DGN fordert neue Risiko-Nutzen-Bewertung

Vaxzevria: Erhöhtes Risiko für seltene Impfkomplikation auch bei älteren Frauen

Stuttgart - 06.05.2021, 15:00 Uhr

Seltene schwerwiegende Gerinnungsstörungen nach Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff von AstraZeneca: Die EMA hat bislang keine klaren – und damit vermeidbaren Risikofaktoren – wie Alter, Geschlecht oder Gerinnungsstörungen ausmachen können. (c / Foto: IMAGO / Frank Sorge)

Seltene schwerwiegende Gerinnungsstörungen nach Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff von AstraZeneca: Die EMA hat bislang keine klaren – und damit vermeidbaren Risikofaktoren – wie Alter, Geschlecht oder Gerinnungsstörungen ausmachen können. (c / Foto: IMAGO / Frank Sorge)


Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) weist auf ein neues Sicherheitssignal hin: Nicht nur jüngere, sondern auch ältere Frauen haben Daten der DGN zufolge, die nun als Preprint veröffentlicht wurden, ein erhöhtes Risiko für Sinus- und Hirnvenenthrombosen nach Impfung mit der AstraZeneca-Vakzine Vaxzevria. Das müsse transparent kommuniziert werden, außerdem sollte sehr zeitnah eine neue Risiko-Nutzen-Bewertung durch die zuständigen Behörden erfolgen, meint die DGN. 

Eine neue in Deutschland durchgeführte Studie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN, Preprint vom 4. Mai) hat das Auftreten von zerebrovaskulären Ereignissen, insbesondere Sinus- und Hirnvenenthrombosen im Gehirn, nach Impfung gegen SARS-CoV-2 untersucht. Darauf machte am vergangenen Dienstag die DGN aufmerksam. „Auffällig war, dass nicht nur jüngere Frauen ein höheres Risiko für zerebrale Sinus- und Hirnvenenthrombosen nach Impfung mit dem Vakzin ChAdOx1 (AstraZeneca) hatten, sondern auch ältere Frauen“, betont die DGN in einem ersten Fazit. Die Inzidenzrate der Hirnvenenthrombosen bei Frauen unter 60 Jahren betrage nach Gabe des AstraZeneca-Impfstoffs 24,2/100.000 Personenjahre, bei Frauen über 60 seien es 20,5/100.000 Personenjahre.

Mehr zum Thema

Prof. Christian Gerloff, Präsident der DGN, meint dass dieses Studienergebnis als Sicherheitssignal neu sei und transparent kommuniziert werden müsse. Man ist bei der DGN der Auffassung, dass sehr zeitnah eine neue Risiko-Nutzen-Bewertung durch die zuständigen Behörden erfolgen sollte. Dies bedeute jedoch nicht, dass man damit die Impfung und auch nicht Vaxzevria als Impfstoff infrage stelle. Alle Personen, vor allem Frauen, sollten aber ihr Risiko und entsprechende Symptome nach der Impfung kennen.

Spahn will AstraZeneca-Impfstoff für alle freigeben

Besondere Beachtung dürfte diese Empfehlung angesichts des neuesten Vorhabens von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erfahren. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet, will Spahn den AstraZeneca-Impfstoff für alle freigeben – ohne Priorisierung nach Alter, Vorerkrankung oder Berufsgruppe. Am Mittwochabend habe er in der WDR-Fernsehsendung „Aktuelle Stunde“ angekündigt, noch an diesem Donnerstag mit seinen Länderkollegen darüber reden zu wollen. Zudem solle das Intervall zwischen Erst- und Zweitimpfung mit AstraZeneca – derzeit zwölf Wochen – in Zukunft flexibler gehandhabt werden können.

Expert:innen betonten in den Diskussionen rund um Vaxzevria und dessen spezielle sehr seltene Nebenwirkungen (Thrombosen kombiniert mit Thrombozytopenie) immer wieder, dass das Risiko durch eine COVID-19-Infektion für (spezielle) Thrombosen deutlich höher sei, als das der Impfung. Allerdings gaben manche auch zu bedenken, dass es alternative (mRNA-)Impfstoffe auf dem Markt gibt, was unter anderem die aktuelle Altersbeschränkung durch die STIKO erklärt. 

In der Mitteilung der DGN zu ihrer neuesten Studie heißt es nun, „dass es nach Impfung mit dem COVID-19-AstraZeneca-Impfstoff (ChAdOx1) zu signifikant mehr zerebralen Sinus- und Hirnvenenthrombosen (CVT) kam als nach Impfung mit den mRNA-Impfstoffen“. Die Rate der aufgetretenen CVT-Ereignisse sei nach einer Erstimpfung mit Vaxzevria um mehr als neunmal höher als nach Impfung mit den mRNA-Impfstoffen. Frauen zeigten sich dabei als Risikogruppe: „Die Rate für Frauen war im Vergleich zu der von nicht weiblichen Personen mehr als dreimal erhöht“, heißt es.

Die EMA hat bislang keine klaren – und damit vermeidbaren Risikofaktoren – wie Alter, Geschlecht oder Gerinnungsstörungen ausmachen können.

Von 62 Fällen 53 nach Vaxzevria, neun nach BioNTech-Impfstoff

Alle neurologischen Kliniken in Deutschland waren von der DGN am 6. April 2021 mit der Bitte angeschrieben worden, alle Fälle von zerebralen Sinus- und Hirnvenenthrombosen (CVT) sowie ischämischen und hämorrhagischen Schlaganfällen, die innerhalb eines Monats nach einer SARS-CoV-2-Impfung aufgetreten waren bis zum 14. April 2021 zu melden. Dabei erfasste die DGN 87 Meldungen, von denen bei 62 ein möglicher Zusammenhang mit der Impfung bestätigt wurde (45 zerebrale Venenthrombosen, 9 ischämische Schlaganfälle, 4 Hirnblutungen und 4 andere thrombotische Ereignisse). Das mittlere Alter der Betroffenen lag bei 46,7 Jahren, 77,4 Prozent der Betroffenen seien unter 60 Jahre alt. Bei 95,2 Prozent seien die unerwünschten Ereignisse nach der ersten Dosis aufgetreten.

53 der insgesamt 62 bestätigten Fälle (85,5 Prozent) seien nach Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff ChAdOx1 aufgetreten, neun Fälle (14,5 Prozent) nach Impfung mit dem Biontech-Impfstoff BNT62b2. Ereignisse nach Gabe des mRNA-Impfstoffes von Moderna wurden keine beobachtet. Zu Bedenken ist dabei allerdings, dass nur 1,2 Millionen Dosen von Moderna bis Mitte April verimpft worden seien – im Gegensatz zu Biontech mit 16,2 Millionen und AstraZeneca mit 4,6 Millionen Dosen.

„Bei Nebenwirkungen, die > 3 Tage nach erfolgter Impfung anhalten oder neu auftreten, z. B. 

  • Schwindel,
  • Kopfschmerzen,
  • Sehstörungen,
  • Übelkeit/Erbrechen,
  • Luftnot,
  • akute Schmerzen in Brustkorb, Abdomen oder Extremitäten,

sollte eine weitere ärztliche Diagnostik zur Abklärung einer Thrombose erfolgen.“ 

(Quelle: Aktualisierte Stellungnahme der GTH zur Impfung mit dem AstraZeneca COVID-19 Vakzin, Stand 1. April 2021)

Die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung e.V. aktualisiert regelmäßig ihre Stellungnahme zur Impfung mit dem AstraZeneca COVID-19-Vakzin. Dort wird auch erklärt wie die seltenen speziellen Nebenwirkungen nach derzeitigem Stand am besten zu behandeln sind

Das Deutsche Ärzteblatt berichtete am vergangenen Mittwoch zudem, dass die Impfkomplikation in den USA in einem Fall erfolgreich mit Bivalirudin behandelt werden konnte. (In der Lauer-Taxe wird aktuell nur Bivalirudin Accord gelistet.) Die Patientin habe sich im konkreten Fall innerhalb einer Woche vollständig von einer zerebralen venösen Sinusthrombose erholt. Sie erhielt laut Ärzteblatt zusätzlich intravenöse Immunglobuline und Prednison, „um die Immunreaktion zu beenden und die Erholung der Thrombozyten zu beschleunigen“. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

Da ist wieder der Schwachsinn

von Dr. Peter M. Schweikert-Wehner am 06.05.2021 um 16:10 Uhr

xpert:innen betonten in den Diskussionen rund um Vaxzevria und dessen spezielle sehr seltene Nebenwirkungen (Thrombosen kombiniert mit Thrombozytopenie) immer wieder, dass das Risiko durch eine COVID-19-Infektion für (spezielle) Thrombosen deutlich höher sei, als das der Impfung.

Immer der gleiche Quatsch,denn
1. Nicht jeder der ungeimpft ist bekommt Covid 19. Man kann sich sogar dagegen schützen!
2. AstraZenecaImpfstoff wirkt nur zu 70%. Nach der Erstimpfung ist der Schutz sehr gering
3. Es gibt gut verträgliche Alternativen
4. Schon die Zulassung des Astra-Impfstoffes hatte Mängel
5. Der Impfstoff ist sehr schlecht verträglich und Nebenwirkungsreich

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.