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Camostat bald in klinischen Studien gegen SARS-CoV-2

Remagen - 02.04.2020, 12:15 Uhr

Das neuartige Coronavirus, SARS-CoV-2, ist bislang vor allem dafür bekannt, die Lunge der COVID-19-Patienten zu befallen. Selbst wenn ein Arzneistoff in der Forschung also theoretisch wirkt, besteht in der Klinik dann noch die Herausforderung ihn an seinen Wirkort zu bringen. (Foto: Pissanu / stock.adobe.com)

Das neuartige Coronavirus, SARS-CoV-2, ist bislang vor allem dafür bekannt, die Lunge der COVID-19-Patienten zu befallen. Selbst wenn ein Arzneistoff in der Forschung also theoretisch wirkt, besteht in der Klinik dann noch die Herausforderung ihn an seinen Wirkort zu bringen. (Foto: Pissanu / stock.adobe.com)


Zu den Arzneimitteln, die derzeit hinsichtlich ihrer Wirksamkeit gegen COVID-19 untersucht werden, gehört auch der Protease-Inhibitor Camostat. Der Wirkstoff ist bislang nur in Japan und auch dort nur gegen Entzündungen der Bauchspeicheldrüse und bei postoperativer Refluxösophagitis zugelassen. Neue Forschungsergebnisse lassen aber auch COVID-19-Erkrankte hoffen.

Derzeit wird eine Reihe von Wirkstoffen, die bereits für andere Indikationen zugelassen sind, in zahlreichen Studien für die Behandlung von COVID-19 untersucht. Einer der Kandidaten ist der Protease-Inhibitor-Camostat. Das Handelspräparat mit dem Salz Camostat-Mesilat (Foipan®) ist in Japan schon seit 2006 zugelassen. Indikationen sind Entzündungen der Bauchspeicheldrüse und postoperative Refluxösophagitis. Inverkehrbringer ist das japanische Unternehmen Ono Medical. Weitere Zulassungen gibt es bislang nicht. 

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Nach neuesten Forschungen nutzt das neuartige Coronavirus als Rezeptor für das Andocken an der Wirtszelle das Protein Angiotensin-Converting-Enzym 2 (ACE-2). Unerlässlich für den Eintritt ist das Priming des Spike-(S)-Proteins des Virus durch Proteasen der Wirtszelle. Ein breit aufgestelltes Team unter der Leitung von Infektionsbiologen des Deutschen Primatenzentrums und mit Beteiligung der Berliner Charité, der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, der BG-Unfallklinik Murnau, der LMU München, des Robert-Koch-Instituts sowie des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung wollte herausfinden, wie SARS-CoV-2 genau in Wirtszellen eintritt und wie dieser Prozess blockiert werden kann. Ihre Erkenntnisse haben sie im Journal „Cell“ veröffentlicht. Das Wissenschaftlerteam konnte zunächst bestätigen, dass SARS-CoV-2 über den ACE-2-Rezeptor an die Wirtszelle andockt. Außerdem identifizierte es die transmembrane Serinprotease 2 (TMPRSS2) als zelluläres Protein, das für den Eintritt in die Zelle verantwortlich ist. 

TMPRSS2 als Eintrittskarte

TMPRSS2 verhilft übrigens auch dem MERS-Coronavirus zum Eindringen in die Zelle. „Damit haben wir einen Ansatzpunkt zur Bekämpfung des Virus gefunden“, erklärt Stefan Pöhlmann, Leiter der Abteilung Infektionsbiologie am Deutschen Primatenzentrum. Die Wissenschaftler glauben nun, dass das Virus neutralisiert werden kann, indem die Bildung des Enzyms geblockt oder wenigstens gedrosselt wird.

Studie am Menschen: Kommt genug Wirkstoff in der Lunge an? 

Da Camostat-Mesilat die Protease TMPRSS2 bekanntermaßen hemmt, haben die Forscher untersucht, ob es auch die Infektion mit SARS-CoV-2 verhindern kann. Das scheint tatsächlich zu funktionieren: „Wir haben SARS-CoV-2 aus einem Patienten getestet und festgestellt, dass Camostat-Mesilat das Eindringen des Virus in Lungenzellen blockiert“, sagt Markus Hoffmann, der Erstautor der Studie.

In einem „Spiegel“-Interview bezeichnen die Wissenschaftler ihre Untersuchungen mit menschlichen Lungenzellen als vielversprechend. Sie wissen allerdings noch nicht, ob der Wirkstoff auch in ausreichender Menge in der Lunge ankommt, wenn Patienten ihn in Form von Tabletten einnehmen. Das wäre aber entscheidend, denn COVID-19 betrifft vor allem die Lunge, meint Hoffmann. Die Forscher kündigen an, an der Berliner Charité zeitnah eine Studie anlaufen zu lassen, in der COVID-19-Patienten mit Camostat-Mesilat behandelt werden. 

Studie an Primaten: Wirkstoff direkt in die Lunge injizieren

Zeitgleich planen sie eine Untersuchung an Primaten, die zeigen soll, ob der Wirkstoff womöglich direkt in die Lunge injiziert werden kann, damit er das Virus besser hemmt. Solche Tierversuche sind notwendig, weil der Einsatz des Wirkstoffs hierfür bislang nicht zugelassen ist. „Wir sind zuversichtlich, dass wir in den kommenden sechs Monaten erste Ergebnisse dazu haben“, wird Pöhlmann in dem Spiegel-Interview zitiert.

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Neben der von den deutschen Forschern geplanten Studie steht in Dänemark eine weitere kurz vor dem Start: „The Impact of Camostat Mesilate on COVID-19 Infection (CamoCO-19): An Investigator-initiated Randomized, Placebo-controlled, Phase IIa Trial“ (NCT04321096). Laut Angaben im US-Studienregister clinicaltrials.gov hat die Rekrutierung der Teilnehmer noch nicht begonnen. Studiensponsor des „Investitagtor Initiated Trials“ ist die Universität von Aarhus. Weitere Studienorte neben dem dortigen Universitätskrankenhaus sind die Abteilung für Infektionskrankheiten in Aalborg und das Universitätskrankenhaus in Odense. Die 180 erwachsenen Studienteilnehmer sollen über einen Zeitraum von fünf Tagen entweder dreimal täglich zwei 100 mg-Tabletten Camostat-Mesilat oder Placebo erhalten. Als Studienstart wird der 31. März 2020 angegeben und als Studienende der 31. Dezember 2020 (primary completion) bzw. der 1. Mai 2021. 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

campostat direkt in die lunge

von Koala am 07.04.2020 um 20:57 Uhr

Wäre denn nicht auch eine Inhalative Applikation von campostat-mesilate (wie z.b. bei Asthma-medikamenten) denkbar, um das Medikament direkt an den wirkort zu bringen ...
Oder vielleicht eine Kombination aus inhalativer und oraler Applikation....
?

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