicht genug Bürokratie geben. Piechotta und Kippels verwiesen auf angebliche Chancen, die Bürokratie mithilfe der Digitalisierung zu vereinfachen. Daraufhin klagte Preis über zu viel Misstrauen. Es gehe um weniger Staat und mehr Verantwortung für die freien Berufe, die damit zu attraktiven Arbeitsplätzen würden.

Noch länger Warten auf pharmazeutische Dienstleistungen

Auch die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen kamen zur Sprache. Preis erklärte, sie seien leider im Schiedsverfahren und ergänzte „vielleicht bis Sommer oder Herbst“, erläuterte aber nicht, woher diese Einschätzung kommt. Wichtig sei, dass diese Leistungen nicht nur Spezialfälle betreffen, sondern die großen Volkskrankheiten. Durch die Betreuung der Patienten könne die Effizienz der Arzneimittel sehr gesteigert werden, wenn die regelmäßige Einnahme gesichert wird. Doch für ein flächendeckendes Angebot seien mehr als die vorgesehenen 150 Millionen Euro pro Jahr nötig, erklärte Preis. Daraufhin zeigte sich Heidenblut offen für eine Nachbesserung. Wenn die Schiedsstelle „nur klein-klein“ entscheide, sei eventuell auch mehr Geld für weitere Leistungen möglich. Piechotta sieht den größten Bedarf bei der Polypharmazie. Doch mehr Geld könne es nur für spürbare Versorgungsverbesserungen geben.

Kaum Aussicht auf mehr Geld

Kippels ergänzte, statt „Aufsatteln“ sei „Umschichten“ gefragt. Das System solle nicht kaputtgespart werden, aber die Effizienz des Mitteleinsatzes müsse geprüft werden. Es gebe Veränderungspotenzial, sodass neue Leistungen nicht immer mehr Geld erfordern würden. Heidenblut erklärte dagegen, für neue Leistungen müsse es auch mehr Geld geben. Angesichts dieser Debatte mahnte Preis, nicht in Sparorgien zu verfallen. Denn Deutschland habe die Pandemie gut gemeistert, weil Steuergeld ins Gesundheitssystem geflossen sei.

Offene Fragen zum Koalitionsvertrag

Mit Blick auf den Koalitionsvertrag fragte Kippels, welche Verbesserung Notfallzentren bringen sollen. Denn die Schwachstelle sei meist die Erreichbarkeit des Arztes. Der Gedanke sei „zu kurz gesprungen“. Bei der Neuorganisation des Notdienstes sei stattdessen eine telemedizinische Ersteinschätzung sinnvoll. Heidenblut entgegnete, die Zentren seien für Standorte gedacht, an denen nicht mehr genug Ärzte und Apotheken vorhanden seien. Davon abgesehen vermittelte auch die Diskussion keinen Einblick, welche konkreten Maßnahmen zu den Apotheken die Regierung bei der Umsetzung des Koalitionsvertrags plant.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

"Aufsatteln"

von Torben Schreiner am 21.02.2022 um 12:44 Uhr

Heißt es richtig Spar- oder Spargelorgien?

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