Apothekerkammer Niedersachsen

„Das Sozialrecht ist ein guter juristischer Schutzwall“

Stuttgart - 19.11.2020, 10:30 Uhr

Cathrin Burs sieht die gesetzgeberischen Aktivitäten in Richtung Apotheken positiv. (Screenshot: www.broitzemer-apotheke.de)

Cathrin Burs sieht die gesetzgeberischen Aktivitäten in Richtung Apotheken positiv. (Screenshot: www.broitzemer-apotheke.de)


In Niedersachsen ist man dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz gegenüber positiv gestimmt. Kammerpräsidentin Cathrin Burs bezeichnete­­ das Reformvorhaben in der gestrigen Delegiertenversammlung als einen Meilenstein – vor allem im Hinblick auf die Einführung der neuen pharmazeutischen Dienstleistungen. Eine Kröte müsse man allerdings schlucken: Die Arzneimittelpreisbindung würde „rein theoretisch“ nicht mehr für Privatversicherte gelten.

Mehr als ein Jahr ist es her, dass Magdalene Linz ihr Amt als Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen nach fast 20 Jahren an Nachfolgerin Cathrin Burs übergab. Die konstituierende Sitzung der Delegierten am 26. Juni 2019 ging aber nicht nur deshalb in die Historie ein: Linz appellierte in ihrer letzten Ansprache mit Nachdruck an die Kolleg:innen, das in Aussicht stehende Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) positiv zu betrachten.

„Wir brauchen Fortschritt“, konstatierte sie damals, „gerade um dem Trend der immer dramatischeren Apothekenschließungsraten entgegenzuwirken.“ Linz wies darauf hin, dass das Rx-Versandverbot nur eine Lösung auf Zeit gewesen wäre. Langfristig müssten andere Maßnahmen die Gleichpreisigkeit garantieren. Ihre Rede schloss sie damals mit einem Satz ab, der für Aufsehen sorgte – auch weit über die Landesgrenzen hinaus: „Ich würde mir wünschen, wenn aus diesem Gesetzentwurf auch wirklich ein Gesetz wird.“

Heute, fast eineinhalb Jahre später, hat sich die Welt im Angesicht der Corona-Pandemie deutlich verändert – doch das VOASG existiert nach wie vor und ist auf die Zielgerade eingebogen: Am 27. November soll es vom Bundesrat durchgewinkt werden, sodass es im Dezember in weiten Teilen in Kraft treten kann. Inzwischen sind zwar wichtige Regelungen, wie etwa die Modellvorhaben zur Grippeimpfung in Apotheken und das Makelverbot für E-Rezepte, in andere Gesetze gepackt worden. Doch mit dem VOASG will der Gesetzgeber endlich eine Antwort auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Rx-Preisbindung von 2016 geben. Mit dem Boni-Verbot im Sozialrecht wird beabsichtigt, dass sich ausländische Arzneimittelversender an die Gleichpreisigkeit und die Versorgungsverträge halten müssen. Andernfalls drohen Sanktionen.

Faire Wettbewerbsbedingungen – mit einer Kröte 

Für Niedersachsens Kammerpräsidentin Cathrin Burs werden mit dieser Regelung die lang ersehnten fairen Wettbewerbsbedingungen zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versendern wieder hergestellt. Das betonte sie auf der heutigen virtuellen Kammerversammlung mit mehr als 80 Teilnehmern – darunter auch Ehrenpräsidentin Linz. Burs wies gleichzeitig jedoch auch auf eine Kröte hin, die man mit dem VOASG zwangsläufig schlucken müsse: Eine Arzneimittelpreisbindung würde jetzt „rein theoretisch“ nicht mehr für Privatversicherte gelten. Ob sich die Kammerpräsidentin eine konkrete Lösung vorstellen kann, mit der man die Regelungslücke schließt, ließ sie offen. Dafür machte sie immer wieder deutlich, dass sie der Apothekenreform insgesamt äußerst zuversichtlich entgegen sieht. Aus dem Brief von EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hätte man keine europarechtlichen Bedenken herauslesen können. Weder massive Einwände noch ein Veto der EU-Kommission ständen schon jetzt im Raum. Das Rx-Boni-Verbot im Sozialrecht bewertete Burs als einen „guten juristischen Schutzwall“.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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1 Kommentar

Der "Meilenstein" Neue Pharmazeutische Dienstleistungen als Grabstein fürs Packungshonorar

von Armin Heller am 19.11.2020 um 18:57 Uhr

Mit den "neuen Pharmazeutischen Dienstleistung" hat sich die Apothekerschaft in blinder Selbstbeweihräucherung den Strick geknüpft, mit dem die Politik sie in den kommenden Jahren genüsslich strangulieren wird. Die zum Erhalt der Präsenzapotheken dringend erforderliche Erhöhung des seit nunmehr 17 Jahren eingefrorenen Packungshonorars ist damit für alle Zeit verbaut. Wohlfeiles Argument: "Das Packungshonorar bekommen doch auch die Versender, also macht einfach mehr Pharmazeutischen Dienstleistungen." Die will kein Patient haben? Tja dann braucht man euch wohl tatsächlich nicht. Der Holländer sagt jedenfalls, er machts auch im Jahr 2040 noch fürs Packungshonorar der Jahrtausendwende. So what?

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