Auch ohne CE-Kennzeichen verkehrsfähig?

Masken, Masken und … immer noch Masken

Stuttgart - 22.07.2020, 17:50 Uhr

(Foto. catalyseur7 / stock.adobe.com)

(Foto. catalyseur7 / stock.adobe.com)


Erst waren sie knapp, dann wurde ob ihrer Schutzfunktion und Wiederverwertbarkeit gerätselt, nun treiben die Regularien bei Abgabe der OP- und Filtering-Facepiece-Masken – (unhygienisch) ausgeeinzelt, ohne Anleitung und nicht zertifiziert – SWR Marktcheck um. Apotheken, Versandapotheken und Drogerien wurden geprüft. Bemängelt wurde auch, dass CE-Kennzeichen fehlen, doch sind die Masken deswegen wirklich nicht verkehrsfähig? Denn die Coronapandemie schafft vor allem eines – Ausnahmen. 

Laut SWR Marktcheck ist bei der Abgabe von Masken in Apotheken und Drogerien „sehr viel Luft nach oben“. Das erklärte Barbara Hirl, SWR-Redakteurin, erst letzte Woche im Gespräch mit DAZ.online. Anlass für den Austausch der Redaktionen ist ein Beitrag des SWR in der Rubrik „Marktcheck“, dem „Wirtschafts- und Verbrauchermagazin für den Südwesten“, so das Selbstverständnis des SWR. Ausgestrahlt wurde er am 21. Juli 2020. Es ging um Masken – vor allem FFP2-Masken –, deren Abgabe und das Inverkehrbringen.

Mehr zum Thema

Vorab berichtete DAZ.online über Testkäufe in Apotheken und Drogerien. Moniert seitens der SWR-Redaktion wurden vor allem zwei große Punkte: Das Auseinzeln und die Abgabe von FFP2-Masken ohne jegliche hygienische Maßnahmen und die Abgabe ohne Produktanleitung.

Viele gefälschte Zertifikate

Probleme sah der SWR auch beim Zertifikat der Masken, so würden Masken ohne Zertifikat in Verkehr gebracht, was nicht zulässig sei. „Um in Deutschland eine Maske verkaufen zu können, braucht jeder Hersteller eine Zertifizierung, die bescheinigt, dass die Maske sicher ist“, so der SWR. Unterstützung holte sich die Redaktion bei der DEKRA. Der Geschäftsführer der DEKRA Testing and Certification GmbH, Jörg-Timm Kilisch, berichtet, man habe tausende von Herstellern getestet, es seien 150 positive Bewertungen dabei gewesen, also Hersteller, deren Masken die Überprüfung bestanden hätten. Jedoch seien aber 700 Zertifikate auf dem Markt, die zum Großteil wohl gefälscht waren. Amanda Kreuzmann, Qualitätsmanagerin bei Mensch, kritisiert zudem, dass manche Masken keine CE-Kennzeichnung hätten.

In der Tat ist es jedoch mit den Zertifiakten und der CE-Kennzeichnung so eine Sache. Und die Frage, welche Masken verkehrsfähig sind, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg erklärt für seine Mitglieder im „Themenspecial zu Corona-Pandemie“ zum Thema „Welche Masken sind in Baden-Württemberg verkehrsfähig?“ sodann: „Aufgrund zahlreicher Sondervorschriften ist diese Fragen nur schwer zu beantworten. Einen guten Überblick gibt hier das aktuelle Informationsschreiben des Regierungspräsidiums Tübingen als zuständige Marktüberwachungsbehörde in Baden-Württemberg.“ Das hat sich DAZ.online einmal genauer angeschaut.

Zertifikate aus Australien, Japan, Kanada und USA

Das Regierungspräsidium erklärt zu FFP-Masken: „Filtering Facepiece, abgekürzt FFP, wie z. B. FFP2 oder FFP3-Masken (nur diese schützen den Träger vor Coronaviren), unterliegen der EU-Verordnung für persönliche Schutzausrüstung (Verordnung EU 2016/425) und müssen die entsprechenden EU-Anforderungen erfüllen und die hierfür geforderten Nachweise mit sich führen. Dies gilt auch für die derzeitige Corona-Krise.“

Hier unterscheidet das Regierungspräsidium drei Fälle.

  1. EU-konforme Masken mit CE
  2. PSA-Masken für den US-amerikanischen, kanadischen, japanischen oder australischen Markt
  3. PSA-Masken ohne EU-Konformität und ohne Nachweise für die oben genannten Märkte

Als „EU-konforme Masken mit CE“ führen Atemschutzmasken ein CE-Zeichen, das auf dem Produkt aufgetragen sein muss. Daneben wird ein 4-stellige Prüfstellennummer gefordert. Das RP weist darauf hin, dass „auch in der mitgesandten Konformitätserklärung (ggf. auch per Link im Internet abrufbar)… sich eine 4-stellige Prüfstellennummer wiederfinden“ muss, die die benannte Prüfstelle, repräsentiert. Aus der Konformitätserklärung müsse zudem erkennbar sein, dass diese sich auf das entsprechende Produkt und den Hersteller bezieht (Modellnummer und Hersteller auf Produkt und Zertifikat). Apotheker könnten selbst auf der Website der European Commission prüfen, ob die angegebene Prüfstelle überhaupt zertifiziert ist. „Sollte der Hersteller der Produkte nicht in der Lage sein, Ihnen eine gültige Konformitätserklärung zukommen zu lassen, ist ein berechtigter Zweifel angebracht, dass das Produkt nicht den oben genannten europäischen Anforderungen entspricht“, warnte das Regierungspräsidium bereits im letzten Monat.

Die Ausnahmen durch die Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung 

Jetzt wird es etwas komplexer – denn „entsprechend der Verordnung zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Produkten des medizinischen Bedarfs bei der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Epidemie (Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung – MedBVSV) können während der Dauer der Coronapandemie befristet auch PSA ohne diese europäischen CE-Nachweise eingeführt und bereitgestellt werden“, informiert das Präsidium weiter. Jedoch nur, wenn bestimmte Voraussetzungen – siehe unter Punkt 2 und 3 – erfüllt sind

Auch ohne CE-Kennzeichen

PSA-Masken, die nachweislich im US-amerikanischen, Kanadischen, Japanischen oder Australischen Markt verkehrsfähig sind, können derzeit als PSA-Ausrüstung zum Schutz vor Corona-Viren auch in Baden-Württemberg eingeführt werden“. Doch müssten diese Nachweise auf Verlangen der Marktüberwachungsbehörde vorgelegt werden, und es müsste erkennbar sein, dass sich dieser ausländische Nachweis auf das konkrete Produkt und den konkreten Hersteller bezieht – anhand von Modellnummer und Hersteller auf Produkt und Zertifikat. Prüfberichte und Zertifikate von Prüfstellen seien dann belastbar, sofern die Prüfstellen eine entsprechende Akkreditierung für Atemschutzmasken aufweisen könnten. Informationen darüber liefern laut Präsidium staatliche Internetplattformen, worüber die entsprechenden Akkreditierungen oder sogar die Produktzulassungen überprüft werden könnten. Als Beispiel sei die Datenbank des US-amerikanischen Center for Disease Control and Prevention (CDC) genannt.

Bis vor kurzem fiel zusätzlich noch China in die Liste der anerkannten Zertifikate, erfährt DAZ.online vom LAV. Das habe sich jedoch zum 1. Juni 2020 geändert, sodass nur noch vier Länder anerkannt würden.

Minimale Anforderung, temporär gültig und „nicht gleichwertig“

Dann gibt es noch den dritten Fall der „PSA-Masken ohne EU-Konformität und ohne Nachweise für die oben genannten Märkte“. Hier besteht die Möglichkeit, dass für die Dauer der Coronapandemie „Schnellprüfungen der PSA-Masken durch deutsche Prüfstellen, die jedoch nur temporär gültig und mit Einschränkungen des Marktzugangs verbunden sind“, durchgeführt werden. Das Regierungspräsidium verweist an dieser Stelle auf die „Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik –ZLS“, wo auch die prüfungsgrundsätze beschrieben seien. 

„Diese Prüfgrundsätze beschreiben die minimalen Anforderungen und Prüfverfahren für Corona SARS-CoV-2- Pandemie-Atemschutzmasken (CPA)“, so das RP. Diese CPA seien „keine persönliche Schutzausrüstung gemäß PSA Verordnung (EU) 2016/425 (…) und nicht als gleichwertig mit Atemschutzmasken anzusehen, die eine Prüfung nach EN 149:2001+A1:2009 bestehen und auf Basis der PSA VO (EU) 2016/425 zugelassen werden“. Und weiter richtet sich das RP an die Apotheker: „Sie als Einführer haben die Produktsicherheitseigenschaften rechtlich zu verantworten, wenn der Hersteller nicht in der EU ansässig ist.“ Da die Produkte erst bei der Einfuhr auf Nachfrage des Zolls von der Behörde geprüft würden, blieben Aussagen der Marktüberwachung Baden-Württemberg zur Verkehrsfähigkeit vor der Einfuhr ohne rechtliche Bindung.

Grund zur Sorge oder nicht?

Somit bleibt das Problem der gefälschten Zertifikate beziehungsweise im Fall von China der nun nicht mehr anerkannten Zertifikate. Allerdings ist ein fehlendes CE-Zeichen nicht automatisch ein Grund, von einer nicht verkehrsfähigen Maske auszugehen. Sie könnte aus Australien, Japan, Kanada oder den USA sein oder eben im Schnellverfahren geprüft.

Sonderregelung endet

Das BfArM informiert zudem, dass es „auf Basis der ihm vorliegenden Erkenntnislage insbesondere aus Informationen des Bundes und der Länder festgestellt“ habe, dass es für medizinische Gesichtsmasken sowie partikelfiltrierende Halbmasken zum medizinischen Zweck des Infektionsschutzes in der aktuellen SARS-CoV-2 Pandemiesituation aktuell keinen Versorgungsengpass mehr gibt, der eine Sonderzulassung im Interesse der öffentlichen Gesundheit oder der Patientensicherheit oder -gesundheit rechtfertigen oder gar notwendig machen würde. Diese aktualisierte Bewertung der will das BfArM für die Antragsbewertung von ab dem 01. Juli 2020 eingehenden Anträgen auf Sonderzulassung nach § 7 Abs. 1 Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) und Art. 59 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/745 zugrunde legen. Zudem würden etwaige Sonderzulassungen zu entsprechenden Medizinprodukten auf Basis bereits vorliegender bzw. ggfs. bis zum 30. Juni 2020 eingegangener Anträge i.d.R. längstens bis zum 31. August 2020 befristet, so das BfArM.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.