Interview mit BAV-Chef Hans-Peter Hubmann

„Die Apothekenreform bringt viele Vorteile mit sich“

Berlin - 03.09.2019, 07:00 Uhr

Warum ist das Apotheken-Stärkungsgesetz ein Gesetz, das den Apothekern eher helfen als schaden könnte? Diese Frage beantwortet BAV-Chef und DAV-Vize Dr. Hans-Peter Hubmann im DAZ.online-Interview. (Foto: Expopharm 2018, Schelbert)

Warum ist das Apotheken-Stärkungsgesetz ein Gesetz, das den Apothekern eher helfen als schaden könnte? Diese Frage beantwortet BAV-Chef und DAV-Vize Dr. Hans-Peter Hubmann im DAZ.online-Interview. (Foto: Expopharm 2018, Schelbert)


Es gibt keine bessere politische Alternative

DAZ.online: Zurück in die politische Realität: In diesen Tagen verhandeln BMG-Vertreter in Brüssel, ob dieser Plan, über den wir gerade sprechen, überhaupt Bestand haben könnte. Wenn die EU-Kommission die neue Boni-Regelung nicht will, könnte Spahn die Rx-Preisbindung auch im GKV-Bereich kippen. Dann würden die Apotheker tief fallen. Haben die Apotheker nicht zu viel zu verlieren, um alles auf diese Karte zu setzen?

Hubmann: Nein, nicht wir oder Herr Spahn haben viel zu verlieren, sondern das ganze System und die Versicherten. Denn dann gäbe es genau den ruinösen Wettbewerb zwischen der Vor-Ort-Apotheke und den Versendern, den wir nicht lange aushalten und der schnell zu einer gewaltigen Ausdünnung des Apothekennetzes führt. Herr Spahn will das Problem lösen – ohne Rx-Versandverbot aber mit der Gleichpreisigkeit, dies hat er auf dem Apothekertag 2018 und bei der Mitgliederversammlung erklärt. Man muss auch bedenken, dass auch in seiner Fraktion Rx-Boni ein absolutes No-go sind. Ich erlebe in meinen Gesprächen, dass das BMG hier sehr motiviert und beherzt vorgeht, um die Gleichpreisigkeit in Brüssel zu verteidigen. Außerdem möchte ich daran erinnern, dass wir keine besseren politischen Alternativen haben, wenn wir in die Zukunft blicken. Denn bei allen Regierungsbeteiligungen der Grünen und der FDP wäre ein Rx-Boni-Verbot im SGB V oder gar ein Rx-Versandverbot niemals herausgekommen.

Warum wirkt die Apothekerschaft so zerstritten?

DAZ.online: Herr Hubmann, ob man Ihre Meinung nun teilt oder nicht – in diesem Gespräch haben Sie nun zahlreiche Gründe dafür genannt, warum man den Kurs der ABDA durchaus verstehen kann. Warum ist es Ihnen und der ABDA-Kommunikation nicht gelungen, dieses Vorgehen auch der Basis verständlich zu machen? Warum wirkt die Apothekerschaft so zerstritten?

Hubmann: Weil wir natürlich wahrnehmen, dass es unterschiedliche Strömungen und Meinungen in der Apothekerschaft gibt. Und die ABDA vertritt alle Kammern und Verbände, wir können uns in der Kommunikation nicht klar gegen oder für eine Strömung aussprechen. Unsere Aufgabe ist es, die Beschlüsse der Mitgliederversammlung umzusetzen – und das tun wir. Außerdem möchte ich alle Apotheker, die uns stets so heftig kritisieren, herzlich dazu einladen, an politischen Diskussionen in Verbands- und Kammerversammlungen teilzunehmen, um die eigene Meinung einzubringen.

DAZ.online: Schon bei Ihnen in Bayern stoßen Sie mit ihrem Kurs auf Widerstand: Gesundheitsministerin Melanie Huml favorisiert noch das Rx-Versandverbot, Kammerpräsident Thomas Benkert sieht das ähnlich. Wie ist die Zusammenarbeit mit der Ministerin und Ihrem Kollegen in der Kammer?

Hubmann: Ich würde nicht von Widerstand sprechen, sondern von unterschiedlichen Meinungen, was der beste Weg zum Ziel ist. Wir sind mit der Ministerin ja nach wie vor der Meinung, dass ein Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel der beste Weg zur Wiederherstellung der Gleichpreisigkeit wäre. Die Sache ist aber doch die: Wenn der Koalitionspartner deutlich erkennen lässt, dass die Fortsetzung der Koalition auf sehr wackligen Füßen steht, verursacht der Verweis auf den Koalitionsvertrag nicht mehr den entscheidenden Druck. Daher sehe ich im aktuellen Gesetzesverfahren die gangbare Alternative, die Gleichpreisigkeit möglichst weitgehend wiederherzustellen. Folgerichtig will ja Bayern ganz im Sinne unserer Stellungnahme auch gegen die Streichung des AMG-Satzes votieren. Mindestens ebenso wichtig ist die von Bayern angekündigte Ablehnung der Ausnahmeregelungen bei Abgabeautomaten für die Versender. Auch hier befinden wir uns im absoluten Gleichklang. Und für meinen Kollegen Thomas Benkert gilt: Man kann auch mal unterschiedlicher Auffassung über den richtigen Weg sein, das gehört dazu.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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6 Kommentare

Verträge mit der PKV - eine Schnapsidee

von Dirk Krüger am 04.09.2019 um 13:50 Uhr

Will uns Dr. Hubmann für dumm verkaufen ? Oder durchblickt er die einfachsten Zusammenhänge nicht?
Zitat:
"Laut der Sammelverordnung, die der Bundesrat demnächst beschließen kann, können Apotheker im PKV-Bereich künftig immer ein günstiges Präparat auswählen. Die Privat-Versicherungen sparen so insgesamt mehr als durch Rx-Boni bei EU-Versendern."
Und die Versender wählen dann kein günstigeres Präparat aus? Und sie gewähren dann keine Boni mehr? Hallo???
Glaubt der BAV-Chef wirklich, dass damit die Werbung der Versender mit Rx-Boni vom Tisch ist ? Der Aufschlag ( nicht Beratungshonorar !!! ) nach AmPrVo ist größtenteils fix. Da kann man doch immer noch mit Boni locken, egal wie bollig das Präparat ist!
Meine Güte, wie blauäugig muss man sein, um zu glauben, damit die Abwanderung der Privatrezepte an die Versender mit diesem Instrument zu stoppen? Das ist doch wieder eine Blendgranate für die ach so dummen Apotheker an der Basis.

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Wortreiches Ablenkungsmanöver vom ABDA-Versagen zur Unzeit

von Dirk Krüger am 04.09.2019 um 13:25 Uhr

Einen Tag nach dem DAZ-Bericht über die klare Positionierung der bayerischen Gesundheitsministerin zum Rx-VV kommt ausgerechnet vom Vorsitzenden des Bayerischen Apothekerverbandes die wiederholte Botschaft, die Apotheker könnten mit dem Gesetzentwurf hochzufrieden sein und bräuchten das Rx-VV gar nicht. Im Gegensatz zur so genannten "Berufsvertretung der Apotheker" vertritt eine standhafte Politikerin die Interessen der Apothekeninhaber ( und damit diejenigen der auf wohnortnahe Versorgung angewiesenen Menschen ! ) und wird vom Vorsitzenden des Apothekerverbandes ihres eigenen Bundeslandes am Tage der Beratungen im Bundesrat gemeuchelt. Ich bin fassungslos!

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Büchse der Pandora!

von Uwe Hansmann am 03.09.2019 um 18:41 Uhr

Lieber Hans-Peter,

ich habe mir das Interview jetzt mehrfach durchgelesen und kann sicher der Argumentation aus DAV-Sicht folgen, so man denn davon ausgeht, daß die Politik tatsächlich so reagiert, wie von Dir postuliert.

Gleichzeitig erinnere ich mich noch an den Apothekertag in Düsseldorf vor 2 Jahren und Deine dortigen Äusserungen. "Du kannst davon ausgehen, daß wir keinen Zentimeter beim Rx-VV nachgeben werden".

Bekanntlich stirbt ja die Hoffnung zuletzt.

Also: Ich wünsche und hoffe, daß Du, der LAV Bayern, der DAV, die BAK, die ABDA, Eure Frau Ministerin Huml maximal unterstützt.

Und auch wenn du anderer Meinung als Dein Kammerchef Thomas Benckert sein solltest - hier müssen Kammer und Verband, DAV und ABDA, mit einer, harten und klaren Ansprache gemeinsam agieren. Du solltest Dich hier nochmals prüfen.

Ein RxVV unter Ausklammerung der PKV ist der Dosenöffner für die Büchse der Pandora!

Hier muß der Deckel draufbleiben!

Mit den besten Grüßen aus dem Nachtdienst.

Uwe Hansmann

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Aber Herr Hubmann?!

von Heiko Barz am 03.09.2019 um 14:33 Uhr

Herr Hubmann, die meisten EU Staaten haben ein RXVV, dort gibt es eine derartige Diskussion, wie von Ihnen angeregt, gar nicht. Warum wir nun den Holländern dermaßen in den A:::: kriechen, bleibt uns „niederen“ Apothekern unerklärlich. Auch wenn Sie das nicht verstehen wollen, es gibt nur ein einziges Sicherheitspotenzial, auch in Bezug auf die Infiltration von AM-Fälschungen, das heißt : RXVV.
Den „Oberhänslis“ geht es ausschließlich um die Marktbeherrschung der Arzneimittel, und jeder, der das mitverantwortet und das sind in diesem Fall auch Sie, Herr Hubmann, darf sich nicht für die Gesamtheit der Apothekerschaft in Verantwortung begeben.
Was für TIERE normal ist — ein RXVV —, das ist auch zwingend notwendig für die Deutsche Patientenschaft im GKV wie im PKV Bereich.
Solange den Abgeordneten im Bundestag die fatale Situation der seit 15 Jahren unverändert festgelegten und dermaßen aufwertungsbedürftigen „Beratungspauschale“ nicht verständlich gemacht werden kann, und das bei deren jährlich steigenden und überdimensionierten *Aufwandsentschädigungen*, kann eine faire Bestandsaufnahme für einen akademischen Hochleistungsberuf, wie den der Apotheker gar nicht stattfinden.
Alles Gerede um zusätzlich künftigeVergütungssysteme, wie auch immer diese zustande kommen könnten, bleiben in diffusen und konjunktivischen Verneblungen und die sind Ihrer Vorstellung nach, Herr Hubmann, möglicherweise geschickt platziert, aber Gott sei dank für die meisten von uns doch zu durchsichtig vorgetragen.
Das ist alles sehr bedauerlich für den DAV!

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von Anita Peter am 03.09.2019 um 11:01 Uhr

Zufrieden lehnte sich der Schüler mit seiner 5 zurück. Schliesslich stand ja er auf einer 6. Und da ist eine 5 doch viel besser.

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Apothekenreform

von Roland Mückschel am 03.09.2019 um 10:16 Uhr

Das hört sich ja alles positiv und plausibel an.
Aber ich traue der Politik nicht. Und nicht nur der.

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