Studie des Helmholtz Zentrums München

In der zweiten Corona-Welle deutlich mehr Kinder mit SARS-CoV-2 infiziert

Remagen - 12.04.2021, 17:50 Uhr

Die Ergebnisse der Fr1da-Studie zeigen deutlich, dass sowohl Kinder im Vorschul- als auch im Schulalter für eine SARS-CoV-2-Infektion empfänglich sind. (s / Foto: JackF / stock.adobe.com)

Die Ergebnisse der Fr1da-Studie zeigen deutlich, dass sowohl Kinder im Vorschul- als auch im Schulalter für eine SARS-CoV-2-Infektion empfänglich sind. (s / Foto: JackF / stock.adobe.com)


Während der zweiten Corona-Welle waren in Bayern drei- bis viermal mehr Kinder mit SARS-CoV-2 infiziert, als über PCR-Tests gemeldet worden waren. Das ist das Ergebnis einer Studie des Helmholtz Zentrums München. Außerdem wiesen etwa achtmal mehr Kinder Antikörper gegen das Coronavirus auf als nach der ersten Welle.

Die Häufigkeit von SARS-CoV-2-Infektionen bei Kindern im Vorschul- und Schulalter ist ein wichtiger Maßstab für die Öffnung von Kindergärten und Schulen während der andauernden Pandemie. Das Helmholtz Zentrum München versucht, das Infektionsgeschehen in diesen Altersgruppen mit einer fortlaufenden Untersuchung genauer im Auge zu behalten. Basis dafür ist eine große, bayernweit angelegte Bevölkerungsstudie namens „Fr1da“ zur Früherkennung von präsymptomatischem Typ-1-Diabetes bei Kindern. Bei diesen Tests werden Blutproben entnommen, und so konnte die bestehende Testinfrastruktur von „Fr1da“ schnell und einfach für die neue aufgesattelte Auswertung von SARS-CoV-2-Antikörpern genutzt werden.

Hochspezifischer Test entwickelt

Hierzu entwickelte die Forschungsgruppe eigens einen besonders genauen SARS-CoV-2-Antikörpertest. Dieser meldet ein Ergebnis erst dann als Antikörper-positiv, wenn sowohl gegen die Rezeptor-Bindungsdomäne als auch gegen Nukleokapsid-Proteine des Virus positiv getestet wurde. So können falsch-positive Ergebnisse vermieden werden. Der zweistufige, zweifach-positive Ansatz führt nach Darlegung der Wissenschaftler:innen zu einer Spezifität von 100 Prozent und einer Sensitivität von mehr als 95 Prozent

Ergebnisse des Screenings nach der ersten und zweiten Welle

Schon im letzten Jahr hatten die Helmholtz-Forscher:innen mit dem Test von Januar 2020 bis Juli 2020 knapp 12.000 Blutproben von Teilnehmenden der Fr1da-Studie in Bayern im Alter zwischen 1 und 18 Jahren auf SARS-CoV-2-Antikörper untersucht. Zwischen April und Juli wiesen im Schnitt 0,87 Prozent der Kinder Antikörper auf (zweifach-positiv). Das waren sechsmal mehr als beim Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Ernährung (LGL) über PCR-Tests für diese Altersgruppe als infiziert gemeldet worden waren. Knapp die Hälfte (47 Prozent) der Kinder mit Antikörpern war asymptomatisch.

Im Rahmen der Fortführung der Fr1da-Studie in Bayern haben die Wissenschaftler:innen nun festgestellt, dass sich während der zweiten Welle im Herbst und Winter offenbar noch deutlich mehr Kinder mit SARS-CoV-2 infiziert haben.

So wiesen 5,6 Prozent der Vorschulkinder im Testzeitraum zwischen Oktober 2020 und Februar 2021 Antikörper auf. Unter den Schulkindern, die von November 2020 bis Februar 2021 getestet wurden, waren es sogar 8,4 Prozent. Insgesamt war die Antikörperhäufigkeit am Ende der zweiten Welle, das heißt im Januar und Februar 2021, etwa achtmal höher als am Ende der ersten Welle (April bis Juli 2020). 

Der Abgleich mit den bayerischen PCR-Testdaten ergab, dass die Zahl der Antikörper-positiven Vorschul- und Schulkinder in der zweiten Welle drei- bis viermal so hoch war. Diese Befunde deuten auf eine relativ hohe Dunkelziffer tatsächlich infizierter Kinder und Jugendlicher hin.

Viele Kinder asymptomatisch

„Dass die Häufigkeit der Infektion bei Kindern höher ist, als durch die PCR-basierte Virusüberwachung gemeldet, ist wahrscheinlich zum Teil auf asymptomatische Fälle im Kindesalter zurückzuführen“, meint Markus Hippich, Erstautor der Studie und Wissenschaftler am Helmholtz Zentrum München.

Über 90 Prozent der 446 Kinder, die in der zweiten Welle positiv getestet wurden, hatten Fragebögen zu etwaigen Symptomen ausgefüllt. Danach lag der Anteil antikörperpositiver Kinder ohne Symptome bei den Vorschulkindern bei 68 Prozent und bei den Schulkindern waren es etwas über 51 Prozent.

Antikörper über mehrere Monate nachweisbar

Innerhalb der Studie konnten Kinder mit einem positiven Ergebnis auf SARS-CoV-2-Antikörper eine weitere Probe abgeben, um damit die Entwicklung des Antikörperstatus weiterzuverfolgen. Die Wissenschaftler:innen beobachteten, dass der Antikörper-Titer im Blut innerhalb von durchschnittlich drei Monaten nach der ersten Probe zunahm. Insgesamt blieben 64 von 66 Kindern in der Nachverfolgung positiv für SARS-CoV-2 Antikörper. 

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Die Forschungsgruppe geht davon aus, dass dies den natürlichen Verlauf nach einer Corona-Infektion widerspiegelt. Eine erneute Infektion ziehen sie eher weniger in Betracht.

Kinder eindeutig für SARS-CoV-2-Infektion empfänglich

Den starken Anstieg der SARS-CoV-2-Infektionen während der zweiten Welle führen sie auf eine Kombination verschiedener Faktoren zurück, wie etwa eine allgemein höhere Virusexposition im Herbst und Winter, Schulöffnungen und die neuen infektiöseren Virusvarianten. „Oft wird angenommen, dass Kinder eine geringere Anfälligkeit für eine SARS-CoV-2-Infektion haben als Erwachsene“, erklärt Studienleiterin Anette-Gabriele Ziegler „Die Datenlage dazu ist jedoch spärlich. Die Ergebnisse unserer Studie zeigen deutlich, dass sowohl Kinder im Vorschul- als auch im Schulalter für eine SARS-CoV-2-Infektion empfänglich sind.“ 

Ziegler glaubt deshalb, dass Maßnahmen zur Eindämmung der Virusausbreitung in Kindergärten und Schulen hilfreich sein könnten, um das Infektionsgeschehen in dieser Bevölkerungsgruppe besser in den Griff zu bekommen.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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