Rechtsgrundlage von CBD-Produkten

Der fragwürdige Status des Cannabidiol

Berlin - 05.10.2020, 10:30 Uhr

Cannabidiol-haltige Öle und Extrakte erfreuen sich großer Beliebtheit. Wird die Europäische Kommission das Phytocannabinoid als Betäubungsmittel einstufen? (c / Foto: lovelyday12 / stock.adobe.com)

Cannabidiol-haltige Öle und Extrakte erfreuen sich großer Beliebtheit. Wird die Europäische Kommission das Phytocannabinoid als Betäubungsmittel einstufen? (c / Foto: lovelyday12 / stock.adobe.com)


Der Handel mit Cannabidiol (CBD)-haltigen Ölen und Extrakten boomt, doch seine juristische Basis ist seit Jahren ungewiss. Nun prüft die Europäische Union, ob CBD als Betäubungsmittel eingestuft werden sollte. Die Hersteller der Branche fürchten mit dieser Entscheidung das Aus für ihren Markt. In einer aktuellen Kleinen Anfrage richtete sich der Bundestagsabgeordnete Dr. Wieland Schinnenburg für die FDP-Fraktion an die Bundesregierung, wie sie sich zum Vorhaben der EU positioniert.

Für das nicht-psychoaktive Phytocannabinoid Cannabidiol (CBD) sind angstlösende, antiemetische, analgetische, schlaffördernde und spasmolytische Wirkungen beschrieben worden. Die oftmals als Lebensmittel deklarierten CBD-haltigen Produkte erfreuen sich großer Popularität, sodass sie auch in öffentlichen Apotheken oft erfragt werden. 

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Lebens- oder Betäubungsmittel?

Aktuell werden Cannabinoide im Novel Food-Katalog der EU gelistet und gelten somit als zulassungspflichtige Lebensmittel. In Deutschland werden vermarktete CBD-haltige Öle und Extrakte als Lebensmittel, vereinzelt auch als Medizinprodukte deklariert. Vergleichbare, als Arzneimittel zugelassene Produkte stehen derzeit nicht zur Verfügung.

Für genauere Gewissheit, ob Produkte verkehrsfähig sind, verweist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit an die zuständigen Landesoberbehörden. Diese gehen hierzulande uneinheitlich vor: Während die Lebensmittel in einigen Teilen Deutschlands geduldet werden, verbot beispielsweise die Stadt Köln den Verkauf der Lebensmittel in einer Allgemeinverfügung. Die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg wies Apotheker darauf hin, dass auch mit Pharmazentralnummern gelistete CBD-Präparate nicht verkehrsfähig seien.

Pharmazie des CBD

Beim nicht-psychoaktiven Cannabidiol steht anders als beim Tetrahydrocannabinol (THC) nicht die Aktivierung der Cannabinoid-Rezeptoren CB­1 und CB2 im Vordergrund. Da CBD die Wirkung von Cannabinoid-Rezeptoragonisten teilweise antagonisiert, wird eine allosterische Bindung an die entsprechenden Rezeptoren diskutiert. Darüber hinaus hemmt Cannabidiol die Wiederaufnahme des endogenen Cannabinoidrezeptor-Liganden Anandamid aus dem synaptischen Spalt. Seine antiemetischen, spasmolytischen, anxiolytischen und antipsychotischen Wirkungen werden außerdem über die Interaktion mit verschiedenen Serotonin-, TRPM8-, TRBV1- und PPAR-Rezeptoren erklärt. Als Fertigarzneimittel ist es in Epidyolex® aktuell nur beim Dravet- und Lennox-Gastaut-Syndrom in Dosierungen zwischen 2,5 und 20 mg/kg/Tag zugelassen, zwei schweren Formen der Epilepsie. Außerdem ist es als Kombinationsarzneimittel mit Tetrahydrocannabidiol bei schweren und mittelschweren Spastiken im Rahmen einer multiplen Sklerose indiziert.

Cannabidiol zeigte in einer im April 2020 im Journal „Neuropsychopharmacology“ veröffentlichen Meta-Analyse eine allgemein gute Verträglichkeit und ein geringes Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen. Weil CBD ein potenter Inhibitor der hepatischen Isoenzyme CYP3A4 und CYP2C19 ist, wurden in der Studie vereinzelt schwere Interaktionen mit der Begleitmedikation, die viele Epileptiker erhalten, festgestellt.

Foto: makaule / stock.adobe.com

Eine klare Ansage der EU-Kommission könnte die unsichere Rechtsgrundlage in Kürze erübrigen. Im August 2020 äußerte sich der Sprecher der EU-Kommission Reinhard Hönighaus gegenüber dem Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V.: „Nach vorläufiger Ansicht der Kommission sollte CBD, das aus den blühenden und fruchtbaren Spitzen der Hanfpflanze (Cannabis sativa L.) gewonnen wird, als Betäubungsmittel betrachtet werden, das unter das Einheitliche Übereinkommen der Vereinten Nationen über Suchtstoffe von 1961 fällt.“ Über die Entscheidung, Cannabidiol als Betäubungsmittel einzuordnen, soll im Dezember 2020 abgestimmt werden.

Cannabidiol als Arzneimittel

Wenn CBD von der Europäischen Kommission als Betäubungsmittel eingestuft werden sollte, wäre es in Anlage 3 des Betäubungsmittelgesetzes aufzunehmen. Zugelassen werden könnten entsprechende CBD-Produkte nunmehr ausschließlich in Form von ausgenommenen Zubereitungen als verschreibungspflichtige oder apothekenpflichtige Arzneimittel.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sprach sich in einem im Januar 2020 veröffentlichten Dokument gegen die Einstufung von CBD als Betäubungsmittel ein. „Cannabidiol zeigt kein Missbrauchs- oder Abhängigkeitspotenzial und alle schädlichen Effekte sind geringfügig. […] Cannabidiol hat zwar zentrale Wirkungen, doch wie viele andere auf diese Art wirksame Stoffe hat es keinen signifikanten Effekt auf den geistigen Zustand. Aufgrund dieser Tatsache und dem medizinischen Potenzial erachtet die Kommission, dass CBD nicht unter das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Suchtstoffe von 1961 fallen sollte.“ Die WHO befürworte eine generelle Freigabe von CBD-Produkten unter 0,02% Tetrahydrocannabinol.

Auch der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA) kritisierte in einer Stellungname vom 26. August 2020 die vorläufige Ansicht der EU-Kommission. Demnach wiese Cannabidiol nicht die Bedingungen auf, um als Betäubungsmittel eingestuft zu werden. Der Verband verwies zudem auf die aktuell dünne Studienlage und das Potenzial von CBD und befürwortete die Einführung der Rezeptpflicht für CBD aus.

Hersteller befürchten Untergang

Der Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V. (BvCW) fürchtet in einer Neubewertung von CBD als Betäubungsmittel erhebliche wettbewerbliche Nachteile für den wachsenden Cannabismarkt und die Gefahr eines neu entstehenden Schwarzmarktes. Durch die Zulassungspflicht von neuartigen Lebensmitteln sieht der BvCW die Sicherheit und Qualität der Produkte gewährleistet.

Aufgrund dieser Befürchtungen richtete sich der Bundestagsabgeordnete Dr. Wieland Schinnenburg (FDP) am 16. September 2020 im Namen seiner Fraktion in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung. Darin fragt der Abgeordnete die Regierung, wie sich diese zu den Erwägungen der Europäischen Kommission positioniere und mit welchen Auswirkungen sie auf den deutschen Markt rechne.

Nun hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Hans-Joachim Fuchtel, im Namen der Bundesregierung geantwortet. Die Regierung teilt demnach die vorläufige Position der EU, nach deren Einschätzung die Bezeichnung „Lebensmittel“ für Extrakte oder Tinkturen, die aus den Blüten oder Fruchtständen der Cannabispflanze (Cannabis Sativa L.) gewonnen werden, ausgeschlossen sei. Demgegenüber falle synthetisch hergestelltes Cannabidiol nicht unter das Übereinkommen der Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen von 1961. Für die Regierung seien die als Lebensmittel zugelassenen CBD-Produkte in keiner Fallgestaltung verkehrsfähig. Die Zulassung einiger Produkte als neuartige Lebensmittel sei gescheitert, da die Firmen nicht genügend Daten zur Unbedenklichkeit vorlegen konnten. Dass für deutsche Unternehmen nach der Einstufung des CBD als Betäubungsmittel wettbewerbliche Nachteile hätten, dementiert die Bundesregierung, indem sie auf harmonisierte Bedingungen im europäischen Arzneimittel- und Lebensmittelrecht verweist. Den FDP-Politiker interessierte zudem, wie sich die Entscheidung auf EU-Ebene auf die Nutzhanfproduktion in Deutschland auswirken würde. Doch dazu heißt es, der Regierung lägen hierzu keine belastbaren Hinweise vor.

In einem Statement appelliert der FDP-Politiker anschließend an die Politik, die Gefahrensituation für Unternehmer zu beseitigen: „Die Hersteller sind hier weitestgehend auf sich allein angewiesen. Bei einem Verstoß gegen arzneimittelrechtliche oder betäubungsmittelrechtliche Vorschriften drohen empfindliche Strafen. Ich rufe die Bundesregierung deshalb auf, für Verbraucher und Hersteller Rechtssicherheit zu schaffen und den Marktzugang für CBD-Produkte transparent und einheitlich zu regeln.“



Marius Penzel, Apotheker
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Cannabis eu

von Abdula am 08.10.2020 um 10:41 Uhr

Ich finde das Cannabis legalisiert Wirt
Es Gibst viele da drauße die das brauchen
Cannabis ist kein Verbrechen

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

An der Legalisierung vorbei diskutiert

von Krankgemacht am 07.10.2020 um 21:56 Uhr

CBD kann erwiesener Weise bei längerer Anwendung dazu beitragen, das Suchtgedächtnis zu löschen. Sicherlich, es würde nicht der synthetisch hergestellte Reinstoff, sondern der Vollauszug als Betäubungsmittel klassifiziert werden. Aber das beweist, dass es um Kontrolle geht. Jeder könnte diese Pflanzen anbauen, soll es aber nicht dürfen. Nur große Konzerne haben die Möglichkeit, synthetisches CBD herzustellen und die nötigen Zulassungen und Kontrollen zu bestehen. Alle anderen sind draußen. Das ist das Dilemma, dass wir hier gerade darüber diskutieren, ob CBD ein Betäubungsmittel ist, welches damit zu verbieten wäre. Wir diskutieren aber nicht darüber, dass wir als Menschen für uns im Privaten Freiheitsrechte wünschen und auch einfordern und damit das Cannabisverbot als Gesamtes ablehnen. Wir diskutieren also nicht, wie wir legalisieren, sondern, wie wir zeitgemäßer verbieten beziehungsweise den einfachen Bürger entmündigen, um ihn zu kontrollieren. Also: Weswegen wollen wir Cannabis legalisieren? https://hanftube.de/wofuer-fordern-wir-die-cannabis-legalisierung/

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