Bakterien erholen sich schneller als Pilze

Antibiotika stören Mikrobiom nachhaltig

Stuttgart - 13.11.2020, 07:00 Uhr

Wie wirkt sich eine Antibiose eigentlich auf die Pilze unseres Mikrobioms aus? Bakterien können unter physiologischen Bedingungen eine übermäßige Besiedlung des Darms mit Pilzen verhindern. (p / Alex / stock.adobe.com)

Wie wirkt sich eine Antibiose eigentlich auf die Pilze unseres Mikrobioms aus? Bakterien können unter physiologischen Bedingungen eine übermäßige Besiedlung des Darms mit Pilzen verhindern. (p / Alex / stock.adobe.com)


Pilze werden zu Konkurrenten

Theoretisch konkurrierten Bakterien und Pilze um die im Darmlumen verfügbaren Ressourcen, aber sie könnten sich auch gegenseitig unterstützen, so die Forscher. Sie beobachteten, dass die Pilze durch die Antibiose zueinander in Konkurrenz traten, und es gelang nicht allen, sich erneut anzusiedeln. Dadurch nahm die Vielfalt der Pilzarten ab. Diese Veränderungen manifestierten sich über den weiteren Studienverlauf.

Propionsäure hemmt Hefelpilze

Bei der Verarbeitung der Daten fanden die Forschenden einen weiteren Hinweis, wie bedeutend das Wechselspiel zwischen Pilzen und Bakterien ist: So unterdrücken mehrere Stoffwechselprodukte der Bakterien (zum Beispiel die kurzkettigen Fettsäuren Propionsäure und Essigsäure) die krankmachenden Fähigkeiten von Pilzen, wie Candida albicans. In vitro fanden sie, dass unter anderen Propionsäure, Essigsäure und cis-5-Dodecensäure das Wachstum von Candida albicans vollständig hemmten. Zudem konnte die schädigende Wirkung von Candida albicans auf menschliche Zellen (Vaginalzelllinie) in Gegenwart der kurzkettigen Fettsäuren reduziert werden: Bei höheren Konzentrationen, wenn das In-vitro-Pilzwachstum vermindert war, nahm die Schädigung der menschlichen Zellen mit den kurzkettigen Fettsäuren Propionsäure und Essigsäure ab. Essig- oder cis-5-Docensäure beseitigte die Zellschädigung durch C. albicans fast vollständig.

Propionsäure bei multipler Sklerose

Propionsäure ist auch Teil der Forschung in anderen Bereichen – etwa bei multipler Sklerose. Erst im März dieses Jahres veröffentlichten Forscher um Professor Aiden Haghikia der Neurologischen Klinik der Ruhr-Universität Bochum ihre Arbeiten daran im Fachjournal „Cell“: „Propionic Acid Shapes the Multiple Sclerosis Disease Course by an Immunomodulatory Mechanism“. Sie fanden, dass Propionsäure zusätzlich zu MS-Arzneimitteln langfristig die Schubrate und das Risiko einer Behinderungszunahme bei multipler Sklerose verringern kann.

Weitere Studien sollen Ergebnisse bestätigen

Die Wissenschaftler räumen der Studie auch Schwächen ein, mit insgesamt 
14 Probanden bildet die Untersuchung nur ein kleines Kollektiv ab. Zudem wurden auch „nur“ fünf Antibiotika getestet – ob sich die Effekte bei einem größeren Kollektiv an Teilnehmern und für weitere Antibiotika bestätigen, muss gezeigt werden. Zudem richteten die Wissenschaftler in dieser Studie ihren Fokus auf das Wachstum von Candida albicans, was die Komplexität der Darmgemeinschaft nicht vollständig abbildet. Und dann bleibt die Frage: Welche klinischen Auswirkungen ergeben sich konkret durch das antibiotikabedingte „Verschieben“ des Mykobioms? Nehmen Erkrankungen zu – und wenn ja: welche?



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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Zweimal täglich 500 mg Propionsäure

1 Kommentar

Sehr grundlegend

von Thomas Kerlag am 14.11.2020 um 20:23 Uhr

Das finde ich höchst spannend.
Aber Antibiotika sind vorausgesetzt sinnvoll eingesetzt die Feuerwehr.
Da kann man sich nicht nach der Löschung
eines Brandes über den Wasserschaden beschweren. Da gibt es viel dekadente Diskussion
dazu. Und hält oft von nötiger Therapie ab.
Trotzdem interessant, wie man schützen, regenerieren, reparieren oder optimieren könnte.

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