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Kommentar
Honorierungsvorschlag im Koalitionsvertrag: katastrophal bis hilfreich, je nach Details
Im bekannt gewordenen Entwurf der Arbeitsgruppe „Gesundheit und Pflege“ für den Koalitionsvertrag werden auch die Apotheken erwähnt. Demnach sollen Effizienzgewinne für die Finanzierung genutzt werden. Vermutlich bezieht sich dies auf einen Vorschlag der Grünen von 2019, den Festzuschlag für Rx-Arzneimittel vom Umsatz der Apotheke abhängig zu machen. Was das für die Apotheken bedeuten würde, beschreibt DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn in einem Kommentar.
In den Verhandlungsergebnissen der Arbeitsgruppe „Gesundheit und Pflege“ für den Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung heißt es zu den Apotheken, die neue Koalition werde das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) novellieren, „um pharmazeutische Dienstleistungen besser zu honorieren und Effizienzgewinne innerhalb des Finanzierungssystems zu nutzen“. Was soll das bedeuten? Unter Effizienzgewinnen werden in der Ökonomie Kostenvorteile durch eine wirtschaftlich vorteilhafte Arbeitsweise verstanden. In Apotheken können diese durch die Betriebsgröße oder die Versorgungsform (Versand versus vor Ort) entstehen.
Umverteilung von großen zu kleinen Apotheken
Die Vorgeschichte der Koalitionspartner lässt vermuten, dass die erwähnte Idee auf einen Bundestagsantrag von Cordula Schulz-Asche und der Grünen-Fraktion zur Arzneimittelversorgung zurückgeht (Bundestagsdrucksache 19/9699 vom 26. 4. 2019). Darin hatten die Grünen gefordert, den packungsbezogenen Festzuschlag an den Apothekenumsatz zu koppeln. Kleine Apotheken sollten für die Abgabe gleichartiger Arzneimittel mehr Geld als große Apotheken erhalten. Die Idee, dass ein Rezept in verschiedenen Apotheken einen unterschiedlichen Wert haben soll, war damals ein zentrales Argument gegen den Vorschlag.
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Was würde das für die Apotheken bedeuten? Es bliebe theoretisch möglich, dass die Apotheken insgesamt ein höheres Packungshonorar bekommen – irgendwann oder am Sankt-Nimmerleinstag. Die Grundidee des Vorschlags ist aber die Umverteilung. Apotheken, denen es noch relativ gut geht, sollen andere unterstützen, damit die Gesellschaft nicht zusätzlich belastet wird.
Nur in Kombination mit Fonds akzeptabel
Dabei droht ein katastrophaler „Neben“-Effekt. Wenn große (Versand-)Apotheken billiger sind, entsteht ein Anreiz für Krankenkassen, die Patienten dorthin zu steuern. Außerdem droht Preiswettbewerb um Privatpatienten. Diese systemgefährdenden Folgen lassen sich aber vermeiden, wenn der unterschiedliche Vergütungsanteil über einen Fonds geleitet wird. Dann bliebe der einheitliche Arzneimittelpreis für die Endkunden erhalten. Nur so ist die Idee überhaupt diskussionsfähig. Alles andere wäre absolut inakzeptabel und würde die jahrelangen Bemühungen um das VOASG zunichtemachen. Es spricht einiges dafür, dass die Koalitionäre dies erkannt haben. Denn in dem Papier heißt es auch, der Nacht- und Notdienstfonds werde zu einem Sicherstellungsfonds weiterentwickelt. Diese Formulierung bezieht sich vielleicht nur auf die Finanzierung des Dienstleistungshonorars. Doch es wäre möglich, auch eine neue variable Komponente des Festzuschlags über diesen Fonds zu leiten – und vielleicht ist genau das gemeint.
Wie viel kann umverteilt werden?
Dann bliebe zu fragen, wie groß der Unterschied sein soll und welche Apotheken be- oder entlastet werden. Die Grünen hatten 2019 vorgeschlagen, dass die umsatzstärksten zehn Prozent der Apotheken einen Euro weniger pro Rx-Arzneimittel erhalten und das Geld auf die übrigen Apotheken verteilt wird. Die Fraktion der „Basis-Apotheker“ in der Kammerversammlung von Westfalen-Lippe hatte damals eine viel stärkere Umverteilung vorgeschlagen. Die ökonomische Grundidee hinter allen diesen Vorschlägen ist das Ausnutzen von Skaleneffekten aufgrund der Fixkosten, beispielsweise für Apothekenräume und Betriebsausstattung. Diese Fixkosten beflügeln seit Jahrzehnten die Fantasie mancher Politiker, die sich größere Einheiten bei den Apotheken wünschen. In manchen politischen Betrachtungen werden die Fixkosten überschätzt, in anderen Fällen werden sie ignoriert – je nach Argumentationsziel.
Selbstverständlich gibt es diese Fixkosten, aber ein sehr großer Teil der Kosten in Apotheken entsteht durch die Arbeit unmittelbar am Patienten. Eine gute Beratung dauert in einer kleinen Apotheke ebenso lange wie in einer viel größeren Apotheke. Darum ist der Effekt der Fixkosten begrenzt. Sie sind kein Wundermittel gegen alle Probleme. Viel größer ist der Unterschied zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versendern, weil der Versand manche Leistungen gar nicht erbringen kann und die Beratung über eine Hotline organisiert wird. Dort sollten durchaus Effizienzgewinne zugunsten des Systems zu realisieren sein. Der Vorschlag kann daher auch im Sinne einer unterschiedlichen Honorierung für Vor-Ort-Apotheken und Versender verstanden werden, wobei die drohenden Fehlanreize für Patienten und Krankenkassen über den neuen Sicherstellungsfonds verhindert werden können.
Keine langfristige Antwort
Was ist das Fazit für die Apotheken? Die Idee kann alles sein – von katastrophal bis hilfreich. So sehr wie bei kaum einer anderen Idee kommt es auf die Details an. Doch eines ist offensichtlich: Die Idee wird nicht das Grundproblem der Unterfinanzierung lösen. Das Konzept kann allenfalls nur noch etwas länger kaschieren, dass das System nur mit mehr Geld genügend Nachwuchs für die Zukunft gewinnen kann. Doch dieses Problem will die Politik offenbar weiter vertagen.
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