Finanzexperte zu DocMorris-Plänen

„Der Versandhandel wird die Marktstruktur zerstören“

Stuttgart - 23.06.2021, 07:00 Uhr

Gegenüber DAZ.online äußert sich ein Experte, der die Aktivitäten der Zur-Rose-Gruppe seit Jahren beobachtet. (x / Foto: BullRun / AdobeStock)

Gegenüber DAZ.online äußert sich ein Experte, der die Aktivitäten der Zur-Rose-Gruppe seit Jahren beobachtet. (x / Foto: BullRun / AdobeStock)


„Dass es Apotheken gibt, die sich den Plattformen der Versender anschließen, scheint mir pervers“

Bisher erwirtschaftet Zur Rose noch kein Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen. Wie gelingt es, die Investoren bei der Stange zu halten und sogar immer wieder auch neue Geldgeber zu finden?

Die Zur Rose Group schafft es, durch E-Health-Visionen und ehrgeizige Ziele im Rx-Bereich sehr viel Kapital an der Börse aufnehmen. Man sollte auch nicht außer Acht lassen, dass diese börsennotierten Firmen mit ausländischen Investoren letztlich auch die Hoheit über sensible Gesundheitsdaten auf Servern im Ausland haben, die jederzeit von einem einzigen Investor, auch aus Ländern mit Menschenrechtsverletzungen wie Saudi Arabien oder Russland, gekauft werden können. Es kann nicht im öffentlichen Interesse sein, dass deutsche Patienten solchen möglichen Szenarien von vornherein ausgeliefert sind.

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Neben dem Versandgeschäft setzt Zur Rose mit DocMorris auch auf den Aufbau einer Plattform mit stationären Apotheken. Meinen Sie, die Initiativen der Apothekerverbände und apothekennahen Unternehmen in Deutschland sind in der Lage, ein relevantes Gegengewicht zu bilden?

Es scheint mir ziemlich pervers, dass es überhaupt Vor-Ort Apotheken gibt, die sich den Markplatz-Plattformen von DocMorris oder Shop Apotheke anschließen. Ich glaube schon, dass die wahren Stakeholder im deutschen Apothekenmarkt in der Lage sind, Marktplatz-Plattformen aufzustellen und einen Mehrwert für Patienten und Vor-Ort Apotheken ermöglichen.

Wie werden Ihrer Einschätzung nach Zur Rose und DocMorris in den nächsten Monaten auf dem deutschen Arzneimittelmarkt vorgehen?

Sie werden sehr aggressiv und auf Kosten ihrer Profitabilität mit Rabatten im OTC-Bereich indirekte Anreize schaffen, um im Rx-Bereich Marktanteile zu ergattern. Falls das Ministerium mit einer Rechtsverordnung keine Identifikation für die Zustellung des Tokens verlangt, dann ist auch die Gematik-E-Rezept-App zum Scheitern verurteilt und DocMorris wird versuchen, durch vollmundige Werbeausgaben die Patienten dazu bringen, die eigene App herunterzuladen.


Die deutschen Apotheken sollten Bundesgesundheitsministerium eine zeitliche Verschiebung vom E-Rezept Einführung verlangen.“

Ein anonymer Finanzexperte


Was raten Sie den Apothekern und ihrer Standesvertretung in Deutschland?

Ich rate ihnen, vom Bundesgesundheitsministerium eine zeitliche Verschiebung der E-Rezept-Einführung zu verlangen, sowie auf eine Rechtsverordnung zu bestehen, die den Datenschutz und die Informationssicherheit für E-Rezept-Patienten gewährleistet. Die Gematik- App muss als Standard-App für deutsche Patienten etabliert werden. Außerdem sollten Vor-Ort-Apotheken unbedingt den lokalen Botendienst ausbauen und gemeinsame Marktplatz-Plattformen unterstützen.

Vielen Dank für das Gespräch.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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3 Kommentare

.

von Anita Peter am 23.06.2021 um 12:13 Uhr

Kann Herr Hennrich das bitte beobachten?
Und nochmals herzlichen Dank liebe ABDA für die Aufgabe des RXVV!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Gefährdung der Arzneimittelversorgung!

von Thomas Eper am 23.06.2021 um 10:34 Uhr

"...dass die EU-Versender ... die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung auf längerer Sicht in Gefahr bringen werden."
Eigentlich ein Skandal, dass die Politik zusieht!
Vielleicht interessiert sich mal jemand von der Presse dafür und deckt diese Sauerei auf.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

eh klar

von Karl Friedrich Müller am 23.06.2021 um 10:19 Uhr

alle wussten Bescheid. Die ABDA hat es ignoriert. Möglicherweise sind Ausschüsse und Abgeordnete im Unklaren belassen worden was sie anrichten, der "Gesetzgeber", die Drahtzieher wie Spahn und .DocMorris haben das beabsichtigt.
1% Rx Anteil ist vernachlässigbar? Dummer Spruch. Liegt auf der Hand, dass die Versender sich damit nicht zufrieden geben. Schön, dass hier auch mal gesagt wird, dass die Apotheke vor Ort im Prinzip KEINE CHANCE hat, weil sie es sich nicht leisten kann, ohne Gewinn zu arbeiten oder gar mit roten Zahlen.
Datenschutz ist egal. Spahn hat sich schon oft in der Richtung geäußert.
Für Krokodilstränen ist es schon zu spät. Spahn und DocMorris machen uns fertig. Die Meisten jedenfalls. Und damit wird ein gut funktionierendes, ortsnahes System, Anlaufstelle zerstört. Das ist auch direkt eine Aktion gegen den (kranken) Bürger.
Ein Aufschub des eRezepts? Wovon träumen Sie nachts? Abgeordnete und Regierung müssten allenfalls per Gericht gezwungen werden können.
Während der Pandemie wurden auch gnadenlos Krankenhäuser "optimiert". Betten und Personal abgebaut, Stationen in profitable umgewandelt. Die Kohle zählt, auch wenn uns das Wasser bis zum Hals steht, das Corona Virus uns bedroht.
Mit der CDU gibt es nur ein WEITER SO! Leider wahrscheinlich auch mit den anderen Parteien.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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