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Lieferengpass bei Venlafaxin (Teil 2 von 3)
Warum Venlafaxin nicht einfach zu ersetzen ist
Venlafaxin ist knapp, der Engpass beschäftigt Apotheker, Ärzte und Patienten und auch das BfArM. Mit Duloxetin und Milnacipran gibt es Wirkstoffe der gleichen Gruppe, die auch die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin hemmen. Allerdings gleich sind sie deswegen noch lange nicht. Venlafaxin wirkt stärker auf das Serotoninsystem als Duloxetin, dessen Noradrenalin-Serotonin-Ratio eher ausgewogen ist. Zudem dürfen Duloxetin und Milnacipran längst nicht so breit eingesetzt werden wie Venlafaxin.
Bedingt der Lieferengpass, dass Venlafaxin-Patienten auf ein anderes Antidepresivum umgestellt werden müssen, ist dies immer eine höchstindividuelle Therapieentscheidung. Die ultimative Alternative gibt es nicht. Mit Duloxetin und Milnacipran gibt es zumindest Wirkstoffe der gleichen Gruppe der SNRI, die auch die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin hemmen.
Antidepressiva aus der gleichen Gruppe
Venlafaxin zählt zu den SNRI, den Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Inhibitoren). Die antidepressive Wirkung von Venlafaxin wird mit einer Erhöhung der Konzentration und der Aktivität von Noradrenalin und Serotonin im Zentralnervensystem in Verbindung gebracht, und zwar dadurch, dass die Wiederaufnahme der Botenstoffe aus dem synaptischen Spalt in die Nervenzelle blockiert wird. Venlafaxin hemmt vor allem die Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme im Zentralnervensystem und zusätzlich schwach von Dopamin.
Venlafaxin wirkt vor allem aufs Serotoninsystem
Neben Venlafaxin gehören Duloxetin (Cymbalta®, Yentreve® und Generika) und Milnacipran (Milnaneurax®) in die Gruppe der Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehmmer. Wenn auch alle drei Wirkstoffe die Wiederaufnahme der beiden Beotenstoffe hemmen, so tun sie dies doch in unterschiedlichem Ausmaß. Venlafaxin besitzt eine 30-fach größere Selektivität für Serotonin und erhöht vorwiegend die Serotoninkonzentration im synaptischen Spalt. Vor allem im niedrigen Dosisbereich soll die Serotonin-Präferenz ausgeprägt sein. Im Vergleich dazu wirkt Duloxetin ausgewogener auf die beiden Botenstoffe und besitzt nur eine etwa zehnfach größere Selektivität für Serotonin. Milnacipran, das erst seit 2016 die Zulassung hat, blockiert die Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme ungefähr gleich stark.
SSRI und Trizyklika
Daneben gibt es auch Wirkstoffe aus anderen Gruppen – wie SSRI (selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren). Denen fehlt jedoch die Wirkung auf den Botenstoff Noradrenalin. Die sogenannten Trizyklika (beispielsweise Imipramin, Clomipramin, Amitriptylin) hemmen zwar die Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme, jedoch auch in unterschiedlichen Ausmaßen, und sie blockieren noch zahlreiche andere Rezeptoren (zum Beispiel von den Botenstoffen Histamin, Acetylcholin oder Adrenalin), sie gelten dadurch als nebenwirkungsbehafteter.
Venlafaxin das häufigste und günstigste SNRI
Venlafaxin wird aus der Gruppe der SNRI am häufigsten eingesetzt. 2018 waren es laut Arzneiverordnungsreport 200,7 Millionen definierte Tagesdosen (DDD=defined daily dose), bei Duloxetin waren es 79,4 Millionen DDD und bei Milnacipran lediglich 3,4 Millionen DDD. Wobei vor allem Milnacipran (einziges Präparat in Deutschland: Milnaneurax®) auf dem Vormarsch ist. 2018 wurden 43,4 Prozent mehr DDD verordnet als noch 2017.
Allerdings kostet die Tagesdosis von Milnacipran 1,65 Euro, bei Duloxetin im Mittel 1,19 Euro und bei Venlafaxin nur 40 Cent.
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Unterschiedliche Einsatzgebiete
Die einzelnen Wirkstoffe unterscheiden sich zudem in den zugelassenen, den erlaubten, Einsatzgebieten (Indikation). Venlafaxin darf am breitesten verordnet werden: Venlafaxin mit verzögerter Freisetzung (retardiert) wird eingesetzt zur Behandlung von Episoden einer Major Depression (schwere Depression), Rezidivprophylaxe von Episoden einer Major Depression, zur Behandlung der generalisierten Angststörung und der sozialen Angststörung sowie zur Behandlung der Panikstörung, mit oder ohne Agoraphobie (Platzangst). Die schnellfreisetzenden Tabletten sind lediglich indiziert zur Behandlung von Episoden einer Major Depression und zur Vorbeugung des Wiederauftretens neuer depressiver Episoden (Rezidivprophylaxe).
Duloxetin wird in den Stärken mit 30 mg und 60 mg eingesetzt zur Behandlung von depressiven Erkrankungen (Major Depression) und Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie und bei der generalisierten Angststörung.
(Daneben finden die Stärken 20 mg und 40 mg Duloxetin Anwendung bei Frauen mit mittelschwerer bis schwerer Belastungs(harn)inkontinenz). Milnacipran ist lediglich zugelassen zur Behandlung von Episoden einer Major Depression bei Erwachsenen.
Alle Wirkstoffe dürfen laut Zulassung nur bei Erwachsenen eingesetzt werden.
Wem hilft welches Antidepressivum?
Über die Mechanismen, durch welche die Wirkung der Antidepressiva zustande kommt, besteht weiterhin Unklarheit. Daher ist es bis heute nicht möglich, verlässlich vorauszusagen, ob und wann ein bestimmter Patient auf ein bestimmtes Antidepressivum ansprechen wird. Es ist also nicht möglich, die Antidepressiva-Behandlung auf solche Patienten zu beschränken, die auch „tatsächlich“ von der Behandlung profitieren. Insbesondere scheinen Antidepressiva in einer Untergruppe von Patienten einen Heilungsprozess anzustoßen, der ohne Medikamente nicht zustande kommen würde. Circa zwei Drittel der mit Antidepressiva behandelten Patienten respondieren. Allerdings zeigt sich bei ungefähr der Hälfte dieser Responder nur eine Partialresponse und keine wirkliche Remission.
Im dritten Teil geht es um die Einschätzung des Jour fixe beim BfArM zu Venlafaxin als nicht versorgungsrelevanter Wirkstoff, und im Gegensatz dazu um die Einschätzung der WHO: „depressive Störungen gehören zu den wichtigsten Volkskrankheiten und werden in den nächsten Jahren noch deutlich an Bedeutung zunehmen.“
4 Kommentare
SNRI hin oder her
von al77 am 08.01.2020 um 23:59 Uhr
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Venlafaxin Mangel Körperverletzung
von Silke am 07.01.2020 um 14:53 Uhr
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Problementsorgung durch deutsche Politik und Bürokraten
von ratatosk am 07.01.2020 um 14:33 Uhr
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Lieferengpass
von Florian am 06.01.2020 um 2:02 Uhr
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