AVNR-Blitzumfrage

Nordrhein: Mehr als 100.000 Grippe-Impfstoffdosen droht der Verfall

Dillingen/Stuttgart - 03.02.2021, 09:15 Uhr

Überzählige Lagerbestände an Grippeimpfstoff, dem der Verfall droht, sind ein bundesweites Problem. (Foto: IMAGO / Cord)

Überzählige Lagerbestände an Grippeimpfstoff, dem der Verfall droht, sind ein bundesweites Problem. (Foto: IMAGO / Cord)


Die aktuelle Blitzumfrage des Apothekerverbands Nordrhein verdeutlicht ein bundesweites Problem: In den Apotheken an Rhein und Ruhr lagern noch insgesamt mehr als 100.000 Grippeimpfdosen im Wert von rund 1,2 Millionen Euro. Derzeit sind dort praktisch noch alle Verpackungseinheiten an Grippeimpfmitteln ausreichend vorrätig. Mit dem Ende der Impfsaison in wenigen Wochen droht allerdings der Verwurf.  

Bereits gestern hatte der Hessische Apothekerverband (HAV) beklagt, dass Apotheken durch die Sicherstellung der Versorgung mit Grippeimpfstoffen ein finanzielles Risiko eingehen. Lieferschwierigkeiten oder eine unerwartet geringe Nachfrage stellen für die Betriebe eine immer wiederkehrende saisonale Herausforderung dar – nicht selten verbunden mit erheblichen finanziellen Verlusten durch den Verwurf der Impfstoffdosen.

Grippeimpfstoffe im Wert von 1,2 Millionen noch auf Lager

Doch nicht nur Offizinen im Bundesland Hessen sind von diesem Ärgernis betroffen. Wie der Apothekerverband Nordrhein (AVNR) in einer Pressemitteilung vom vergangenen Dienstag mitteilte, lagern in 80 Prozent der Apotheken Nordrheins Grippeimpfstoffe der aktuellen Impfsaison im Wert von etwa 1,2 Millionen Euro. Zudem würden noch alle Packungsgrößen wie Einzelimpfstoffe, Großpackungen, die 10 oder 20 Impfdosen enthalten, in ausreichender Menge vorrätig gehalten. Das ist das Ergebnis einer Blitzumfrage zur aktuellen Verfügbarkeit von Grippeimpfstoffen unter den Mitgliedsapotheken des Verbands. Dazu hatten sich Ende Januar innerhalb von drei Tagen rund 300 Apotheken, das sind etwa 15 Prozent der Mitgliedsapotheken des Apothekerverbands Nordrhein, zur Umfrage zurückgemeldet, teilte der AVNR mit.

Problem dürfte bundesweit bestehen

Der Verband geht davon aus, dass die Situation bundesweit nicht anders aussieht. So lagern nach Informationen des AVNR in deutschen Apotheken noch rund eine Million Impfdosen im Wert von mehr als 10 Millionen Euro, die in wenigen Wochen – mit dem Ende der aktuellen Impfsaison – unbrauchbar werden. ­

Thomas Preis, Vorsitzender des AVNR, weist darauf hin, „dass die hohen Lagerreserven in den Apotheken zeigen, dass die Apotheken ihren öffentlichen Versorgungsauftrag sehr ernst nehmen und auf eigene Kosten ausreichend viele Impfstoffe eingekauft haben. Wenn sie jetzt nicht mehr gebraucht werden, bleiben die Apotheken auf den Kosten sitzen.“ Das sei so nicht akzeptabel, stellt Preis klar. In zahlreichen Kommentaren hätten Umfrageteilnehmer ihr Unverständnis darüber kundgetan, dass sie hier in finanzielle Vorleistung treten mussten, um ihrem Versorgungsauftrag nachzukommen. Die Situation sei auch deshalb sehr unbefriedigend, weil die Bundesregierung die Vergütung der Apotheker bei der Impfstoffversorgung extrem niedrig angesetzt habe. 

Impfstoff-Verfall zu Lasten und auf Kosten der Apotheken 

„Nach unserem Eindruck haben die vom Bundesgesundheitsministerium im Herbst angekündigten Reserven viel zu spät, teilweise sogar erst Anfang Dezember die Apotheken erreicht“, verdeutlicht Preis. „Zu diesem Zeitpunkt gab es seitens der Ärzte aber keinen Nachfragebedarf mehr. Dass die Apotheken jetzt auf ihren Kosten sitzen bleiben sollen, nur weil sie aus Versorgungssicht richtig gehandelt haben, ist absolut inakzeptabel“, betont er.



Robert Hoffmann, Redakteur DAZ.online
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

So funktioniert es einfach nicht

von Karl Friedrich Müller am 03.02.2021 um 22:29 Uhr

Es ist JEDES Jahr so. Es bleibt Ware übrig und man legt drauf. Mit Grippe Impfstoffen ist nichts zu verdienen, dafür wird der „Gewinn“ auch noch gedeckelt, weil Kassen und Politik meinen, den Apotheken ginge es zu gut. Das ist mir jetzt zu blöd. Es wird nur das bestellt, was Praxen vorbestellt haben.
Dazu wird es endlich Zeit, den Ärzten zu verbieten, Grippeimpfstoffe selbst den Privat Patienten in Rechnung zu stellen. Der Impfstoff muss zwingend über ein in der Apotheke einzulösendes Privatrezept bezogen werden.

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AW: So funktioniert es einfach nicht

von Karl Friedrich Müller am 03.02.2021 um 23:03 Uhr

Um es mal zu verdeutlichen für den unkundigen Leser, für Experten, Politiker und KK:
Wenn ich 100 Dosen für die Arztpraxis abgebe, bekomme ich 75€. Wenn mir diese 100 Dosen verfallen, kostet das 1280€. Das steht in keinem Verhältnis.

Marktwirtschaft trifft Planwirtschaft trifft Heilberuf

von Christoph Gulde am 03.02.2021 um 17:00 Uhr

Jedes Jahr lässt sich bei dem Versuch der punktgenauen Verteilung des Grippeimpfstoffes erkennen, dass die Quadratur des Kreises unter den gemeinsamen Bedingungen Marktwirtschaft, Planwirtschaft und Heilberuf nicht erreichen lässt. Jedenfalls nicht punktgenau. Entweder, es hat zu wenig oder es bleibt etwas übrig. Die genannte Menge in NRW erscheint dabei auf die Gesamtmenge an Impfstoffen auch auf die BRD hochgerechnet nicht dramatisch. Immerhin wurden in der Planwirtschaft marktwirtschaftliche Elemente unterdrückt und der Impfstoff ist so billig wie irgendmöglich bepreist: Bei den Herstellern wird um die letzten Zehntelcent gefeilscht, der Großhandel erhält eh nicht viel und die Apotheken werden so unterirdisch honoriert mit ihren gedeckelten 75 Euro, dass auch die aber überhaupt kein Verfallrisiko eingehen können. Das bedeutet: Europäisch bekommt Deutschland nicht als bestzahlender Besteller zuerst die Ware, auf den übrigen Stufen müssen die Bestellmengen so angepasst sein, dass auf keinen Fall ein Verlust eintritt. Ohne Risikoprämie kann das kein wirtschaftendes Unternehmn anders machen.
Bleiben Ärzte und Krankenkassen im Spiel: Je höher der Druck auf die Ärzteschaft um so geringer die Bereitschaft ein Risiko einzugehen und etwa zu viel vorzubestellen. Was dann im März nicht bestellt ist, kann im September auch nicht kommen. Und dann passiert es jedes Jahr, dass im Oktober zu wenig und -wenn versucht wurde noch nachzuordern- im Januar der Markt verlaufen ist.
Wenn ich als Gesundheitsministerium möchte, dass möglichst alle gewünschten Risikopatienten geimpft werden, dann muss ich dafür sorgen, dass die Handelsstufen keinen Verlust fürchten und einplanen müssen. Der Verlust, der bei der derzeit möglichst preisgünstigen Organisation der Verteilung anfallen kann muss dann zwingend entweder von der Versichertengemeinschaft oder dem Steuerzahler übernommen werden. Oder alle Handelsstufen müssen eben einen ernsthaften Risikozuschlag erhalten. Dann kann es klappen.
Nebenbei bemerkt:
Gerade kann man ja bei der Art der Bestellung der Covid-19 Impfstoffe in der EU erleben, dass das Feilschen extrem teuer werden kann, wenn die eventuellen Impfstoffmehrkosten und die frühzeitige Verfügbarkeit in eben mehr als ausreichender Menge den gesellschaftlichen Gesamtkosten eines wegen Verknappung nur verzögerten Impfgeschehens gegenübergestellt werden.

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