Analyse

Overwiening: Ähnliche Inhalte, aber eine komplett neue ABDA

Berlin - 10.03.2020, 07:00 Uhr

Gabriele Regina Overwiening will die erste ABDA-Präsidentin werden. Dabei strebt sich weniger politisch-inhaltliche Neuerungen an, sondern will die ABDA als Organisation umkrempeln. (Foto: AKWL)

Gabriele Regina Overwiening will die erste ABDA-Präsidentin werden. Dabei strebt sich weniger politisch-inhaltliche Neuerungen an, sondern will die ABDA als Organisation umkrempeln. (Foto: AKWL)


Wenn man Gabriele Regina Overwiening fragt, welche politisch-inhaltlichen Ziele und Forderungen sie als mögliche neue ABDA-Präsidentin hätte, hört man bekannte Antworten: Apotheker müssen zum ersten Ansprechpartner bei allen Fragen rund ums Arzneimittel werden, es darf keinen Wettbewerb beim E-Rezept geben und die pharmazeutischen Dienstleistungen sind mit großer Hoffnung verbunden. Hört man genauer hin und liest sich Overwienings Pressemitteilung zur Kandidatur durch, wird klar, worum es der AKWL-Präsidentin geht: Sie will die Arbeitsweise, das Auftreten und auch die Struktur der ABDA komplett umkrempeln. Eine Analyse.

Dass sich Gabriele Regina Overwiening am gestrigen Montag von Münster auf den Weg nach Berlin gemacht hat, um vor der versammelten Fachpresse der Hauptstadt zu erklären, dass sie ABDA-Präsidentin werden will, ist mutig. Schon in ihrem ersten Satz auf dieser Pressekonferenz wird dann aber klar, wieso sie diesen Weg gegangen ist: Mehrfach wiederholt sie das Wort „Transparenz“. Sie halte es für wichtig, dass sie mit ihrer Kandidatur transparent umgehe – ohne vorab abgesprochene Hinterzimmerdeals. Erst kurz vor Beginn der Pressekonferenz habe sie die anderen Kammern und Verbände über ihre Kandidatur unterrichtet, so Overwiening. Natürlich ist das auch ein versteckter Kommentar zur Arbeitsweise der aktuellen ABDA-Spitze. Weniger Absprachen im Elfenbeinturm, eine direkte Kommunikation mit der Apothekerbasis und eine transparentere, vereinende Standesvertretung.

Eine der wichtigsten Fragen zu Overwienings Kandidatur ist allerdings: Welche neuen inhaltlichen Inputs und welche politischen Schwerpunkte will sie setzen? An erster Stelle nennt sie auf diese Frage das Apotheken-Stärkungsgesetz, hier allerdings nicht das geplante Rx-Boni-Verbot, sondern die ebenfalls dort enthaltenen pharmazeutischen Dienstleistungen. „Der Patient muss ein Recht auf diese Dienstleistungen bekommen und die Kassen müssen sie bezahlen“, erklärt Overwiening. Man merkt deutlich, dass es der Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe wichtig ist, dass die Apotheker zum „Ansprechpartner Nummer eins für die Arzneimitteltherapiesicherheit und für Arzneimittel im Allgemeinen“ werden. „Wir müssen noch mehr zeigen, dass wir unverzichtbar sind“, so Overwiening.

Auch an der Digitalisierung will Overwiening als mögliche neue ABDA-Präsidentin weiter arbeiten. Mit Blick auf den derzeitigen Plan der Bundesregierung, bei der Einlösung des E-Rezeptes Wettbewerb zwischen App-Anbietern zuzulassen, kritisiert sie hart. „Die Politik kann nicht einerseits Wildwuchs bei Rx-Boni bekämpfen und ihn bei der E-Rezept-Einlösung einfordern“, sagt die AKWL-Präsidentin.

Bis auf den ausgeprägten Fokus auf das Thema Arzneimitteltherapiesicherheit weichen Overwienings Forderungen also so gut wie gar nicht von denen der aktuellen ABDA-Spitze ab. Bei der Lektüre der begleitenden Pressemitteilung der AKWL wird dann aber noch klarer, dass die Apothekerin aus dem westfälischen Reken vor allem eines ändern will in der ABDA: die Arbeitsweise. Dort heißt es, dass Apotheker „als mutig und aktiv wahrgenommen werden“ wollen. Und dann: „Wir müssen uns aus unserer mitunter passiven und duldenden Rolle befreien und dem Anspruch gerecht werden, das Gesundheitssystem maßgeblich mitzugestalten. Dafür müssen wir uns mit konstruktiven und kreativen Lösungsansätzen einbringen und im Versorgungsalltag noch stärker Verantwortung übernehmen.“

Lauter nach außen, vereinender nach innen, neue Strukturen

Wenn Apotheker nach mehr Verantwortung und mehr Kompetenzen rufen, stehen in der Regel die Ärzte schnell mit erhobenem Zeigefinger und warnend vor der Tür. Doch Overwiening stellt dazu klar: „Wir sind freie Heilberufler. Und wir sind unabhängige Partner auf Augenhöhe – für Ärzte und Krankenkassen, für Verbände und Politik.“ Sie wolle gemeinsame Wege mit den Ärzten finden, aber auch klarstellen, dass Apotheker als ebenbürtige Gesprächspartner wahrgenommen werden.

Doch damit nicht genug. Denn die derzeitige Arbeitsweise der ABDA ist der AKWL-Präsidentin nicht nur nicht mutig genug, sondern auch zu leise. In ihrer Pressemitteilung fordert sie eine deutlich lautere Standesvertretung:


Die aktuelle ABDA-Imagekampagne beschreibt uns Apothekerinnen und Apotheker als unverzichtbar. Wenn wir unverzichtbar für die Gesellschaft sind, dann gibt das unbedingten Anlass zu einem selbstbewussten Auftreten, gerade Politik und Öffentlichkeit gegenüber. Unsere Basis nimmt uns bisher viel zu oft als zaghaft wahr. Das müssen wir ändern. Dazu gehört auch der Anspruch, dass wir unsere Positionen sehr deutlich gegenüber den anderen Akteuren im Gesundheitswesen vertreten. Die Apothekerschaft muss sichtbar sein. Aufgabe der ehrenamtlichen ABDA-Spitze ist es daher auch, den Apothekerinnen und Apothekern Gesicht und Stimme zu verleihen.“

Gabriele Regina Overwiening


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Auch mit der internen Kommunikation der ABDA in die Apothekerschaft hinein ist Overwiening offenbar nicht wirklich zufrieden. Angesprochen darauf, wie sie als ABDA-Präsidentin die Apotheker wieder näher an die ABDA heranrücken würde, erklärt sie: „Natürlich wird mir nicht jeder Einzelne folgen. Aber ich werde mit großer Leidenschaft immer wieder darauf hinweisen, dass wir unverzichtbar sind und hoffe, dass mir die Kollegen folgen.“ In der begleitenden Pressemitteilung wird deutlicher, was Overwiening in der internen Kommunikation umstellen will: Die ABDA könne nur dann erfolgreich sein, „wenn es eine tragfähige Vertrauens- und Kooperationskultur aller Mitgliedsorganisationen“ gebe. Und weiter: „Demokratisch gefasste Beschlüsse müssen daher verlässlich in die Mitgliedsorganisationen getragen und dort mitverantwortet und aktiv umgesetzt werden. In gleicher Weise muss ein Dachverband seine Mitglieder durch einen intensiven, zeitnahen und vertrauensvollen Austausch mitnehmen und ihnen auch Gelegenheit geben, eigene Projektideen und Vorschläge einzubringen. Wir brauchen letztlich nicht mehr und nicht weniger als eine Kultur des Miteinanders und des Mitmachens.“

Overwiening: Organisationsuntersuchung notwendig

Letztlich will Overwiening die Arbeitsweise der ABDA auch kreativer und agiler machen. Ob und wie sie Struktur der ABDA verändern würde, dazu äußerte sie sich nicht konkret. Allerdings findet sie auch hier in ihrer Pressemitteilung deutliche Worte: Man brauche „zeitnah eine Organisationsuntersuchung“. Konkret sollten „Aufgaben, Prozesse und Strukturen“ systematisch betrachtet werden, fordert die AKWL-Präsidentin. Und weiter: „Daraus folgen die erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen, die unserem Bundesverband bereitgestellt werden müssen. Derzeit sind diese nicht ausreichend vorhanden, und das muss korrigiert werden.“ Um die Arbeitsweise der ABDA zu überdenken, will Overwiening eine „apothekerliche Denkfabrik“, einen Apotheker-Thinktank gründen, zu dem interne und externe Berater gehören sollen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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7 Kommentare

Frau Overwiening am Start

von Dr.Diefenbach am 12.03.2020 um 13:29 Uhr

Ich finde es mutig,in Zeiten wie diesen früh eine Kandidatur zu erklären.Das Programm muss halt stimmen.Was MICH masslos ärgert ist der teilweise ruppige peinliche Umgang mit UNSERER Kollegin.Ich bin auch oft anderer Meinung,Frau Overwiening ARGUMENTIERT aber wenigstens.Ihr aus der "Nähe" zu Spahn einen Strick zu drehen,das ist einfach plump.UND:WARUM tritt aus der Sich-Nur-Wieder-Über-Alles-Beschwerer-Riege keiner an??? Der Posten ist doch so dotiert,dass man seine Apo vor Ort verlassen kann???Ich wünsche der Kollegin alles Gute,ich warte mal ab,wie es mit diversen Herren weitergeht.Ich denke mal an den Siemsen-Slow-down vor Jahren....

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Neue ABDA

von Roland Mückschel am 10.03.2020 um 17:30 Uhr

Ähnliche Inhalte, neue ABDA.

Ja wieso dat denn?

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Mehr Münster an der Spree ist besser als Leipziger Allerlei aus Berlin ...

von Christian Timme am 10.03.2020 um 13:51 Uhr

Eine gute Portion WL-Präsidentin wird der ABDA am Anfang nicht bekommen aber trotzdem guttun ... und den vor sich hin darbenden Apotheken ebenso ...

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nicht überzeugend

von Karl Friedrich Müller am 10.03.2020 um 11:36 Uhr

es geht weiter mit der Schmidt Richtung. Vernichtung, defizitäre Aufgaben, keine Erhöhung des Honorars, nichts über RxVV.
Solche Leute brauchen wir nicht.
Ich fürchte auch, dass man (frau) sich nicht durchsetzen wird bei der Politik. Daher: Profis. keine Apotheker.

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AW: nicht überzeugend

von Karl Friedrich Müller am 10.03.2020 um 12:24 Uhr

Transparenz heißt auch: keine Mauscheleien in Hinterzimmern. Wahlen durch alle! Und nicht durch ein paar handverlesene, stromlinienförmige Jasager.

AW: nicht überzeugend

von Dirk Krüger am 10.03.2020 um 13:06 Uhr

Genau so ist es. Die ABDA stellt uns als "unverzichtbar" dar. Ja, für das System sind wir unverzichtbar, weil wir so blöd sind, unsere Leistung unter Wert zu verkaufen - inclusive der - absehbar defizitären - zusätzlichen so genannten "Pharmazeutischen Dienstleistungen". Diese den Kollegen als Stein der Weisen zur Existenzsicherung der Vor-Ort-Apotheken zu verkaufen ist eine dreiste Lüge. Forderung nach Honorarerhöhung - zumindest als Inflations- und Betriebskostenausgleich ? Fehlanzeige. Diese Kandidatin steht für ein "Weiter so" - nicht mit uns!

Richtung

von Reinhard Rodiger am 10.03.2020 um 10:23 Uhr

Das liest sich so, als ob alle Forderungen, die hier seit Jahren erhoben wurden, als Vorlage dienten.Das signalisiert Lernfähigkeit, die anderswo schon lange vermisst wird.Jedoch hätte davon schon seit Jahren etwas erkennbar werden können.Das gilt jedoch nur für den falschen Ansatz, ohne solides Konzept Leistungen anzustreben, die nur zu Lasten der notwendigen Berechenbarkeit , nur zugunsten von Grosseinheiten erreichbar sind.Wir erleben gerade,dass Verteilung und nicht Konzentration die Sicherheit erhöht.
Es geht also um eine Richtungsdebatte.Auch verbesserte
Effizienz nach aussen und Transparenz nach Innen löst nichts, wenn die Richtung nicht stimmt.Die Priorität sollte die Anerkennung heutiger Leistung und die Integration in das heutige Gesundheitssystem sein.

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