In Lebensmitteln verboten, in Arzneimitteln erlaubt

Kosmetik wie Zahnpasta – besser ohne Titandioxid?

Stuttgart - 17.02.2022, 13:44 Uhr

Ob Sonnencreme zum Sprühen oder Zahnpasta – in beiden Kosmetikprodukten ist das Risiko von möglicherweise enthaltenem Titandioxid nicht ganz klar. (Foto: ggala / AdobeStock)

Ob Sonnencreme zum Sprühen oder Zahnpasta – in beiden Kosmetikprodukten ist das Risiko von möglicherweise enthaltenem Titandioxid nicht ganz klar. (Foto: ggala / AdobeStock)


Im August 2022 tritt das Verbot von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff (E171) in Kraft. Die Pharmaindustrie hat währenddessen noch drei Jahre Zeit, auch in Arzneimitteln den Hilfsstoff zu ersetzen. Doch was ist eigentlich mit Kosmetik wie Sonnenschutz oder insbesondere Zahnpasta, die ja auch mal verschluckt werden kann? Die Zahnärztekammer in Westfalen-Lippe bezieht dazu nun Stellung.

Titandioxid und die Frage nach dessen sicheren Einsatz sind ungefähr seit dem Jahr 2019 Bestandteil intensiver Diskussionen. Ging es zunächst noch um die Gefahr (in der Industrie) dessen Stäube einzuatmen, hat die Diskussion mittlerweile über Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel auch die Arzneimittelbranche erreicht. Doch was ist eigentlich mit in Apotheken erhältlicher Kosmetik?

Immerhin könnte Sonnencreme zum Aufsprühen auch eingeatmet werden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erklärte in einem Dokument von Dezember 2019 zu der Frage, ob Nanomaterialien wie der UV-Filter Titandioxid in Sonnenschutzmitteln bedenklich sind, unter Berufung auf das Expertengremium der EU-Kommission („Scientific Committee on Consumer Safety“, SCCS): „Gesundheitliche Risiken sind bei Nano-Titandioxid als UV-Filter in einer Konzentration von bis zu 25 Prozent in Sonnenschutzmitteln unwahrscheinlich. Dies gilt bei gesunder, intakter und sonnenverbrannter Haut. Menschen, deren Haut krankheitsbedingt (Allergiker, Akne, Neurodermitis) geschädigt ist, sollten sich mit einem Facharzt abstimmen.“ Allerdings heißt es dort auch:


Das SCCS hat seine Schlussfolgerung auf Anwendungen (z. B. Cremes, Lotionen) beschränkt, die nicht zu einer Exposition der Lunge durch Inhalation führen.“

Fragen und Antworten des Bundesinstituts für Risikobewertung zu Sonnenschutzmitteln vom 19. Dezember 2019


Wie das BfR außerdem im Mai 2021 erklärte, hat das SCCS die inhalative Aufnahme von Titandioxid-Nanopartikeln, bei der es zu einer Exposition der Lunge des Verbrauchers mit TiO2-Nanopartikeln kommt, als gesundheitlich bedenklich bewertet. „Deshalb wurde Titandioxid (Nano) in Anwendungen, die durch Inhalation zur Exposition der Lunge des Endverbrauchers führen können, in der EU-Kosmetikverordnung verboten.“  Somit darf das Weißpigment in Sonnenschutz zum Sprühen nicht mehr zum Einsatz kommen. 

Rechtsgrundlage

Titandioxid zur Verwendung in kosmetischen Mitteln wird in zwei Positivlisten der EU-Kosmetikverordnung (EG) Nr. 1223/2009 (EU-KVO) aufgeführt: in der Liste der in kosmetischen Mitteln zugelassenen Farbstoffe (Anhang IV der EU-KVO) und in der Liste der zugelassenen Filter zum Schutz vor ultravioletter Strahlung (Anhang VI der EU-KVO). Es gelten also für den Sonnenschutz andere Regeln als für andere Kosmetika. 

Und wie steht es um Kosmetik jenseits von Sonnenschutz, die auch verschluckt werden kann? Ökotest bewertete erst kürzlich Lippenpflegestifte mit Sonnenschutz und erklärte, dass auch Lippenpflege vorsorglich auf Titandioxid verzichten sollte. Immerhin gilt es in Lebensmitteln mittlerweile als möglicherweise genotoxisch

Dem BfR fehlen Daten zu Zahnpasta

Noch leichter verschluckt als aufgetragene Lippenpflegestifte wird wohl Zahnpasta. Die Zahnärztekammer Westfalen-Lippe hat sich nun zum Thema Titandioxid und Zahnpasta geäußert. Titandioxid sei auch als weißes Farbpigment (CI 77891) in Zahnpasten enthalten, heißt es in einer aktuellen Mitteilung, allerdings müsse noch geklärt werden, ob die Risikobewertung von E 171 auch für das kosmetische Farbpigment CI 77891 gilt. „Derzeit gibt es laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung noch keine Hinweise, dass Titandioxid in kosmetischen Produkten wie Zahnpasta gesundheitsschädlich ist. Zumal Zahnpasta üblicherweise ausgespuckt und die Mundhöhle ausgespült wird“, erklärt Jost Rieckesmann, Präsident der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe in der Mitteilung. Prof. Dr. Stefan Zimmer, Lehrstuhlinhaber für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin an der Fakultät für Gesundheit, meint zudem, dass es dennoch viele gute und sehr gute Zahnpasten ohne Titandioxid gebe. 

Doch: „Wer vorsichtshalber die Zahnpasta wechseln möchte, der sollte dabei unbedingt darauf achten, dass die enthaltene Fluoridmenge ausreicht und der Altersgruppe entspricht“, gibt Dr. Holger Seib, Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, zu bedenken.

Weitere Bewertung von CI 77891 notwendig

Das BfR selbst erklärte im Mai 2021, dass ihm derzeit keine Daten zu Gehalten und Spezifikationen von Titandioxid in Zahnpasta vorliegen. In Zahnpasta werde ein Titandioxid-Pigment mit Namen CI 77891 eingesetzt, doch das BfR könne nicht beurteilen, ob die Bewertung der EFSA zu E 171 auf dieses Pigment übertragbar ist. „Das BfR hat den zuständigen Behörden des Risikomanagements empfohlen, den wissenschaftlichen Ausschuss ‚Verbrauchersicherheit‘ (Scientific Committee on Consumer Safety, SCCS) mit einer Risikobewertung zu mandatieren“, heißt es.

In der Natur kommt Titandioxid „in den drei Modifikationen Anatas, Rutil und Brookit vor. E171 besteht aus Anatas und/oder Rutil. Die internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) stuft Titandioxid als möglicherweise karzinogen für den Menschen (Gruppe 2B) ein.“ 

Quelle: DAZ 32/2021

Wer nun in der Apotheke auf der Suche nach Produktbeispielen ist, wird meist bei Ökotest fündig, allerdings wurde Titandioxid im Oktober 2021 von Ökotest in Zahnpasta noch nicht negativ bewertet. Bislang hilft also nur der Blick auf die Inhaltsstoffliste.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Zahnpaste verschlucken

von Constanze Schäfer am 18.02.2022 um 7:24 Uhr

Nach dem Putzen, dem Auftrag des Fluorids, soll nur ausgespuckt und nicht zusätzlich gespült werden, da sonst das wertvolle Fluorid zum Teil auch wieder weggespült würde. Dass zudem vor allem bei Kindern davon ausgegangen wird, dass Zahnpaste verschluckt wird, zeigen u.a. die Diskussionen zur Zahnpflege im Kleinst- und Kleinkindalter. Die Eltern sollen regelmäßig "mitputzen", die Menge der Zahnpaste auf der Bürste maximal erbsengroß sein und vor allem bei Kindern, die noch nicht ausspucken können, sei der besonders sparsame Umgang mit der Zahnpaste notwendig.
Einfach nicht mehr die Zähne zu putzen - ein guter Vorschlag, wenn wir alle verarbeiteten Lebensmittel komplett streichen. Oder doch zumindest wirklich alles, was zugesetzte kariogen wirksame Zucker enthält. Sonst sind Zahnlosigkeit wegen massiver Karies wieder an der Tagesordnung. Karies ist eine chronische Erkrankung. Das wird leider allzuoft übersehen. Deshalb mit unsemrem aktuellen Wissen am besten titanoxidfreie Zahnpasten empfehlen und vor allem junge Eltern dazu ansprechen.

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Titandioxid

von Bernd Küsens am 17.02.2022 um 22:31 Uhr

Wem das Risiko zu hoch ist, sollte doch das Zähneputzen sein lassen. Seit 100 000 Jahren konnte man auch ohne Zähneputzen auskommen.

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