In elf Beobachtungsstudien mit rund 130.000 Mutter-Kind-Paaren bewerteten die Expert:innen die urogenitalen und reproduktiven Auswirkungen von Paracetamol auf die Kinder. Es zeigte sich, dass im Vergleich zu nicht exponierten Kindern bei Jungen mit pränataler Paracetamol-Exposition unter anderem häufiger Kryptorchismus (Hodenhochstand) sowie ein verringerter Anogenitalabstand auftraten, die ein Indikator für eine gestörte Maskulinisierung sind und
Risikofaktoren für spätere Fortpflanzungsschwierigkeiten darstellen. Bei den Mädchen konnten eine fehlerhafte Entwicklung der Eierstöcke und eine verringerte Anzahl an Eizellen, die zu einer frühzeitigen Eierstockinsuffizienz führen können, gesehen werden. Die Wahrscheinlichkeit für solche Effekte war vom Zeitpunkt der Exposition abhängig: So war das Risiko im zweiten und dritten Trimenon mit wenigen Ausnahmen am geringsten.
In weiteren 29 Beobachtungsstudien – bestehend aus 220.000 Mutter-Kind-Paaren – bewerteten die Experten die neuronale Entwicklung von pränatal mit Paracetamol exponierten Kindern. Auch hier zeigte sich, dass bei den exponierten Kindern häufiger eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Autismus-Spektrum-Störungen, Sprachverzögerungen sowie ein verringerter IQ-Wert auftraten. Dabei wirkte sich vor allem die Anwendungsdauer des Analgetikums negativ auf das Risiko für spätere Entwicklungsstörungen aus. Zudem kritisieren die Autor:innen, dass die Mehrheit der schwangeren Frauen wahrscheinlich Paracetamol ohne eine klare Indikation einnimmt. Auch die Expert:innen befürworten die Einnahme bei hohem Fieber und starken Schmerzen, da insbesondere stark erhöhte Temperatur als Risikofaktor für Neuralrohrdefekte und spätere Herz-Kreislauf-Erkrankungen gilt. In einer Analyse von 2020 gaben jedoch nur 8 Prozent der Schwangeren an, Paracetamol zur Fiebersenkung eingenommen zu haben. Der Großteil hingegen hatte das Analgetikum bei Kopfschmerzen, Muskelschmerzen oder Rückenschmerzen angewendet, bei denen nach Meinung der Studienautoren Paracetamol nur begrenzt wirksam ist.
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