Es handelt sich um eine bislang unbestätigte Theorie, die neue Möglichkeiten in der Wirkstoffentwicklung bietet. Ein schädlicher Einfluss von ACE-Hemmern ist bislang nicht belegt. ACE-Hemmer abzusetzen und auf Sartane oder andere Wirkstoffe auszuweichen, wird derzeit auf jeden Fall nicht empfohlen.
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Unbestätigte Hypothese
SARS-CoV-2: Begünstigen ACE-Hemmer schwere Verläufe?
Die Coronavirus-Epidemie nimmt für viele immer dramatischere Züge an. Insbesondere Menschen mit Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes werden als besonders gefährdet eingestuft. Warum das so ist, dazu gibt es eine Vielzahl von Hypothesen. Ein besonders beunruhigender Verdacht ist der, dass dafür eine ACE-Hemmer-Therapie verantwortlich sein könnte. Ein Blick hinter die Kulissen der Pathomechanismen einer Coronavirus-Infektion verrät, wie es zu diesem bislang unbestätigten Verdacht kommen konnte, aber er zeigt auch hoffnungsvolle Therapieansätze auf. ACE-Hemmer abzusetzen und auf Sartane oder andere Wirkstoffe auszuweichen, wird derzeit auf jeden Fall nicht empfohlen.
SARS-Viren und auch das neue SARS-CoV-2 nutzen das transmembranäre Enzym ACE2 (Angiotensin Converting Enzyme 2) als Rezeptor, um in ihre Wirtszellen zu gelangen und ihre Replikation zu starten. Das haben Forscher rund um Prof. Dr. Josef Penninger, damals noch am Institut für molekulare Biotechnologie (IMBA) in Wien, inzwischen Scientific Director am Life Sciences Institut der British Columbia University in Vancouver, zu Zeiten der SARS-Epidemie 2002/2003 erforscht. Die bei uns therapeutisch genutzten ACE-Hemmer binden jedoch nicht an ACE2, sondern blockieren lediglich das Angiotensin Converting Enzyme (ACE). Aber sie sollen dazu führen, dass verstärkt ACE2-Rezeptoren gebildet werden und damit den Viren besonders viele Eintrittspforten in die Zellen geboten werden, so der Verdacht.
Sind die Viren dann erst einmal in den Zellen, wird mit dem Start der Virusreplikation die ACE2-Expression heruntergefahren. Das ist besonders fatal, weil ACE2 als ACE-Gegenspieler potenziell zellschädigende ACE-Auswirkungen antagonisiert und somit eine Schutzwirkung ausübt. Dieser Schutz geht durch die ACE2-Downregulation bei einem Virusbefall der Zelle verloren. ACE-Hemmer könnten hier als Brandbeschleuniger wirken. Entsprechend kursiert der unbestätigte Verdacht, dass in Italien die Todesrate mit aktuell 4 bis 5 Prozent so hoch ist, weil hier besonders häufig ACE-Hemmer eingesetzt werden sollen.
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Was machen Sartane?
Und was machen Sartane, die den Angiotensin-II-Rezeptor AT1R blockieren? Im Gespräch mit der DAZ erklärt Penninger, dass über Angiotensin-II-Bindung an diese AT1-Rezeptoren Gewebeschäden bis hin zum Lungenödem ausgelöst werden können. Deshalb sieht er hier eher eine Schutzfunktion durch Sartane. Allerdings steht auch hier der Verdacht einer ACE2-Hochregulation durch Sartane im Raum.
Hypothese, die noch auf Bestätigung wartet, Substanzwechesel derzeit nicht empfohlen
An dieser Stelle muss festgehalten werden, dass die Hochregulation von ACE2 durch den Eingriff in das Renin-Angiotensin-System eine interessante Hypothese ist, die aber auf eine Bestätigung wartet. So beispielsweise durch Auswertung der schwer bis tödlich verlaufenen COVID-19-Fälle, in der die Pharmakotherapie entsprechend unter die Lupe genommen werden muss. ACE-Hemmer abzusetzen und auf Sartane oder andere Wirkstoffe auszuweichen, wird derzeit nicht empfohlen.
Eine potenziell infektionsfördernde Wirkung von ACE-Hemmern wollte Penninger im Gespräch mit der DAZ nicht bestätigen. Prinzipiell führen ja auch ACE-Hemmer zu einer Abnahme von Angiotensin II, dass dann ebenfalls nicht mehr für die Bindung an den AT1-Rezeptor zur Verfügung steht.
Konzentration auf den vielversprechenden Therapieansatz
Penninger konzentriert sich vielmehr auf den vielversprechenden Therapieansatz, den die Erkenntnisse rund um ACE2 bieten. So ist Penninger Gründungsmitglied der Firma Apeiron Biologics mit Sitz in Wien, die ein rekombinantes humanes ACE2 in löslicher Form im Portfolio hat. Dieses rhACE2, auch als APN01 bezeichnet, ist in der Lage, das neue SARS-CoV-2 zu binden und damit vor dem Eintritt in die Zelle abzufangen. Darüber hinaus ist die ACE2-Enzymfunktion bei APN01 erhalten, so dass es zusätzlich Angiotensin II in Angiotensin1-7 abbauen kann. Angiotensin1-7 bindet nicht an AT1-Rezeptoren und kann damit die potenziell schädliche Angiotenin-II-Wirkung antagonisieren.
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Im Tierversuch ließen sich mit APN01 schwere Lungenschäden vermeiden, ein Effekt, den Penninger auch bei Sartanen gesehen hat. Klinische Phase-I-Studien mit APN01 sind erfolgreich abgeschlossen worden, nun soll das rhACE2 in Wuhan in einer Phase-II-Pilotstudie randomisiert und unverblindet an 24 schwer an COVID-19 erkrankten Patienten getestet werden. Sollte diese Studie erfolgreich verlaufen, ist eine doppelblind-randomisierte Phase-IIb Studie geplant. Insgesamt setzt Penninger im Kampf gegen das neue Coronavirus auf das Zusammenspiel unterschiedlicher therapeutischer Strategien und die Entwicklung eines Impfstoffs.
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12 Kommentare
Versteh von Medizin nichts, bin absolut blöd....
von Peter Gleiszner am 26.03.2020 um 18:59 Uhr
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AW: Versteh von Medizin nichts, bin absolut
von Jürgen am 07.04.2020 um 17:22 Uhr
ACE ARB COVID-19 Augen zu und durch
von Stefan Oesch am 21.03.2020 um 13:54 Uhr
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ACE2 Entry Mechanismus
von Prof. Dr. Joachim Beige am 14.03.2020 um 19:48 Uhr
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von Dr. L. Kampmann am 14.03.2020 um 18:15 Uhr
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Unnötiges Verbreiten von Panik!
von Lina S. am 14.03.2020 um 13:43 Uhr
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AW: Unnötiges Verbreiten von Panik
von Redaktion DAZ.online am 14.03.2020 um 15:03 Uhr
AW: Unnötiges Verbreiten von Panik
von Lina S. am 14.03.2020 um 17:48 Uhr
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von Steffen Sonntag am 14.03.2020 um 10:16 Uhr
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AW: Ihr gefährliches Publikationsgebaren
von kraeMit am 14.03.2020 um 12:21 Uhr
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von Brigitte Hillner am 12.03.2020 um 9:21 Uhr
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