Cochrane-Analyse

HPV-Impfung: zwei Dosen so wirksam wie drei

Stuttgart - 09.12.2019, 13:00 Uhr

HPV-Impfungen schützen vor Gebärmutterhalskrebs. Hierbei scheint ein zweifaches Impfschema so effektiv zu sein wie ein dreifaches, was angesichts von immer wieder herrschenden Lieferengpässen eine gute Nachricht ist. (s / Foto: imago images / Science Photo Library)

HPV-Impfungen schützen vor Gebärmutterhalskrebs. Hierbei scheint ein zweifaches Impfschema so effektiv zu sein wie ein dreifaches, was angesichts von immer wieder herrschenden Lieferengpässen eine gute Nachricht ist. (s / Foto: imago images / Science Photo Library)


HPV-Impfungen schützen vor Gebärmutterhalskrebs. Dabei scheinen zwei Impfdosen ähnlich wirksam hinsichtlich der Immunantwort zu sein wie ein Drei-Dosen-Impfschema. Gibt es auch Unterschiede, ob mit einem neunfachen HPV-Impfstoff (Gardasil 9) oder einem vierfachen (Gardasil) geimpft wird? Antwort auf diese Frage bringt ein aktueller Cochrane-Review.

Humane Papillomaviren (HPV) zählen zu den sexuell am häufigsten übertragenen Infektionen, die – je nach Subtyp – Warzen oder die Entstehung von bösartigen Tumoren begünstigen können. Das häufigste Karzinom, das mit HP-Viren assoziiert ist, ist das Zervixkarzinom. Derzeit schützen bi- und tetra- und nonavalente Impfstoffe vor bestimmten Subtypen von HPV. Eine Cochrane-Analyse hat nun 20 Studien, basierend auf der Forschungsevidenz vom September 2018, mit 31.940 Teilnehmenden ausgewertet. Gibt es Unterschiede in der Immunantwort nach zwei oder drei Impfdosen? Welche Rolle spielt die Zeit zwischen den einzelnen Gaben?

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Zwei Dosen so wirksam wie drei

Die Wissenschaftler fanden, dass bei Frauen zwei Dosen HPV-Impfstoff ähnliche Immunantworten bewirken wie drei Impfstoffgaben, was angesichts des immer wieder herrschenden Impfstoffmangels eine wertvolle Information sein könnte. Erst jüngst hat die WHO (Weltgesundheitsorganisation) Strategien veröffentlicht und schlägt unter anderem vor, Mädchen bei der HPV-Impfung zu bevorzugen, weil weltweit HPV-Impfstoffe knapp seien.

Längerer Impfabstand günstig

Zudem scheint sich ein längerer Abstand (bis zu zwölf Monaten) zwischen den einzelnen Impfungen ebenfalls günstig auszuwirken. Diesen Effekt sahen die Wissenschaftler sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen. Ob ein Zwei-Dosen-Impfschema jedoch weniger schwerwiegende Nebenwirkungen verursacht als ein Drei-Dosen-Schema, konnten die Wissenschaftler anhand der vorliegenden Daten nicht sagen. „Ein Zwei-Dosis-Schema mit HPV-Impfstoff führt bei jungen Frauen zu einer vergleichbaren Immunantwort wie ein Drei-Dosis-Schema“, schlussfolgert Cochrane.

Humane Papillomaviren

Humane Papillomaviren zählen zu den sexuell am häufigsten übertragenen Infektionen. Das Robert Koch-Institut schätzt, dass sich sexuell aktive Menschen mindestens einmal im Leben mit HP-Viren anstecken. In den meisten Fällen schafft es das Immunsystem, die Viren abzuwehren, gelingt dies nicht, infizieren Papillomaviren Haut und Schleimhäute und können dort – je nach Subtyp – zu einer ungefährlichen Warzenbildung (Niedrigrisiko-Typen) führen oder auch bösartige Veränderungen hervorrufen (Hochrisiko-Typen). Insbesondere die Virussubtypen 16 und 18 werden mit Tumoren im Anal- und Genitalbereich in Verbindung gebracht. Bei Gebärmutterhalskrebs lassen sich in nahezu 100 Prozent der Fälle Infektionen mit HPV-Hochrisiko-Typen nachweisen. Das Karzinom entwickelt sich in der Regel über viele Jahre hinweg und über mehrere Krebsvorstufen, sogenannte intraepitheliale Neoplasien, die am Gebärmutterhals (Zervix) als CIN, zervikale intraepitheliale Neoplasie, bezeichnet wird, und sich in vielen Fällen auch wieder zurückbilden können.

CIN - was ist das?

Der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) gibt auf seiner Homepage einen Überblick über die einzelnen Stufen von zervikalen intraepithelialen Neoplasien (CIN). CIN beschreibt Veränderungen des Gebärmutterhalses, die allerdings auf die Schleimhaut begrenzt sind und nicht auf tiefer liegende Gewebeschichten übergegriffen haben. Zu den CIN zählen leichte (CIN 1) bis mittelschwere (CIN 2) Veränderungen, die als Krebsvorstufe gelten, und oberflächliche Karzinome, die nicht über die Schleimhaut hinaus vorgedrungen sind – sogenannte In-situ-Karzinome.

CIN 1: leichte Zellveränderungen, bilden sich bei 50 Prozent der Frauen allein zurück; frühe, aber kontrollbedürftige Befunde

CIN 2: mittelschwere Zellveränderungen, spontane Heilungen sind möglich, aber seltener (etwa ein Drittel der Frauen)

CIN 3: weit fortgeschrittene Zellveränderungen, fortgeschrittene Krebsvorstufen mit Übergang zum Karzinom, wobei die veränderten Zellen noch auf die oberen Gewebeschichten begrenzt sind; meist raten Ärzte zur Entfernung des betroffenen Gewebes, da das Risiko für invasiven Gebärmutterhalskrebs hoch ist

Die Studien konzentrierten sich Cochrane zufolge eher auf die Immunreaktionen, gemessen an HPV-Antikörpern, als auf eine Infektion oder krankheitsbezogene Endpunkte. Die Antikörperkonzentrationen erlaubten eine gute Vorhersage über den Schutz vor HPV-bedingten Krankheiten. Da es viele Jahre dauere, bis sich nach HPV-Infektionen eine Krebsvorstufe entwickle, sei dies als Endpunkt schwierig zu beobachten. Zudem würde bei Entdecken einer Präkanzerose den Erkrankten eine Behandlung angeboten, und auch ohne Impfung sei so die Entwicklung eines Zervixkarzinoms unwahrscheinlich.

Neunfach so wirksam wie vierfach

Die Wissenschaftler werteten auch eine Studie mit 16- bis 26-jährigen Frauen aus, hier zeigte sich, „dass die nonavalenten und quadrivalenten Impfungen ähnlich guten Schutz vor Läsionen von Krebsvorstufen und Krebs in Gebärmutter, Scheide und Scham bieten“, so die Cochrane-Analyse. Die Evidenz sei „von hoher Vertrauenswürdigkeit“.

Mehr Nebenwirkungen nach nonavalenter Impfung

Zudem scheint die nonavalente Impfung bei Männern und Frauen zu mehr örtlichen unerwünschten Ereignissen zu führen als die quadrivalente Impfung. „Bis zu 90 Prozent der Männer und Frauen, die einen HPV-Impfstoff erhielten,“ zeigten „geringfügig lokale Nebenwirkungen wie Rötungen, Schwellungen und Schmerzen an der Injektionsstelle“. Wobei auch hier die Evidenz zu schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen und Todesfällen aus Studien, die verschiedene HPV-Impfstofftypen oder Dosis-Schemata verglichen, nur von niedriger oder sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit, gewesen sei.

HIV-Infektion: bi- und tetravalente Impfung Vorteil

Die Wissenschaftler werteten auch Studien an HIV-Erkrankten aus. Die Ergebnisse sind interessant, denn laut Cochrane ist die Antikörperreaktion nach einer bivalenten oder tetravalenten Impfung höher als nach der nonavalenten Impfung: „Die HPV-Antikörperreaktionen bei Kindern mit HIV-Infektion waren nach der Impfung mit einem bivalenten oder vierwertigen Impfstoff höher als bei einem Neunfach-Impfstoff gegen HPV. Diese Antikörperreaktionen gegen HPV konnten bis zu zwei Jahre nachgewiesen werden", fanden die Wissenschafler

Welche HPV-Impfstoffe gibt es?

In Deutschland sind mehrere Impfstoffe zum Schutz vor HP-Viren auf dem Markt. Eine Impfung gegen alle HPV-Typen existiert nicht – was bei mittlerweile etwa 170 Virustypen auch unmöglich wäre. Derzeit schützt Cervarix® (GlaxoSmithKline) gegen die Subtypen 16 und 18, Gardasil® (nur noch Importe in Deutschland verfügbar) und Silgard® (beide MSD) immunisieren zusätzlich gegen die Virustypen 6 und 11. Am umfassendsten ist die seit 2015 verfügbare Impfung Gardasil® 9, der neunvalente HPV-Impfstoff schützt vor den Typen 6, 11, 16, 18, 31, 33, 45, 52, 58.

Der Mediziner Professor Harald zur Hausen erhielt für die Entdeckung des Zusammenhangs einer Infektion mit bestimmten HPV-Typen und der Entstehung von Zervixkarzinomen 2008 den Nobelpreis für Medizin.

Auch für Jungen

Für die Prävention von Gebärmutterhalskrebs empfiehlt die STIKO (Ständige Impfkommission) neun- bis 14-Jährige gegen HPV zu impfen. Laut WHO gelten zwei Impfdosen im Abstand von sechs Monaten als effektivste Strategie. Drei Impfdosen sollen über 15-Jährige, HIV-Infizierte oder Personen mit anderweitigen Immundefizienzen erhalten. In Deutschland gilt die HPV-Impfung seit November 2018 auch als Standardimpfung für Jungen, zuvor traf dies nur für Mädchen zu.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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