STIKO bleibt bei bestehender Empfehlung

Keine standardmäßige Grippeimpfung für die gesamte Bevölkerung

Stuttgart - 07.08.2020, 10:30 Uhr

Die STIKO bleibt bei ihrer Empfehlung: Nur wer zu einer Risikogruppe zählt, sollen sich gegen Grippe impfen lassen. (x / Foto: Visual Generation / stock.adobe.com)

Die STIKO bleibt bei ihrer Empfehlung: Nur wer zu einer Risikogruppe zählt, sollen sich gegen Grippe impfen lassen. (x / Foto: Visual Generation / stock.adobe.com)


Trotz grassierender COVID-19-Pandemie will die Ständige Impfkommission keine Empfehlung zum Grippeschutz für alle Menschen in der Bevölkerung aussprechen. Den besten Effekt erzielt man laut STIKO durch Erhöhung der Impfquote bei Risikopatienten. Eine Impfempfehlung für die gesamte Bevölkerung hält die STIKO für „kontraproduktiv“. Ohnehin würden die für die Influenzasaison 2020/21 geplanten Impfstoffdosen nicht für alle reichen.

Derzeit empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) die saisonale Influenzaimpfung für Senioren ab einem Alter von 60 Jahren, Menschen mit chronischen Grunderkrankungen, Schwangeren (ab dem zweiten Trimenon), Bewohner in Alten- und Pflegeeinrichtungen sowie medizinisches Personal und beruflich besonders Exponierte. Sie alle hätten ein erhöhtes Risiko für schwere Influenza-Verläufe und Hospitalisierungen, begründet die STIKO ihre Empfehlung. Bei dieser risikobasierten Empfehlung bleibt die STIKO vorerst, trotz Corona-Pandemie.

Bester Schutz durch konsequente Impfung der Risikogruppen

So werde zwar von verschiedenen Seiten an die STIKO herangetragen, „dass die Indikation für eine Influenzaimpfung auf die gesamte Bevölkerung ausgeweitet werden sollte“, schreibt die STIKO im aktuellen Epidemiologischen Bulletin 32/33 2020, da die COVID-19-Pandemie zusammen mit einer starken Influenzawelle das Gesundheitssystem vor besondere Herausforderungen stellen könnte. Bereits im März hatte die STIKO in ihrer 95. Sitzung über möglicherweise notwendig werdende Anpassungen diskutiert. Zudem wurde die Influenzaimpfung für Kinder als prioritäres Thema belegt.

Die Risikogruppen für schwere COVID-19-Erkrankungen und schwere Influenza-Verläufe zeigen „sehr deutliche Parallelen“, so die STIKO. Deswegen müsse für die kommende Influenzasaison 2020/21 eine hohe Influenza-Impfquote in den Risikogruppen erreicht werden. Dass hier noch Luft nach oben ist, belegt die STIKO mit den Impfquoten früherer Saisons: „Die geringen Impfquoten in der Saison 2018/19 in den Risikogruppen (ca. 35 Prozent bei Personen im Alter von ≥ 60 Jahren und nur ca. 20–50 Prozent bei Personen mit chronischen Grundleiden) verdeutlichen die hier dringend erforderliche Verbesserung“, schreibt die STIKO.

Grippeimpfstoffe würden nicht für alle reichen

Zudem bringt die STIKO ein ganz einfaches Problem mit ins Spiel: Es würden für die kommende Saison 2020/21 in Deutschland etwa 25 Millionen Dosen Influenzaimpfstoff verfügbar sein, inklusive der vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) beschafften nationalen Reserve. Obwohl dies deutlich mehr Impfstoffdosen seien als in den vergangenen Jahren, würden diese aber nicht für die Impfung der gesamten Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland ausreichen. Zum Vergleich: In der Grippesaison 2018/19 gab das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) insgesamt 15,7 Millionen Impfdosen frei, 2019/20 waren es 21,2 Millionen Dosen. Und: Laut Destatis liegt der aktuelle Bevölkerungsstand der Bundesrepublik bei 83,2 Millionen.

Würden sich allein alle Risikogruppen in der kommenden Grippesaison vor Influenza schützen und man dort Impfquoten von 100 Prozent erreichen, würden dafür 40 Millionen Grippeimpfstoffdosen benötigt. Eine Ausweitung der Impfempfehlung auf die breite Bevölkerung ist nach Einschätzung der STIKO dann „sogar kontraproduktiv“. Denn: „Durch eine Ausweitung der Impfempfehlung auf die gesamte Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland könnte es zu einer Unterversorgung der Risikogruppen kommen, die besonders von der Impfung profitieren würden und durch deren Impfschutz man das Gesundheitssystem besonders entlasten möchte“, liest man im Epidemiologischen Bulletin.

Nicht-Risikogruppen: Kontaktbeschränkungen einhalten

Während die Impfung von Risikogruppen – wie Älteren und medizinischem Personal – „epidemiologisch bedeutsam sind, weil es durch sie zu nosokomialen Übertragungen in Krankenhäusern, Pflege- und Senioreneinrichtungen kommen könnte“, schätzt die STIKO, dass die Schutzeffekte für die Gemeinschaft durch Impfung von Nicht-Risikogruppen durch die kontaktreduzierenden Maßnahmen im Rahmen von COVID-19 „nur von begrenzter Wirkung“ sein werden. Dass allein Kontaktbeschränkungen effektiv sind, um Infektionsübertragungen zu reduzieren, zeigen der STIKO zufolge die Grippezahlen vom März 2020, als die „Influenzameldungen mit Beginn der Kontaktbeschränkung im Vergleich zu den Vorjahren sehr deutlich und abrupt sanken.“

Co-Infektion von SARS-CoV-2 und Influenza

Auch das Thema der Co-Infektionen handelt die STIKO ab. So seien Co-Infektionen mit SARS-CoV-2 und Influenzaviren in der Literatur zwar beschrieben, bislang deuteten diese aber „nicht auf schwerere Verlaufsformen für COVID-19 in Nicht-Risikogruppen hin“. Eine generelle Impfempfehlung sei auch bezüglich dieses Impfziels nicht evidenzbasiert begründet, folgert die Ständige Impfkommission.

Wichtig ist: Auch wenn die STIKO keine Standardimpfempfehlung für die breite Bevölkerung ausspricht, können sich dennoch Personen, die nicht explizit von der STIKO genannt sind, gegen Influenza impfen lassen. Das erfolge sodann auf Basis individueller Erwägungen mit dem behandelnden Arzt.

Auch sieht die STIKO keinen Anlass, in diesem Jahr besonders früh mit der Grippeimpfung zu starten. Als optimalen Zeitpunkt nennt das Robert Koch-Institut die Monate Oktober und November. Bis die vollständige Impfwirkung zum Tragen kommt, dauert es zwei Wochen. Die Grippewelle startet in Deutschland meist um den Jahreswechsel. Da die Impfeffektivität mit der Zeit abnimmt, besteht bei zu früher Impfung die Gefahr, zum Hochpunkt der Grippewelle schlechter geschützt zu sein. Verpasst man den „optimalen“ Impfzeitpunkt, ist das nach Einschätzung des RKI besser, als komplett auf den Grippeschutz zu verzichten: „Selbst zu Beginn und im Verlauf der Grippe­welle kann es noch sinnvoll sein, eine versäumte Impfung nach­zu­holen. Schließlich ist nie genau vorher­zu­sagen, wie lange eine Influenza­welle andauern wird. In einigen Saisons wurde zum Beispiel nach einer Influenza-A-Welle noch eine nachfolgende Influenza B-Welle beobachtet“, erklärte eine RKI-Sprecherin in einem früheren Gespräch mit DAZ.online.

Die STIKO kommt abschließend zu dem Fazit:

  • „Zum Schutz der Menschen und zur Entlastung des Gesundheitssystems in der kommenden Influenzasaison 2020/21 (ist) mit den verfügbaren Impfstoffmengen der größte Effekt erzielbar, wenn die Influenzaimpfquoten entsprechend der STIKO-Empfehlungen vor allem in den Risikogruppen erheblich gesteigert werden.“
  • „Die uns bekannten Informationen zu den voraussichtlich verfügbaren Influenzaimpfstoffmengen können die Versorgung der wichtigsten Zielgruppen gewährleisten, nicht jedoch der gesamten Bevölkerung.“
  • „Mit den zugelassenen Influenzaimpfstoffen können auch Personen außerhalb der STIKO-Empfehlungen geimpft werden, jedoch sollte weiterhin der Fokus klar auf Risikogruppen für schwere Krankheitsverläufe liegen.“


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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