ANTIGENTESTS zur EIGENANWENDUNG

Weniger sensitiv – na und?

München - 12.03.2021, 17:50 Uhr

Wie maßgeblich ist die limitierte Testempfindlichkeit überhaupt, wenn es um ein Screening auf Infektionen geht? (Foto: IMAGO / Future Image)

Wie maßgeblich ist die limitierte Testempfindlichkeit überhaupt, wenn es um ein Screening auf Infektionen geht? (Foto: IMAGO / Future Image)


Gurgel- und Spucktests weniger zuverlässig 

Eine noch einfachere Anwendung versprechen Antigentests, deren Probematerial nicht durch Abstrich, sondern aus Spucke, Rachenspülwasser oder Gurgelwasser gewonnen wird. Sie könnten dort eingesetzt werden, wo Abstriche schwierig bis unmöglich sind, in Kindergärten, Schulen oder Pflegeinrichtungen. Die Fachwelt sieht allerdings bei Speichel- und Gurgeltests eine Datenlücke. „Die Sorge ist, dass ein Antigentest aus Speichel, aus Rachenspülwasser oder Gurgelwasser im Gegensatz zu PCR-Tests aus solchen Proben nicht so gut funktioniert. Speichel enthält Proteasen, die das Antigen, das der Test erkennen soll, zerstören können“, sagt Prof. Ciesek. Nach den Erfahrungen von Dr. Denkinger ist bei Gurgel- und Speichelproben von einer 30 Prozent geringeren Empfindlichkeit im direkten Vergleich am Patienten zur Nasen-Probe auszugehen.

Nachgefragt bei PD. Dr. Claudia M. Denkinger, Leiterin der Sektion Klinische Tropenmedizin, Universitätsklinikum Heidelberg

Können Sie uns drei typische Situationen nennen, in denen Laien einen Antigenselbsttest ausführen sollten?

„Beim aktuellen Infektionsgeschehen (>35/100.000) sollten sich Schüler und Lehrer testen, bevor sie in die Schule gehen, mindestens zweimal die Woche, unabhängig von Symptomen. Weiterhin zum Beispiel Arbeitnehmer, die am Morgen Halskratzen verspüren, bevor sie zur Arbeit gehen. Testkandidaten sind auch Personen, die in einer möglichen Cluster-Situation war, bevor sie wieder andere Personen treffen.“

Faktenbox Antigenselbsttests

  • Antigentests erkennen mangels Amplifikationstechnik nur eine (sehr) hohe Viruslast in den oberen Atemwegen. Dies am ehesten, wenn sie kurz vor Auftreten von Symptomen bzw. in der frühen symptomatischen Phase einer Infektion durchgeführt werden.
  • Die Aussagekraft ist geringer, wenn die Tests sporadisch, anlasslos und bei niedriger Infektionsprävalenz eingesetzt werden (Vortestwahrscheinlichkeit sinkt).
  • Ein positives Ergebnis im Antigentest ist nicht als Diagnose zu verstehen, sondern als Verdacht auf das Vorliegen einer Infektion mit SARS-CoV-2. Es soll zur eigenverantwortlichen häuslichen Absonderung führen und muss durch einen PCR-Test bestätigt werden.
  • Ein negatives Ergebnis stellt immer nur eine Momentaufnahme dar und hat eine „Gültigkeit“ von ca. 24  Stunden. Es darf nicht zu falscher Sicherheit und der Vernachlässigung von Schutzmaßnahmen führen.
  • Die Selbsttestung mit Antigentestkits für nasalen Abstrich ist praktikabel, stößt in unselektierten Populationen auf Akzeptanz und ist ausreichend genau.
  • Die Eigenanwendung der Selbsttests bringt hohe Anforderungen an das selbstverantwortliche Handeln der Anwender mit sich. Ihre breite Anwendung durch Laien sollte daher begleitet werden durch Informationskampagnen über die limitierte Sensitivität, die bleibende Notwendigkeit von Hygiene- und Abstandsregeln in der Pandemie und vor allem die Notwendigkeit von Quarantäne und PCR-Testung bei einem Positivtest.
  • In gesellschaftlichem Maßstab könnte häufig wiederholtes (serielles) Testen mit schnellem Ergebnis, in Verbindung mit sofortigen Konsequenzen wie Quarantäne, die Verbreitung des neuartigen Coronavirus deutlich reduzieren, wobei die gegenüber PCR-Tests eingeschränkte Testsensitivität dann von untergeordneter Bedeutung ist.
  • Ein Nadelöhr bei einer zunehmenden Zahl positiv bestätigter Befunde würde die Nachverfolgung durch die Gesundheitsämter darstellen.


Ralf Schlenger, Apotheker. Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Sensitivität, Spezifität Artikel vs. Packungsbeilage

von Stefan Pollmeier am 06.04.2021 um 11:41 Uhr

Wie erklären sich große Abweichungen der Sensitivität und Spezifität des Tests von SD Biosensor zwischen den Angaben im Artikel und in der Packungsbeilage? SD Biosensor BfArM 5640-S-025/21 hat laut Ihrem Bericht eine Sensitivität von 96,5 % und eine Spezifität von 99,7 %, abweichend von der Packungsbeilage, die eine Sensitivität von 83,3 % (95 % CI: 74,7 % - 90,0 %) und Spezifität von 99,1% (95 % CI: 97,7 % - 99,7 %) angibt, Quelle https://assets.cwp.roche.com/f/94122/x/ee4f1e12e0/packungsbeilage_sars-cov-2_rapid_antigen_test_patienten-c-roche.pdf

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Sensitivität

von Manfred Magg am 14.03.2021 um 19:55 Uhr

Leider oft nicht berücksichtigt wird, dass bei den Herstellerangaben zur Sensitivität nur folgendes verglichen wird:
Abstrich Nasal bzw Spuck (Antigen) vs Abstrich Nasal bzw Spuck (PCR). Die Angaben zur Sensitivität beurteilen also nur die Qualität der Testkassette und nicht das ganze Testkonzept. Und da schafft es mittlerweile fast jeder Wald-und Wiesenhersteller Werte über 90 % zu bekommen.
Die echte Sensitivität bekommt man mit folgendem Vergleich:
Abstrich Nasal bzw Spuck (Antigen) vs den Goldstandard Abstrich Nasopharyngeal!!! (PCR)

Leider trauen sich die meisten Hersteller nicht, diese Werte transparent zu veröffentlichen. Warum wohl?

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AW: Sensitivität

von S. Schmidt am 23.03.2021 um 17:16 Uhr

Die Nasenvorderbereich-Selbsttests wurden von der Charité mit Nasopharyngeal-Abstrichen verglichen, das Ergebnis war recht gut:
https://erj.ersjournals.com/content/erj/early/2020/11/26/13993003.03961-2020.full.pdf
https://www.charite.de/en/service/press_reports/artikel/detail/antigen_tests_are_self_collected_nasal_swabs_a_reliable_option/

AW: Sensitivität

von Schlenger am 06.04.2021 um 21:04 Uhr

Es gibt m.W. bisher nur 2 von unabhängigen Gruppen durchgeführte Studien von Antigentests mit Selbst-Nasalabtrich UND Selbst-Auswertung UND Vergleich mit professionellem Nasophyryngealabstrich: eine in Deutschland mit dem der SD-Biosensor/Roche-Antigentest, an der Sars-CoV-2-Testambulanz der Charité, und publiziert wie von S. Schmidt zitiert. Ein zweite Studie wurde in den Niederlanden durchgeführt, mit ähnlich guten Ergebnis:
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.02.21.21252153v1.full.pdf
Verwendet wurde jeweils der SD-Biosensor/Roche-Antigentest, in den Niederlanden zusätzlich der Becton-Dickinson Veritor-Test.

Einspruch!

von Gunnar Müller, Detmold am 14.03.2021 um 9:49 Uhr

Sensitivität und Spezifität sind nicht abhängig von der Gesamtzahl an untersuchten Probanden!

SeNsitivität = Anteil falsch-N-egativer
S-Pezifität = Anteil falsch-P-ositiver

Soll heißen:
Die Sensitivität zeigt also, wie viele Fälle mir falsch-negativ angezeigt werden, in Wahrheit aber positiv sind (!) und mir somit als positiv-Fälle durchrutschen d. h. nicht angezeigt werden.
Anm.: geringe Sensitivität kann also durchaus durch eine Erhöhung der Probenzahlen ausgeglichen werden…

Die Spezifität zeigt, wie viele Fälle der Positiv-Befunde (! also nicht ALLER Untersuchten!) mir falsch-positiv angezeigt werden, in Wahrheit aber negativ sind und damit unnötiger Weise verdächtigt und einem PCR-Test unterzogen werden.
Anm.: Im Sinne einer Aufwands-Minimierung sollte die Spezifität möglichst nahe bei 100 % liegen, damit wirklich nur DIE Fälle als „positiv“ betrachtet werden, die auch wirklich positiv sind.

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