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Risikofaktor für COVID-19?
Spielt die Blutgruppe bei Corona eine Rolle?
Wer erkrankt schwer an COVID-19, bei wem verläuft eine SARS-CoV-2-Infektion eher mild? Neue Daten lassen den Verdacht aufkommen, dass neben Alter, Gewicht und Vorerkrankungen auch die Blutgruppe eine Rolle spielen könnte. Kieler Wissenschaftler fanden, dass Blutgruppe 0 im Vergleich zu anderen Blutgruppen mit einem geringeren Risiko für schwere COVID-19 assoziiert sein könnte, während Blutgruppe A mit einem höheren Risiko verbunden zu sein scheint. Interessantes entdeckten sie auch zu Interleukin 6 und ACE2.
Woran liegt es, dass manche Patienten mit einer SARS-CoV-2-Infektion diese wohl völlig problemlos – und teilweise auch gänzlich symptomlos – wegstecken und andere Patienten schwer erkranken, beatmet werden müssen und sogar sterben? Was sich bislang gezeigt hat, ist, dass Menschen bestimmter Risikogruppen häufiger schwere COVID-19-Verläufe zeigen als gesunde. Das Robert Koch-Institut (RKI) nennt ältere Personen, stark Übergewichtige (Adipöse) und Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen, wie Herz-Kreislauferkrankungen (Koronare Herzerkrankung, Bluthochdruck), chronische Lungen- oder Lebererkrankungen, Diabetes mellitus, Krebs und Personen mit geschwächtem Immunsystem.
Genom von fast 2.000 Coronapatienten untersucht
Anfang Juni kam ein weiterer Verdacht auf: Spielt die Blutgruppe vielleicht eine Rolle dabei, ob Infizierte schwer oder weniger schwer an COVID-19 erkranken? Grund für diese Vermutung ist eine bislang nur als Vorabdruck (Preprint) veröffentlichte Studie – The AB0 blood group locus and a chromosome 3 gene cluster associate with SARS-CoV-2 respiratory failure in an Italian-Spanish genome-wide association analysis –, in der deutsche Wissenschaftler des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) gemeinsam mit Forschern aus Norwegen Blutproben aus spanischen und italienischen Corona-Epizentren (Mailand, Monza, Madrid, San Sebastian und Barcelona) auswerteten. Erstautoren der Studie sind die Kieler Wissenschaftler Professor David Ellinghaus und Frauke Degenhardt vom Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB). Die Studie soll mittlerweile wissenschaftlich begutachtet worden sein und in Kürze online beim renommierten „New England Journal of Medicine“ (NEJM) erscheinen.
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Antikörpertests auf Corona – Risiko von Fehlinterpretation
Von insgesamt 1.980 Intensivpatienten (835 aus Italien, 775 aus Spanien) mit COVID-19-bedingtem Atemversagen, die entweder beatmet oder mit Sauerstoff versorgt werden mussten, wurde das Genom untersucht. Die Kontrollgruppe bildeten 2.205 zufällig ausgewählte Männer und Frauen, die dem Studienbericht zufolge keinen Corona-Nachweis hatten. Aus jeder Blutprobe wurde die DNA isoliert und bei jeder einzelnen DNA-Probe wurden wiederum etwa 8,5 Millionen Einzel-Nukleotid-Polymorphismen (SNPs) untersucht, das heißt, mit SNP-Arrays (Biochips) vermessen. Anschließend wurde eine Metaanalyse der spanischen und italienischen Fall-Kontroll-Panels durchgeführt.
Blutgruppe A: 50 Prozent höheres Risiko für COVID-19 als Blutgruppe 0
Zwei Genorte fielen den Kieler Wissenschaftlern auf, die sie hochsignifikant mit einer höheren Sterblichkeit bei COVID-19 in Verbindung bringen konnten. Ellinghaus spricht von „wirklich interessante Regionen im Genom […], die das Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 erhöhen beziehungsweise verringern“.
- rs11385942 auf Chromosom 3p21.31: Odds Ratio: 1,77; 95-Prozent-Konfidenzintervall: 1,48 bis 2,11; p = 1,14x10-10
- rs657152 auf Chromosom 9q34: OR: 1,32; 95-Prozent-KI: 1,20 bis 1,47; p = 4,95x10-8
Einfluss auf die SARS-CoV-2-Eintrittspforte ACE2?
Interessant ist, dass von sechs Genen auf Chromosom 3p21.31 eines – SLC6A20 – für den Natrium-/Aminosäure-(Prolin)Transporter 1 (SIT1) kodiert. Dieser interagiert mit Angiotensin-Converting-Enzyme 2 (ACE2), dem Oberflächenrezeptor, den SARS-CoV-2 als Eintrittspforte in die Zelle zu nutzen scheint.
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Risikofaktor Fettmasse
Beim zweiten Chromosom 9q34 war das Signal durch SNPs am AB0-Blutgruppenlocus zu finden. Die Auswertung nach Blutgruppen ergab, dass Patienten mit Blutgruppe A ein um 50 Prozent höheres Risiko für schwere Verläufe (OR: 1,45, 95-Prozent-KI: 1,20 bis 1,75, p = 1,48x10-4) hatten als Patienten mit Blutgruppe 0 (OR: 0,65, 95-Prozent-KI: 0,53 bis 0,79, p = 1,06x10-5). Jedoch fanden die Forscher keinen signifikanten Unterschied in der Blutgruppenverteilung zwischen Patienten, die nur mit Sauerstoff versorgt wurden, und Patienten, die mechanisch beatmet wurden (mechanische Beatmung jeglicher Art, inklusive ECMO).
Interleukin 6 und Fettleibigkeit im Kindesalter
Wichtig ist den Wissenschaftlern eine weitere Beobachtung: Der „Haupt“-SNP rs657152 am AB0-Locus der Studie wurde in früheren genomweiten Analysen mit erhöhten Interleukin-6 (IL6)-Spiegeln bei Fettleibigkeit im Kindesalter in Verbindung gebracht. Das lasse eine hypothetische Verbindung zum festgestellten Zusammenhang von erhöhtem IL-6 mit dem Schweregrad und der Mortalität von COVID-19 zu. Interleukin 6 spielt insbesondere bei einer schweren Komplikation von COVID-19, dem Zytokinsturm in späteren Phasen der Erkrankung, eine wesentliche Rolle.
Schon frühe Hinweise: AB0-Blutgruppensystem und COVID-19
Bereits frühere Untersuchungen lieferten Hinweise, dass Blutgruppen eine Rolle bei COVID-19 spielen könnten: Am 27. März 2020 veröffentlichten chinesische Wissenschaftler einen Beitrag als Vorabdruck „Relationship between the AB0 Blood Group and the COVID-19 Susceptibility“. Sie verglichen die AB0-Blutgruppenverteilung bei 2.173 Patienten mit COVID-19 (bestätigt durch den SARS-CoV-2-Test) aus drei chinesischen Krankenhäusern in Wuhan und Shenzhen mit der Blutgruppenverteilung der Allgemeinbevölkerung aus den entsprechenden Regionen. Sie fanden, dass die Blutgruppe A im Vergleich zu Nicht-A-Blutgruppen mit einem höheren Risiko für eine Infektion mit COVID-19 assoziiert war, hingegen war die Blutgruppe 0 im Vergleich zu Nicht-0-Blutgruppen mit einem geringeren Risiko für die Infektion assoziiert. Hier wurde erstmals ein Zusammenhang zwischen dem AB0-Blutgruppensystem und COVID-19 beobachtet.
In einer weiteren Untersuchung „Testing the association between blood type and COVID-19 infection, intubation, and death“ werteten Wissenschaftler der Columbia University in New York, USA, Beobachtungsdaten aus der Gesundheitsfürsorge von 1.559 Personen aus. Diese waren im New York Presbyterian Krankenhaus bei bekannter Blutgruppe auf SARS-CoV-2 (682 COV+) getestet worden. Auch hier ging es um den Zusammenhang zwischen der Blutgruppe AB0+Rh und dem Infektionsstatus, einer Intubation und dem Tod durch SARS-CoV-2.
Man fand einen höheren Anteil der Blutgruppe A und einen niedrigeren Anteil der Blutgruppe 0 bei Corona-positiven Patienten im Vergleich zu Patienten, die Corona-negativ waren. In beiden Fällen war das Ergebnis jedoch nur bei Rh-positiven Blutgruppen signifikant. Der Effekt der Blutgruppe sei nicht durch die berücksichtigten Risikofaktoren erklärbar, wie Alter, Geschlecht, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Übergewicht und chronische Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen, so die Wissenschaftler. Die Daten lieferten jedoch keine eindeutigen Belege, dass es einen Zusammenhang zwischen der Blutgruppe und der Intubation oder dem Tod bei COVID-19-Patienten gibt, hieß es.
7 Kommentare
Blutgruppe
von Lila74 am 18.06.2020 um 14:38 Uhr
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Blutgruppe
von Andrea Ebelt am 18.06.2020 um 13:21 Uhr
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corona-blutgruppe
von Reinbolz Sonja am 18.06.2020 um 11:25 Uhr
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AW: corona-blutgruppe
von Gast am 18.06.2020 um 19:50 Uhr
100 Wissenschaftler, 100 Vermutungen
von Angelika Anna Sailer am 18.06.2020 um 7:43 Uhr
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AW: 100 Wissenschaftler, 100 Vermutungen
von Peter am 15.07.2020 um 20:10 Uhr
Blutgruppe
von Karl Friedrich Müller am 17.06.2020 um 10:30 Uhr
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