Rote-Hand-Brief zu Ranitidin

Wegen NDMA: Kein Ranitidin bei Zollinger-Ellison-Syndrom

Stuttgart - 11.11.2019, 17:00 Uhr

Die exzessive Gastrin-Sekretion beim Zollinger-Ellison-Syndrom führt zu rezidivierenden Ulzerationen des Magens, Duodenums und Jejunums, sowie unbehandelt zu oberen gastrointestinalen Blutungen, Diarrhö, Steatorrhö und Refluxbeschwerden. ( r / Foto: Alex / stock.adobe.com)

Die exzessive Gastrin-Sekretion beim Zollinger-Ellison-Syndrom führt zu rezidivierenden Ulzerationen des Magens, Duodenums und Jejunums, sowie unbehandelt zu oberen gastrointestinalen Blutungen, Diarrhö, Steatorrhö und Refluxbeschwerden. ( r / Foto: Alex / stock.adobe.com)


Die mit einem Zollinger-Ellison-Syndrom einhergehende Übersekretion von Magensäure bedarf einer lebenslangen Hochdosistherapie. Ranitidin ist in dieser Indikation zwar nicht erste Wahl, ein Einsatz war bislang aber möglich. Allerdings würde mit den auf dem Markt befindlichen Präparaten von Stada und Al, die wie andere Ranitidin-Präparate mit dem Nitrosamin NDMA veruneinigt sind, die akzeptable Aufnahmemenge für NDMA derzeit überschritten werden. Deshalb soll Ranitidin von Stada und Al bis auf weiteres nicht mehr in dieser Indikation eingesetzt werden. Das geht aus einem Rote-Hand-Brief vom vergangenen Freitag hervor.

Nach dem Valsartan-Skandal vom Sommer 2018 war im September 2019 schließlich auch im Antazidum Ranitidin eine Nitrosaminverunreinigung (NDMA) nachgewiesen worden. Von der europäischen Arzneimittelbehörde EMA wird der Fall derzeit noch geprüft. Im Oktober 2019 berichtete DAZ.online darüber, dass noch nicht alle Präparate, die das Antazidum Ranitidin als Wirkstoff enthalten, vom deutschen Markt zurückgerufen wurden. Insgesamt erscheint die Rückrufsituation (auch weltweit) eher unübersichtlich. Laut der kanadischen Arzneimittelbehörde (Health Canada) gibt es aber Hinweise, dass NDMA unabhängig vom Hersteller in allen Ranitidin-Präparaten enthalten sein kann.

Mehr zum Thema

In Deutschland zeigt ein Blick auf die Rückrufliste der AMK und ein Blick in die Lauer-Taxe, dass die Aliud Pharma GmbH, die Axcount Generika GmbH und die Stadapharm GmbH bislang gar nicht von den Ranitidin-Rückrufen betroffen waren. (Aliud gehört zur Stada Gruppe, Axcount zum Bristol Laboratories Ltd. Konzern). Ein Rote-Hand-Brief vom vergangenen Freitag, der am heutigen Montag auf den Seiten des BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) veröffentlicht wurde, verrät nun aber, dass auch Stada und Aliud sich intensiv mit der Nitrosamin-Problematik in Ranitidin auseinandergesetzt haben. Und so heißt es auf dem Internetauftritt des BfArM:


„Die Zulassungsinhaber Stadapharm GmbH und Aliud Pharma GmbH informieren in Abstimmung mit den zuständigen Landesüberwachungsbehörden, den Regierungspräsidien Tübingen und Darmstadt, über eine Einschränkung der Indikation für die Arzneimittel Ranitidin AL 150 und Ranitidin AL 300 sowie Ranitidin STADA 150 mg und Ranitidin STADA 300 mg. 
Da für die lebenslange Hochdosistherapie des Zollinger-Ellison-Syndroms die akzeptable Aufnahmemenge für die Verunreinigung N-Nitrosodimethylamin (NDMA) überschritten würde, sollen diese Arzneimittel bis auf weiteres nicht mehr in dieser Indikation eingesetzt werden.“ 

Internetauftritt des BfArM


Aus toxikologischer Sicht sei gemäß Leitlinie ICH M7(R1) bei einer Therapiedauer von einem bis zehn Jahren zwar eine tägliche Aufnahme von bis zu 643 ng NDMA pro Tag noch akzeptabel, heißt es in dem Rote-Hand-Brief weiter. Dieser Wert reduziere sich aber auf 96 ng NDMA pro Tag bei lebenslanger Therapie – der Wert dürfte den meisten Apothekern aus dem Valsartan-Skandal vom Sommer 2018 bekannt sein.

Zu viel NDMA pro Tag bei lebenslanger Hochdosis-Therapie

Die Untersuchungen von Stada und Al ergeben nun laut den beiden Firmen zwar, dass der Tagesgrenzwert von NDMA, bei den üblichen Dosierungen und Anwendungszeiten, wie sie zur Behandlung von Duodenal- und Magenulzera sowie der Refluxösophagitis Anwendung finden, nicht überschritten werde. Anders sei das jedoch bei der Therapie des Zollinger-Ellison-Syndroms. Dort werden Tagesdosen von 900 mg und höher empfohlen.

Das Zollinger-Ellison-Syndrom

In der Leitlinie „Neuroendokrine Tumore“ (NET) wird auch auf das Zollinger-Ellison Syndrom eingegangen. Dort liest man, dass rund 5  bis 6 Prozent aller Magen-NET auf den Typ II entfallen, der mit einer multiplen endokrinen Neoplasie Typ 1 (MEN1) und einem Zollinger-Ellison-Syndrom (ZES) als Folge eines Gastrinoms assoziiert ist. Die bei dem Zollinger-Ellison-Syndrom zugrundeliegende Hypergastrinämie sei in der Regel verursacht durch lokoregionäre Lymphknoten- oder Lebermetastasen. Die biochemische Diagnose erfolge durch den Nachweis von erhöhten Gastrinspiegeln im Blut bei daraus resultierender verstärkter Magensäuresekretion (pH < 2).

Die exzessive Gastrin-Sekretion beim Gastrinom/Zollinger-Ellison-Syndrom führt der Leitlinie zufolge zu rezidivierenden Ulzerationen des Magens, Duodenums und Jejunums, sowie unbehandelt zu oberen gastrointestinalen Blutungen, Diarrhö, Steatorrhö und Refluxbeschwerden. Als Ziel der medikamentösen Therapie wird somit die Symptomkontrolle und die Verhinderung der genannten Komplikationen angegeben.

Medikamentöse Therapie

Therapie der ersten Wahl sind in diesem Zusammenhang somit Protonenpumpenhemmer in initial hoher Dosierung. Idealerweise werde die Dosis an der Säuresekretion titriert, was in der Praxis jedoch kaum umsetzbar sei – weshalb man sich an der Symptomkontrolle orientiert. Auch deutlich höhere Dosierungen sollen bei nicht ausreichendem Effekt erforderlich sein, häufig könne man aber auch die Dosen im Verlauf reduzieren.

Zu H2-Blockern wie Ranitidin heißt es in der Leitlinie: Sie sind effektiv, müssen aber in bis zu 10-fach höheren Dosierungen als üblich eingesetzt und alle vier bis sechs Stunden verabreicht werden.

„Unter der Annahme einer lebenslangen Therapie wird bei dieser Dosierung die akzeptable Aufnahmemenge von 96 ng NDMA pro Tag überschritten“, heißt es im Rote-Hand-Brief. Entsprechende Ranitidin-Präparate von Al und Stada sollen deshalb nicht mehr in dieser Indikation zum Einsatz kommen, auch wenn die Indikation derzeit noch in den Fach- und Gebrauchsinformation enthalten sei. Neu verpackte Chargen sollen die Indikation Zollinger-Ellison-Syndrom nicht mehr enthalten – solange die erforderlichen NDMA-Grenzwerte nicht eingehalten werden.

Mehr zum Thema

Prämedikation in der Tumortherapie

Ranitidin fehlt – oder doch nicht?

Ranitidin

Arzneistoff

Ranitidin

In den von den Unternehmen online zur Verfügung gestellten Fachinformationen ist die Indikation bereits nicht mehr enthalten. In der Lauer-Taxe findet sich aber noch das Zollinger-Ellison-Syndrom. Zur Dosierung heißt es dort: „Patienten mit sehr starker Magensäuresekretion, wie z.B. beim Zollinger-Ellison-Syndrom:

  • Zu Beginn 3 mal 150 mg täglich (entsprechend 450 mg Ranitidin/Tag). Falls erforderlich, kann die Tagesdosis auf 600-900 mg Ranitidin/Tag gesteigert werden.
  • Der Patient kann auf höhere Dosen eingestellt werden, sollte dies nach Bestimmung der Magensäuresekretion erforderlich sein (bis zu 6 g Ranitidin/Tag sind verabreicht worden).
  • Die Einnahme kann unabhängig von den Mahlzeiten erfolgen.“


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.