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Wechselwirkung mit Antikoagulanzien
Arzneitelegramm rät von Flurbiprofen ab
Das Arzneitelegramm warnt vor flurbiprofenhaltigen Rachentherapeutika bei Halsschmerzen. Nicht zum ersten Mal wird Flurbiprofen mit Skepsis betrachtet: Die AMK erinnerte im Mai 2018 an Hypersensitivitätsreaktionen unter lokalen Halsschmerzpräparaten mit Flurbiprofen. Das Arzneitelegramm weist nun jedoch auf einen anderen Aspekt hin: Wechselwirkungen mit Antikoagulanzien und eine erhöhte Blutungsgefahr, vor allem in Kombination mit manchen Erkältungskombis. Apotheker sollten an diese Wechselwirkung denken.
Bereits seit 2004 wird Flurbiprofen im Rahmen der Selbstmedikation zur kurzzeitigen symptomatischen Behandlung bei schmerzhaften Entzündungen der Rachenschleimhaut ab einem Alter von zwölf Jahren eingesetzt. Die verschreibungsfreie Anwendung galt zunächst nur für Lutschtabletten (zum Beispiel Dobendan® direkt, Flurbiangin®, Flurbiprofen AL) und wurde im Dezember 2014 auf die generelle Anwendung im Mund- und Rachenraum mit einer Tageshöchstdosis von 50 mg ausgedehnt, was auch Gurgellösungen und Halssprays (zum Beispiel Dobendan® direkt Halsspray) den Weg ebnete.
AMK erinnert an Hypersensitivitätsreaktionen unter Flurbiprofen
Allerdings ist Flurbiprofen nicht unumstritten. Bereits im Mai 2018 erinnerte die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) an das Risiko für Hypersensitivitätsreaktionen unter flurbiprofenhaltigen Rachentherapeutika. Frankreich ging in diesem Sommer sogar noch einen Schritt weiter: Lutschtabletten mit Flurbiprofen gibt es seither nur noch auf Rezept. Grund ist laut Recherche des Arzneitelegramms (deutsche medizinische Fachzeitschrift, werbefrei und somit eigenen Aussagen zufolge neutral und unabhängig von der Pharmaindustrie), dass die französische Arzneimittelbehörde ANSM potenzielle Wechselwirkungen des nichtsteroidalen Antirheumatikums (NSAR) mit Antikoagulanzien fürchtet. So erreichten ANSM dem Arzneitelgramm zufolge 49 Berichte über Nebenwirkungen, die im Verbindung mit den Lutschpastillen stehen, darunter fünf Blutungsereignisse. Diese seien hauptsächlich im Gastrointestinaltrakt und teilweise unter gleichzeitiger Einnahme oraler Antikoagulanzien wie Apixaban (Eliquis) aufgetreten.
Wechselwirkung mit Antikoagulanzien
Die deutschen Fachinformationen weisen bereits auf diese Wechselwirkungen von Flurbiprofen und anderen NSAR oder Antikoagulanzien hin: „Die gleichzeitige Anwendung von zwei oder mehr NSAR ist zu vermeiden, weil dies mit einem erhöhten Risiko für unerwünschte Wirkungen einhergehen kann (vor allem gastrointestinale Ereignisse wie zum Beispiel Geschwüre oder Blutungen).“ Außerdem heißt es: „NSAR können die Wirkungen von Antikoagulanzien, wie zum Beispiel Warfarin, verstärken“ und auch in Kombination mit Thrombozytenaggregationshemmern besteht ein erhöhtes Risiko für gastrointestinale Ulzerationen oder Blutung.
Nicht zusammen mit NSAR-Erkältungskombis
Die Autoren des Arzneitelegramms stören sich jedoch in den informierenden Texten zu Flurbiprofen an einem Nebensatz, den sie als „verharmlosend und desinformierend“ werten. Denn dieser Effekt sei „üblicherweise nicht in Zusammenhang mit der kurzzeitig begrenzten Anwendung von Arzneimitteln wie Dobendan® Direkt nachgewiesen“ worden. Dies wiege umso schwerer, als Patienten mit Halsschmerzen zusätzlich ebenfalls rezeptfreie NSAR-haltige „Erkältungsdämpfer“ wie Aspirin® Complex (ASS plus Pseudoephedrin) oder Boxagrippal® (Ibuprofen plus Pseudoephedrin) einnehmen könnten, argumentiert das Arzneitelegramm. Das Arzneitelegramm ist bekannt dafür, Erkältungskombinationen kritisch zu bewerten.
Ihr Fazit: „Angesichts weiterer unerwünschter Wirkungen einschließlich zum Teil schwerwiegend verlaufender Hypersensitivitätsreaktionen sowie häufiger Ulzerationen der Mundschleimhaut raten wir weiterhin nachdrücklich von der Verwendung flurbiprofenhaltiger Rachentherapeutika ab.“
Lieber Lidocain?
Die Experten des Arzneitelegramms empfehlen bei Halsschmerzen vorwiegend eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und das Lutschen nichtmedizinischer Bonbons. Bei starken Schmerzen könnten Patienten zur symptomatischen Linderung lidocainhaltige Lutschtabletten anwenden.
Was rät die Leitlinie bei Halsschmerzen?
Mit diesem Rat ist das Arzneitelegramm nicht konform mit den Experten der DEGAM-Leitlinie Halsschmerzen (derzeit in Überarbeitung). Generell werden lokal wirksame, synthetische Rachentherapeutika von den Leitlinien-Autoren mit Skepsis betrachtet: „Die Anwendung von Lutschtabletten, Gurgellösungen und Rachensprays mit Lokalantiseptika und/oder Lokalanästhetika oder Antibiotika wird nicht empfohlen“, steht dort. Auf lokale NSAR wie Flurbiprofen geht die Leitlinie nicht ein. Die Leitlinien-Experten bevorzugen bei Halsschmerzen die Gabe von Ibuprofen oder Paracetamol systemisch.
Allerdings muss bei systemischem Ibuprofen in jedem Fall auch an potenzielle Wechselwirkungen mit Antikoagulanzien, eine erhöhte Gefahr von Nebenwirkungen bei gleichzeitiger Einnahme mit bestimmten Erkältungskombis und die Gefahr von Magen-Darm-Ulzerationen gedacht werden.
1 Kommentar
Flurbiprofen
von Ingrid Schierle am 04.12.2019 um 7:55 Uhr
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