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Das Problem der Lieferengpässe macht auch vor onkologischen Arzneimitteln nicht Halt. Nun hat die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie erneut auf die Missstände aufmerksam gemacht. Bei ihrer Pressekonferenz am gestrigen Dienstag waren auf dem Podium auch BfArM-Präsident Karl Broich, der AMK-Vorsitzende Martin Schulz und der CDU-Abgeordnete Michael Hennrich vertreten. Eine ihrer gemeinsamen zentralen Forderungen zu besseren Bewältigung der Engpässe lautet: mehr Transparenz!
Die Politik hat das Thema Lieferengpässe mittlerweile auf der Agenda. Die Änderungsanträge zum Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG), die sich der Problematik annehmen, sind mittlerweile in der Großen Koalition abgestimmt, berichtete der CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich am gestrigen Dienstag bei einer Pressekonferenz, zu der die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO) zu Lieferengpässen in der Onkologie eingeladen hatte.
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Dass Arzneimittelengpässe seit Jahren ein Problem sind, betonte Professor Michael Hallek, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO: „Wir stellen fest, dass die Anzahl der Lieferengpässe von Arzneimitteln in den vergangenen Jahren leider zugenommen hat. Das ist völlig inakzeptabel. Dass sich Lieferengpässe nicht automatisch zu Versorgungsengpässen entwickeln, haben wir nur einer gemeinsamen Kraftanstrengung verschiedener Akteure zu verdanken.“ So habe man zum Beispiel beim Etopophos-Lieferengpass im Jahr 2016 gelernt, wie wichtig die frühzeitige Einbindung der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften und anderer betroffener Akteure ist, erklärte Hallek. „Unmittelbar nach Bekanntwerden der geplanten Kontingentierung von Etopophos haben wir gemeinsam mit der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) und dem Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) Empfehlungen erarbeitet, die die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Etopophos, bei denen aus medizinischen Gründen nicht auf das alkohollösliche Etoposid zurückgegriffen werden kann, sicherstellen konnten."
Nicht jede Apotheke soll die Lösung allein suchen müssen
Professor Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) und Geschäftsführer des DAPI, verdeutlichte die Problematik der Lieferengpässe in öffentlichen Apotheken anhand von Zahlen: Von den etwa 450 Millionen Rabattarzneimitteln in der GKV waren 2017 circa 4,7 Millionen nicht lieferfähig. 2018 waren es 9,3 Millionen. Und der Trend hält an: 7,2 Millionen nicht lieferbare Packungen waren es laut Schulz allein im ersten Halbjahr 2019. Seine wichtigste Forderung: „Transparenz, Transparenz, Transparenz“. So früh wie möglich müsse man Informationen über drohende oder bestehende Lieferengpässe haben, damit sich die Beteiligten darauf einstellen und Versorgungsengpässe vermeiden könnten. Im Jour Fixe könne man sich dann abstimmen und sich ein Bild machen, wo es noch wie viele der fraglichen Arzneimittel gibt – und welche Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Für Schulz ist zudem wichtig, dass nicht jeder Arzt und Apotheker darüber nachdenken muss, was im konkreten Problemfall zu tun ist – möglicherweise ist die Alternative, die er wählt, wenige Tage später auch schon nicht mehr lieferbar. „Wir brauchen eine zentrale Einrichtung, die Empfehlungen erarbeitet“. Schulz verwies zudem auf den Aufwand, den die Engpässe den Apothekern bereiten: „60 Prozent wenden mindestens 10 Prozent ihrer Arbeitszeit dafür auf, Lieferengpässe zu managen. Neun von zehn Apothekenleiterinnen und -leitern sagen, dass Lieferengpässe das größte Ärgernis in ihrem Arbeitsalltag sind“.
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BfArM-Präsident Broich: Behörde hat sich in der Krise bewährt
Auch Professor Karl Broich, Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), ist überzeugt, dass die Einrichtung des Jour Fixe im Jahr 2016 ein erster wichtiger Schritt hin zu mehr Transparenz und verbessertem Informationsfluss war. Er schilderte die Anfänge und die Aufgaben dieses Gremiums. Etwa die nicht ganz einfache Erarbeitung der Liste von rund 100 versorgungsrelevanten Arzneimitteln – was sie betrifft, verpflichtete sich die Industrie, Engpässe frühzeitig zu melden. Durch die gute Zusammenarbeit im Jour Fixe habe man dann besondere Problemlagen rasch identifizieren und mögliche Lösungswege für die Versorgungssicherheit der Patientinnen und Patienten anstoßen können. Broich räumt allerdings ein: Funktioniert hat es mit der freiwilligen Meldung nicht immer. Es kam auch vor, dass man erst über die Presse von relevanten Engpässen erfuhr. Wirklich bewährt habe sich der Jour Fixe dann im vergangenen Jahr in der Valsartan-Krise. Es war ein glücklicher Zufall, dass er just an diesem Tag zusammenkam, als die NDMA-Verunreinigung publik wurde. „Wir konnten uns am Tag 1 abstimmen“, so Broich. Das BfArM habe damals eine Koordinierungsrolle übernommen, die ihm gesetzlich so gar nicht zustand. Die Arzneimittelaufsicht ist schließlich Ländersache. Doch das damalige Vorgehen funktionierte gut – und wurde zur Blaupause für spätere Maßnahmen im Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung. Broich freut sich daher auch, dass das BfArM künftig noch mehr Handlungsmöglichkeiten bekommen soll. So sieht der Änderungsantrag zum GKV-FKG zur Bekämpfung von Lieferengpässen vor, den Jour Fixe als ordentliches Gremium beim BfArM gesetzlich zu verankern. Das BfArM soll nach Anhörung dieses Beirats im Falle eines drohenden oder bestehenden Engpasses „geeignete Maßnahmen“ zu dessen Abwendung oder Abmilderung treffen können. Auch die geplante Meldepflicht kann Broich nur begrüßen.
Die Forderungen der DGHO
Und was fordert nun die DGHO? Sie hat bereits 2017 die Publikation „Arzneimittelengpässe am Beispiel der Hämatologie und Onkologie“ vorgelegt – mit Beispielen und Vorschlägen für kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen, mit denen Engpässe nach Möglichkeit zukünftig vermieden, bei Unvermeidbarkeit aber zumindest ohne Gefährdung der Patienten bewältigt werden können. 2019 hat die DGHO diese Publikation nun aktualisiert und mit weiteren Beispielen unterfüttert. Professor Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der DGHO, skizzierte die Lösungsvorschläge: Auch aus DGHO-Sicht ist ein Register mit Meldepflicht das A&O. „Sonst können wir nicht arbeiten“. Daher begrüßt er die jüngst mit dem Änderungsantrag zum GKV-FKG-Entwurf auf den Weg gebrachten Maßnahmen. Zudem, so Wörmann, müsse das Management der Engpässe weiterentwickelt werden. Das funktioniere im Jour Fixe schon recht gut, hier habe man schon für einige nicht verfügbare Therapien Alternativen erarbeitet. Weiterhin müssten die unverzichtbaren, versorgungskritischen Arzneimittel geschont werden: Schon mit einer drei- bis sechsmonatigen Vorratshaltung hätten die Kliniken bei einigen wichtigen onkologischen Arzneimittel, die zuletzt von Engpässen betroffen waren, kein Problem bekommen. Zudem müsse es in den Krankenhäusern Verträge mit langfristiger Liefersicherheit geben. Der Jour Fixe hat zu diesem Thema ein Positionspapier erarbeitet, das in diesem Jahr veröffentlicht wurde. Nicht zuletzt müsse die qualitativ hochwertige Herstellung von Arzneimitteln gefördert und zuverlässig überwacht werden. Das BfArM ging 2016 davon aus, dass 90 Prozent der Lieferengpässe bei Arzneimitteln durch Qualitätsmängel in der Produktion bedingt sind. Länder oder Kontinente nennt Wörmann bewusst nicht. Qualitätsmängel könnten in allen Produktionsstätten auftreten. Engpässe gebe es auch bei Zytostatika, die zum Beispiel in Italien hergestellt werden.
1 Kommentar
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von Ruth Konrads am 28.11.2019 um 11:40 Uhr
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