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Heidelberger Herbstkongress 2021
Downgrade für PPI in kommender Reflux-Leitlinie
Kann man bei der Gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) auch Alginate einnehmen, oder müssen es immer PPI – in Dauertherapie – sein? Im nächsten Jahr wird eine neue Leitlinie erscheinen, in der Protonenpumpeninhibitoren zwar weiterhin der Goldstandard sind, aber in ihrer Wichtigkeit ein wenig herabgestuft werden. Auch simpel erscheinende Allgemeinmaßnahmen sind wichtig. Was bedeuten die Neuerungen für die Beratung in der Apotheke?
Die S2k-Leitlinie zur Gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) war bis Mai 2019 gültig und befindet sich derzeit in Überarbeitung. Laut Professor Joachim Labenz (Diakonie Klinikum GmbH, Jung-Stilling Krankenhaus, Abteilung Innere Medizin, Siegen) darf bald mit einer Veröffentlichung der neuen Leitlinie gerechnet werden. Dann soll sie auch Empfehlungen zur Eosinophilen Ösopahgitis enthalten. Über weitere für die Apotheke wichtige zu erwartende Änderungen der Leitlinie berichtete Labenz am 21. November auf dem 44. Heidelberger WEB-Kongress.
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Er stellte klar, dass die Diagnose der GERD schwierig ist, und oft wie ein Puzzle zusammengesetzt werden muss. Deshalb gebe es auch keinen diagnostischen „Goldstandard“. Nicht jeder mit Refluxsymptomen habe eine GERD, und nicht jeder mit GERD habe typische Refluxsymptome. In der Therapie sollte entsprechend unterschieden werden.
Wichtig für die Apotheke ist aber vor allem das Statement zum Stellenwert von Allgemeinmaßnahmen in der geplanten Leitlinie. Egal ob Reflux oder gesicherte GERD, alle diese Patient:innen sollen zu
- Zwerchfelltraining (Bauchatmung),
- Gewichtsreduktion (bei Übergewicht),
- Lifestyle-Modifikationen (Ernährung, Getränke, Rauchen, Alkohol, körperliche Bewegung) und zur
- Schlafposition
beraten werden. Dauerhaft mit erhöhtem Oberkörper zu schlafen, sei wahrscheinlich zu unbequem, eine Linksseitenlage jedoch sinnvoll.
Es müssen nicht immer PPI sein – ein Fan der Alginate
Die geplante Leitlinie sieht vor, dass bei typischen Refluxbeschwerden ohne Alarmsymptome, ohne positive Familienanamnese für Malignome des oberen Verdauungstrakts und ohne Risikofaktoren für Komplikationen ein PPI (Protonenpumpeninhibitor) in Standarddosis verordnet werden „sollte“. Damit werde ihr Stellenwert ein wenig herabgestuft, weil es unter denselben Bedingungen in der Leitlinie zudem heißen werde, dass probatorisch auch andere Antirefluxpräparate (z.B. H2 -Rezeptorantagonisten, Alginate, Antazida) bei aus Patientensicht genügender Symptomkontrolle eingesetzt werden „können“. Labenz sei ein Fan der Alginate. Diese würden im Gegensatz zu PPI (physikalisch) auch gegen die sogenannte Acid Pocket (Säuretasche) wirken, die nach Nahrungsaufnahme physiologisch entstehe. Zudem bilden sie einen Schutzfilm im Ösophagus.
Dauertherapie, Übertherapie oder Non-PPI-Therapie?
Diskussionen um das potenzielle Risiko einer PPI-Einnahme beispielsweise für Demenz hält Labenz – auf Nachfrage aus dem Publikum – für übertrieben. Dennoch sollte man sie nicht einsetzen, wenn sie nicht indiziert sind. Man solle eine Übertherapie vermeiden. Labenz schätzt, dass bei weniger als 5 Prozent der Betroffenen eine PPI-Dauertherapie notwendig ist. Laut kommender Leitlinie „soll“ eine Übertherapie vermieden werden. Bei unkomplizierter GERD „sollte“ die Arzneimittel-Therapie an den Symptomen ausgerichtet werden. Daraus folgert Labenz: Ist die Symptomkontrolle aus Patientensicht ausreichend, genügt eine „Non-PPI-Therapie“.
Außerdem wirken PPI nicht in jedem Fall. „Wir alle haben ja Reflux, spüren es nur normalerweise nicht“, so Labenz. Laut den neuen Empfehlungen soll bei gesicherter oder wahrscheinlicher GERD eine PPI-Therapie für mindestens vier bis acht Wochen durchgeführt werden. Spricht der Patient auf die PPI nicht an und hat davor keine Diagnostik stattgefunden, sollte nach mindestens acht Wochen eine weitere Abklärung erfolgen. Bei einer nicht erosiven Refluxkrankheit soll vier Wochen lang mit niedriger PPI-Standarddosis behandelt werden, bei einer Refluxösophagitis acht Wochen lang mit hoher Standarddosis. Das bedeutet für Esomeprazol 20 oder 40 mg, für Lansoprazol 15 oder 30 mg, für Omeprazol 20 oder 40 mg, für Pantoprazol 20 oder 40 mg und für Rabeprazol 10 oder 20 mg.
Bei komplizierter GERD sollte aber eine PPI-Dauertherapie erfolgen.
Warum PPI nicht immer wirken
Spricht ein Patient oder eine Patientin nach acht Wochen tatsächlich nicht auf eine PPI-Therapie an, kann das verschiedene Gründe haben:
- Inadäquate Säurehemmung
- Compliance
- Dosierung
- „Acid Pocket“
- Zollinger Ellison
- PPI-Resistenz
- Nächtlicher Säuredurchbruch
- Regurgitation von nicht saurem Reflux (Galle)
- Beschwerden sind nicht refluxbedingt
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PPI – wie war das noch?
Laut Labenz kann man sich bei der GERD auf vier Therapieprinzipien stützen, die man sinnvoll miteinander kombinieren soll:
- Säurekontrolle vor allem mit PPI
- Refluxkontrolle vor allem mit Alginat oder Antireflux-Operation
- Mukosaprotektion vor allem mit Alginat
- Sensitivitäts-/Refluxkontrolle z.B. mit Citalopram, Fluoxetin
All das zeigt: Die GERD ist nicht trivial, die Diagnose muss sauber gestellt werden.
Außerdem sprach Labenz neben der eosinophilen Ösophagitis in seinem Vortrag beim 44. Heidelberger WEB-Kongress auch über die Therapie von Reizmagen/Gastritis, die Ulkuskrankheit sowie über einen Paradigmenwechsel in der kommenden Leitlinie zu Helicobacter pylori.
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