VDPP zu Pharmazeutischen Dienstleistungen

„Chance nicht verspielen“

Stuttgart - 02.06.2021, 12:45 Uhr

Pharmazeutische Dienstleistungen können einen effektiven Beitrag für die Arzneimittelsicherheit leisten, wenn sie patientenorientiert und bedarfsgerecht sind. Wird dies bei der Implementierung nicht berücksichtigt, setze man das Angebot wieder aufs Spiel, so der Verband demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten. (Fotot: c / Ирина Угорова / AdobeStock)

Pharmazeutische Dienstleistungen können einen effektiven Beitrag für die Arzneimittelsicherheit leisten, wenn sie patientenorientiert und bedarfsgerecht sind. Wird dies bei der Implementierung nicht berücksichtigt, setze man das Angebot wieder aufs Spiel, so der Verband demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten. (Fotot: c / Ирина Угорова / AdobeStock)


Der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten begrüßt, dass pharmazeutische Dienstleistungen mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz erweitert werden. Nachhaltig wäre das Konzept aber nur patientenorientiert und in wissenschaftlich evaluierter Form. Dienstleistungen könnten per se nicht die flächendeckende Versorgung sicherstellen, dafür müsse der Staat Rechnung tragen.

Damit nach § 129 Abs. 5e SGB V Versicherte ab dem 1. Januar 2022 nicht nur Anspruch auf pharmazeutische Dienstleistungen haben, sondern diese auch in Anspruch nehmen können, verhandeln Deutscher Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband die Rahmenbedingungen. Doch wie weit die Verhandlungen vorangeschritten sind, wie diese aussehen werden, und ob sich beide Seiten überhaupt einigen können, ist weiterhin unklar. Sollten die Verhandlungen bis zum 30. Juni 2021 keine Ergebnisse liefern, entscheidet eine Schiedsstelle. Der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) gibt sich mit der Ungewissheit nicht zufrieden. Er befürchtet, dass die Erwartungen der Apothekerschaft nicht erfüllt werden könnten, wenn klar ist, wie sich DAV und GKV-Spitzenverband geeinigt haben werden. Also veröffentlichte der Verein am 31. Mai ein Positionspapier, in dem die Autor:innen warnen: Würden die Dienstleistungen nur halbgar in die Praxis überführt, liefen sie Gefahr, den „nächsten zu erwartenden Sparrunden zum Opfer zu fallen“.

Zusammen mit Patient:innen und anderen Heilberufen

Wie könnte man das verhindern? Pharmazeutische Dienstleistungen müssten die Arzneimitteltherapie fortlaufend verbessern, der Nutzen sei zudem wissenschaftlich zu evaluieren, so die Autor:innen. Dabei betritt die Apothekerschaft kein Neuland, denn andere Länder konnten bereits Erfahrungen über vergleichbare Dienstleistungen sammeln und wissenschaftlich auswerten. Der VdPP rät, diese Erkenntnisse zu berücksichtigen, um von Beginn an Dienstleistungen mit dem größtmöglichen Patientennutzen auf den Weg zu bringen. Dafür seien einerseits multimorbide, geriatrische oder Patienten mit Polymedikation ins Zentrum pharmazeutischer Dienstleistungen zu rücken, vor allem Bewohner von Alten- und Pflegeheimen. Auch nicht mobile ambulante Patienten würden besonders profitieren. Wichtig sei zudem, Patientenorganisationen mit einzubeziehen. Nicht zuletzt müssten pharmazeutische, ärztliche und pflegerische Kompetenzen zusammengefügt werden. Der VdPP nennt eine Reihe konkreter Dienstleistungen, die Apotheker:innen ergreifen könnten:

  • Medikationsanalysen und anschließende Fallbesprechungen im interdisziplinären Team, auch zur Gesundheitsprävention
  • Einsatz von Apotheker:innen in ambulanten medizinischen Einrichtungen zur Verbesserung der AMTS
  • Regelmäßige Schulungen von Pflegefachkräften zu Arzneimitteltherapie und Therapiebeobachtung, die weit über bisherige Schulungen hinausgehen
  • Arzneimittelbezogenes Entlass-Management
  • Pharmazeutische, aufsuchende Betreuung von Patient:innen mit Mobilitätseinschränkungen
  • Aufbau und Unterstützung von Qualitätszirkeln zur evidenzbasierten Arzneimittelversorgung für alle beteiligten Berufsgruppen

Gefahr der weiteren Konzentration im Apothekenwesen

Ein weiteres, wichtiges Anliegen des Vereins demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten: Das Konzept der pharmazeutischen Dienstleistungen kann nicht die flächendeckende Arzneimittelversorgung über Apotheken sicherstellen. Genau dies besagt jedoch das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetzt (VOASG) wörtlich. Der VdPP erinnert, dass pharmazeutische Dienstleistungen hoher Qualität Apotheken zunächst Investitionen abverlangen. Weiterbildungen, Hilfsmittel, das Vernetzen mit anderen Heilberufen: Finanziell und personell schwache Apotheken sollte das VOASG unterstützen, doch gerade diese können ihren Patienten ein geringeres Spektrum an Dienstleistungen bieten. Die Folge wäre gerade nicht ein Schutz der flächendeckenden Arzneimittelversorgung, sondern eine „weitere Konzentration im Apothekenwesen“. Unter „flächendeckender Versorgung“ versteht der VdPP aber auch, dass sich Menschen in unterversorgten Regionen wie dem ländlichen Raum und in sozial benachteiligten Gegenden zu Arzneimitteln informieren und beraten lassen könnten.

Versorgung ist Teil „öffentlicher Daseinsvorsorge“

Als Lösungsoptionen nennen die Autoren des Positionspapiers, in unterversorgten Gegenden den Aufbau von Zweig- oder kommunalen Apotheken finanziell zu unterstützen. Ein weiteres Modell, das der VdPP anführt, ist, dass Apotheken Teil von Primärversorgungs-Netzwerken sein könnten. In Deutschland sind solche Konzepte nur vereinzelt anzutreffen, das Programm PORT (Patientenorientierte Zentren zur Primär- und Langzeitversorgung) der Robert Bosch Stiftung betreibt Polikliniken oder medizinische Versorgungszentren unter anderem in Berlin-Neukölln, Büsum und Hamburg-Veddel. In anderen Ländern wie dem vereinigten Königreich oder Kanada macht das Konzept, bei dem der Staat Apotheker:innen systematisch in solche Zentren einbindet, bereits Schule. „Das ist die Richtung, in die es gehen wird“, sagt VdPP-Vorstandsmitglied Dr. Udo Puteanus gegenüber der DAZ-Redaktion. Die bestehenden Strukturen zu erhalten oder neue aufzubauen, so der VdPP, ist nicht Aufgabe beitragszahlender Krankenkassenmitglieder, sondern Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Investitionen für eine flächendeckende Arzneimittelversorgung müsse der Bund tragen.

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Der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten appelliert an die Vertragspartner GKV-Spitzenverband und DAV, dass die Vergütung für pharmazeutische Dienstleistungen dahin gelangen soll, wo Patienten die Kompetenzen dringend brauchen und am stärksten von den Angeboten profitieren.



Marius Penzel, Apotheker
redaktion@daz.online


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