Interview mit Kordula Schulz-Asche und Janosch Dahmen

„Ich würde mir wünschen, dass die Apotheker sich nicht länger so klein machen“

Berlin - 15.01.2021, 07:00 Uhr

Janosch Dahmen hat in der Bundestagsfraktion die Apothekenthemen von Kordula Schulz-Asche übernommen. (Foto: Stefan Kaminski)

Janosch Dahmen hat in der Bundestagsfraktion die Apothekenthemen von Kordula Schulz-Asche übernommen. 
(Foto: Stefan Kaminski)


Kooperation mit Ärzten und lokale Gesundheitsnetzwerke als Schlüssel

Frau Schulz-Asche, Sie begleiten die Apotheker seit einigen Jahren. Haben Sie den Eindruck, dass diesbezüglich Bewegung reinkommt?

Schulz-Asche: Ja, ich glaube, dass sich aktuell der Blick verändert auf pharmazeutische Kompetenzen, aber auch auf die Bedeutung der Apotheker:innen für die Gesundheitsversorgung allgemein – nicht nur vonseiten der Apothekerschaft, sondern vor allem auch bei den Patient:innen und im ärztlichen Bereich. Es ist an der Zeit, dass Berufe, die so zentral sind für eine gute Patientenbetreuung, auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Dazu zwingt uns auch der demogra­fische Wandel: Immer weniger Fachkräfte müssen immer mehr multimorbide Menschen versorgen. Die Gesundheitsberufe müssen jetzt neue Aufgaben in der Versorgung kranker Menschen, aber auch in der Prävention übernehmen und kooperieren.

Fürchten Sie, dass es in diesem Zuge zu einer gewissen Selektion kommen wird? Nicht alle Apotheken haben optimale Voraus­setzungen beziehungsweise die Ressourcen, den Wandel vollumfänglich mitzugehen.

Schulz-Asche: Ich habe in den vergangenen Jahren deutschlandweit jede Apotheke besucht, die mich eingeladen hat. Was mich dabei ganz besonders beeindruckt hat, war die Vielfalt, die ich kennenlernen durfte. Natürlich haben einige Betriebe derzeit Schwierigkeiten, am Markt zu bestehen. Das hat unterschiedliche Gründe. Ich glaube, ein Schlüssel ist, die Kooperation mit Ärzt:innen zu suchen und eingebunden zu sein in lokale Gesundheitsnetzwerke. Das ist eine Überlebensmöglichkeit für Apotheken, ob sie nun digital gestützt ist oder auf den direkten menschlichen Kontakt aufbaut. Zentral ist, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt, Apotheker und Patient existiert. Wir müssen darauf achten, dass die Menschen in ganz Deutschland auch in Zukunft noch Zugang zu einer Vor-Ort-Apotheke haben. In diesem Zusammenhang muss man auch über mögliche Kooperationen unter den Apotheker:innen sprechen – denn ähnlich wie im ärztlichen Bereich sind viele junge Approbierte heute nicht mehr bereit, das Risiko einer Selbstständigkeit einzugehen und gleich­zeitig sehr viel Zeit in den eigenen Betrieb investieren zu müssen.

Was ist dagegen aus Ihrer Sicht zu tun?

Schulz-Asche: Wir müssen uns über­legen, wie wir es für die Absolvent:innen wieder attraktiv machen, nach dem Studium nicht in die Pharmaindustrie zu gehen, sondern in die Apotheke vor Ort. Dabei spielt auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine Rolle. Neben dem demografischen Wandel muss man auch den gesellschaftlichen im Blick behalten: Es ist gut, dass junge Paare heute vermehrt Wert darauf legen, sich gleichermaßen am Familienleben beteiligen zu können. Besitzt einer von beiden aber eine Apotheke, die sechs Tage in der Woche geöffnet hat und für Notdienste eingeteilt ist, gestaltet sich dies schwierig. Also müssen wir die Angebote den Bedürfnissen anpassen und das kann geschehen, indem man Kooperationen ermöglicht. Die langwierige Diskus­sion um das Rx-Versandverbot hat in den vergangenen Jahren leider völlig davon abgelenkt, Wege zu suchen, wie sich das Modell Apotheke weiterentwickeln kann und muss, um zukunftsfähig zu sein. Das sollten wir jetzt dringend nachholen.

Dahmen: Es gibt Regionen, in denen offensichtlich wird, dass mit den bestehenden Möglichkeiten eine gute Gesundheitsversorgung kaum aufrechterhalten werden kann. Ein Teil der Lösung könnte ein Fondssystem sein, wie wir es bereits vorgeschlagen haben. Ein anderer könnte sein, das Mehrbesitzverbot punktuell und sehr vorsichtig dann zu lockern, wenn man feststellt, dass sich an ­einem Ort einfach niemand findet, der bereit ist, dort eine Apotheke zu betreiben.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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6 Kommentare

Impfzentrum / Mitarbeit

von Dr. Albrecht Emmerich am 15.01.2021 um 20:04 Uhr

Auf der Webseite des Bayerischen Impfzentrums Coburg steht unter "Antwort auf häufige Fragen": Wird noch Personal für das Impfzentrum gesucht? Darauf rief ich beim zuständigen Landratsamt an und fragte, ob man die Hilfe eines Apothekers gebrauchen könnte. Eine sehr unwirsche Dame am Telefon antwortete in äußerst gelangweiltem Ton, dass man niemanden brauche. Da mir diese Dame am Telefon einen absolut inkompetenten Eindruck machte, schrieb ich die dort ebenfalls angegebene
mail-Adresse an. Von dort bekam ich ein freundliches Schreiben, dass für mein Anliegen die Personalverwaltung des Klinikverbunds zuständig sei.
Bei so viel Inkompetenz, Desinteresse und falscher Organisation von Seiten der verantwortlichen Stelle ziehe ich mein Angebot zur Hilfe zurück. Warum z.B. verweist man nicht gleich an die richtige, zuständige Adresse?
Warum läßt man zu, dass aufgrund mangelnder Temperaturkontrolle ein hochsensibles Arzneimittel vernichtet werden muss? Jeder verantwortungsvolle Apotheker stattet bei Lieferung von kühlpflichtigen Arzneimitteln die Kühlbox mit einem Mini-Max-Thermometer aus, wenn es nicht gerade eine Lieferung um die Ecke ist. Von Erschütterungssensoren, die ebenfalls für den sachgerechten Transport erforderlich wären, habe ich nirgends etwas erfahren.
Während man dem Apotheker vor Ort das Leben schwer macht, sehe ich sehr viele Mängel bei der Bewältigung der Krise.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Impfzentrum / Mitarbeit

von Recovering Pharmacist am 17.01.2021 um 11:47 Uhr

So schaut's aus. Ich bin hier nach einigem Hin und Her als Vewaltungs-Hilfskraft angestellt worden, es ging partout nicht als Apotheker, diese Stellen seien "nicht vorgesehen." Bezahlung kann man sich vorstellen....
Vor Ort interessiert es absolut keinen, die Personen in der "Führungs"etage hätten m.E. durchaus auch organisatorische Unterstützung notwendig, aber mehr als anbieten kann ich halt auch nicht.
Wirklich enttäuschend, wie wenig hier geschaut wird, welcher Mitarbeiter welche Erfahrung und Kompetenz mitbringt.

Wünsch Dir was...

von Thomas Eper am 15.01.2021 um 12:26 Uhr

Und ich würde mir wünschen, dass die Politiker sich an den Koalitionsvertrag halten und Rx.VV umsetzen und die seit 17 Jahren überfällige Honoraranpassung nicht vergessen.

Sonst fliegt euch die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung mittelfristig mal um die Ohren!

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Ich kann's nicht mehr hören...

von Dr. Christian Redmann am 15.01.2021 um 10:18 Uhr

... die Politik hat versagt! Die Politik "hätte". Ja, mei: hätte hätte Fahrradkette. Grüße an alle Captain Hindsights.

Liebe Kollegen: sicherlich hat die Politik in der Pandemie nicht alles richtig gemacht. Im Nachhinein hätte man sicherlich früher andere Maßnahmen ergreifen müssen - aber zu diesen Schlüssen kommen wir eben erst im Nachhinein. Die Kristallkugel hatte und hat niemand.

Der Politik ein Generalversagen vorzuwerfen halte ich für ungerechtfertigt - aber man kann darüber auch natürlich diskutieren. Ich sehe, dass Entscheidungen immer den Entwicklungen hinterherhinken - zwangsweise und dass Entschlüsse - zwangsweise - Kompromisse sind, die viele Partialinteressen berücksichtigen müssen (Wirtschaft, Existenzen, Pandemieverbreitung).

Es kann in einem komplexen Sachverhalt, der so massiv in unser aller Leben eingreift und von uns allen viel abverlangt keine einfachen Lösungen geben. Was es geben müsste: Flexibilität in der Anpassung der Maßnahmen - sowohl hinsichtlich Lockerungen als auch Verschärfungen.

Wenn wir als Apothekerschaft etwas beitragen können, dann sollten wir dies tun und wir sollten uns hinsichtlich unserer eigenen politischen Agenden tunlichst von einer "Profilierung per Preis" fernhalten und nicht durch "Aktion"ismus die Position unserer politischen Vertreter bei Honorarverhandlungen schwächen.

Wenn jetzt jeder einfach mal nur machen würde, was gerade aktuell ansteht und daraus das für alle beste Ergebnis anstreben würde, wäre uns innerhalb der Standes und innerhalb der aktuellen Situation schon etwas geholfen.

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da wird mir

von Karl Friedrich Müller am 15.01.2021 um 9:16 Uhr

ganz blümerant. Schon bei der Überschrift. Die von nichts eine Ahnung habende, Apotheken bashende KSA, "Expertin" für Apotheken, äußert sich.
Einfach mal die Gosch halten.
Raus aus der Politik. Solche Selbstdarstellen braucht keiner.
Sie ist ein Gesicht der Apotheken Hasser, auch wenn sie Kreide frisst.

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AW: da wird mir

von Karl Friedrich Müller am 15.01.2021 um 9:28 Uhr

die Politik hat in der Pandemie komplett versagt. Ohne die viele Engagierten im Gesundheitswesen, die sich teilweise aufopfern, wäre alles noch viel schlimmer.
Die Politiker stellen sich hin und halten Reden, Sprechblasen, aufgeblasene Typen, die ihre Karriere und die "Wirtschaft", ihre Amigos im Sinn haben, aber nicht den Bürger.
Die Impferei ist ein Armutszeugenis.
NICHTS funktioniert hier, wenn es in denn Händen des Staats liegt. Aber auch gar nichts.
Krankenhäuser werden immer noch geschlossen, besonderes Kinderkliniken, die besonders "unrentabel" sind.
Politiker sind so was von mies....
Ich hab mal wieder eine richtige WUT

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