Mögliche Pathomechanismen

Zoster-artige Hautläsionen nach Impfung – ein kausaler Zusammenhang?

Stuttgart - 30.06.2020, 11:45 Uhr

Könnte hinter zoster-artigen Hautläsionen kausal der Impfstoff stecken, der vor ihnen schützen soll? (Foto: imago images / ZUMA Press)

Könnte hinter zoster-artigen Hautläsionen kausal der Impfstoff stecken, der vor ihnen schützen soll? (Foto: imago images / ZUMA Press)


Der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) wurden Fälle über zoster-artige Hautläsionen berichtet, die in engem zeitlichen Zusammenhang nach einer Impfung mit Shingrix aufgetreten sind. DAZ.online hat darüber berichtet. Doch besteht ein kausaler Zusammenhang? Ausgehend von zwei Fallbeispielen wird im Deutschen Ärzteblatt vom 26. Juni diese Frage aktuell diskutiert.

Schon seit Anfang 2019 werden der AkdÄ Fälle über Herpes zoster beziehungsweise zosterartige, teilweise bläschenförmige Hautläsionen berichtet, die in engem zeitlichen Zusammenhang nach einer Impfung mit Shingrix® aufgetreten sind. Seit April 2020 ruft das Paul-Ehrlich-Institut außerdem zur Teilnahme an einer Studie auf – zu Verdachtsfällen von Gürtelrose sowie schweren Hautreaktionen nach Impfung mit dem Herpes-zoster-Impfstoff Shingrix®. Es soll herausgefunden werden, ob zwischen der Impfung und den beobachteten Reaktionen ein kausaler Zusammenhang besteht.

Die Möglichkeit eines solchen Zusammenhangs wird aktuell im Deutschen Ärzteblatt (Jg. 117, Heft 26, 26.06.2020) durch die AkdÄ diskutiert – ausgehend von zwei Fallbeispielen. Welche Pathomechanismen wären denkbar? Dabei wird betont, dass Ärzte, die solche Fälle beobachten, um die Mitwirkung an der Studie des Paul-Ehrlich-Instituts gebeten werden.

Die Assoziation der Shingrix®-Impfung mit dem zeitnahen Auftreten eines Herpes zoster (HZ) beschreibt die AkdÄ als überraschend, da es sich um eine rekombinante Untereinheiten-Vakzine handle. Diese könne im Gegensatz zu einem Lebendimpfstoff nicht unmittelbar einen HZ hervorrufen. Der Pathomechanismus liegt also im Dunkeln. Eine gut belegte Erklärung gibt es nicht.

Es liegen laut Fachinformation nur begrenzte Daten vor, die die Anwendung von Shingrix bei Personen mit HZ in der Anamnese und bei gebrechlichen Personen, einschließlich Patienten mit multiplen Komorbiditäten, unterstützen. „Ärzte müssen daher den Nutzen und die Risiken einer HZ-Impfung individuell abwägen.“

Gegen einen kausalen Zusammenhang spricht, dass laut AkdÄ grundsätzlich denkbar ist, dass es sich bei den gemeldeten Fällen um rein zufällige zeitliche Assoziationen handelt. Nach der ersten Impfung bestehe noch kein ausreichender Impfschutz gegen eine zufällige HZ-Erkrankung. Zudem handle es sich bei einigen der beobachteten Hautreaktionen möglicherweise nicht um einen HZ im Sinne einer Virus-Reaktivierung, sondern um einen zoster-ähnlichen Hautausschlag als Reaktion auf die Impfung.

Hypothetische Erklärungsansätze zum Pathomechanismus

Vorausgesetzt, dass es sich tatsächlich in einigen Fällen um einen HZ handelt, sei aber denkbar, dass CD4-positive T-Lymphozyten VZV-Reservoirzellen (Varizella-Zoster-Virus) angreifen und Mechanismen aufheben, die den Latenzzustand stabilisieren. Shingrix® generiere nämlich eine hohe Zahl gegen Glykoprotein E gerichtete CD4-positive T-Lymphozyten.

Zudem sei bekannt, dass VZV regelmäßig subklinisch reaktiviert wird, wobei immunologische Mechanismen das zellfreie Virus aber schnell wieder neutralisierten. Interessant ist das, weil die Impfung zufällig in eine solche Reaktivierungsphase fallen könnte. Dabei könne es zur Neutralisation der T-Zell-vermittelten Immunabwehr gegen VZV durch überschüssiges Glykoprotein E kommen und aus der subklinischen Reaktivierung ein symptomatischer HZ entstehen.

Geklärt ist die Angelegenheit damit aber offensichtlich noch nicht. Es wird weiterhin um die Mitwirkung an der Studie des Paul-Ehrlich-Instituts gebeten.

Shingrix

Seit Mai 2018 steht der neuartige, inaktivierte Impfstoff zur Vorbeugung von Herpes Zoster (HZ, Gürtelrose) und postherpetischer Neuralgie bei Personen ab 50 Jahren auf dem deutschen Markt zur Verfügung. 

Grundsätzlich beschreibt das RKI die Impfung mit dem Herpes-zoster-Totimpfstoff als sicher. „Allerdings ist der Herpes-zoster-Totimpfstoff äußerst reaktogen.“ Lokalreaktionen (Schmerzen an der Injektionsstelle, Rötung und Schwellung) sowie systemische Reaktionen (Fieber, Müdigkeit, Myalgie und Kopfschmerzen), die die gewöhnlichen alltäglichen Aktivitäten einschränken, treten etwa bei jeder zehnten geimpften Person auf. Die Impfreaktionen seien jedoch von kurzer Dauer und hielten ein bis zwei Tage an.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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