Beratungsquickie

Reaktionen auf Nahrungsmittel: Allergie oder Intoleranz?

Bonn - 16.08.2019, 09:00 Uhr

Durch Nahrungsmittel ausgelöste Beschwerden können an den unterschiedlichsten Organsystemen lokalisiert sein. Am häufigsten kommt es zu allgemeinen Verdauungsbeschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung und Unwohlsein. (c / Foto: ladysuzi / stock.adobe.com)

Durch Nahrungsmittel ausgelöste Beschwerden können an den unterschiedlichsten Organsystemen lokalisiert sein. Am häufigsten kommt es zu allgemeinen Verdauungsbeschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung und Unwohlsein. (c / Foto: ladysuzi / stock.adobe.com)


Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder auch Nahrungsmittelintoleranz sind Sammelbegriffe für verschiedene, nicht-allergisch bedingte Reaktionen auf Nahrungsmittel. Im Gegensatz zu einer Nahrungsmittelallergie ist eine Intoleranz nicht lebensbedrohlich. In den nächsten fünf Beratungsquickies auf DAZ.online finden Sie das Wichtigste zu den häufigsten Intoleranzen – wie gegen Lactose, Fructose, Gluten oder Histamin. Im ersten Teil der Serie geht es zunächst vor allem um die Allergien.

Die beiden synonym verwendeten Begriffe „Nahrungsmittelintoleranz“ und „Nahrungsmittelunver­träglichkeit“ sind Oberbegriffe für verschiedene, durch Nahrungsmittel ausgelöste Beschwerden. Diese können an den unterschiedlichsten Organsystemen lokalisiert sein. Am häufigsten kommt es zu allgemeinen Verdauungsbeschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung und Unwohlsein. Nahrungsmittelunverträglichkeiten können toxisch, enzymatisch, „pseudoallergisch“ oder allergisch-immunologisch bedingt sein und auf vielfältige Weise in Erscheinung treten. Wenn Symptome durch toxi­sche Stoffe ausgelöst werden, die sich beispielsweise in verdorbenen Nahrungsmitteln oder giftigen Pilzen befinden, handelt es sich um eine Lebensmittelvergiftung.

Bildquelle: Frohn, Rezeptfrei, DAV

Nahrungsmittelintoleranz

Die häufigste Form der nicht-immunologisch bedingten Nahrungsmittelreaktionen ist die Nahrungsmittelintoleranz, die durch Vorgänge, wie Enzymdefekte oder Malabsorptionen hervorgerufen wird. Rein pharmakologische Reaktionen, bei denen das Immunsystem vorher nicht sensibilisiert wurde, werden als Pseudoallergien bezeichnet. Hier aktivieren Stoffe aus der Nahrung, konzen­trationsabhängig und direkt, bestimmte Immunzellen, sodass eine allergische Sofortreaktion mit Nesselsucht, Angioödem (akute, schmerzlose Hautschwellung) und Ana­phylaxie eintritt.

Einige schwerverdauliche Nahrungsmittel wie Hülsenfrüchte oder Zwie­beln­, Lauch­ und Kohlsorten verursachen bei einem Großteil der Bevölkerung Beschwerden wie Blähungen, Bauchschmerzen, Völlegefühl bis hin zu Durchfall. Hierbei handelt es sich aber nicht um tatsächliche Nahrungsmittelunverträglichkeiten.

Nahrungsmittelallergien: Ursachen und Symptome

Die Nahrungsmittelallergie ist eine besondere Form der Nahrungsmittelunverträglichkeit. Von einer Nahrungsmittelallergie spricht man, wenn die Reaktionen auf Nahrungsmittel immu­nologisch bedingt sind. Nur circa 3 bis 4 Prozent der Bevölkerung leiden an einer Nahrungsmittelallergie, wobei Kinder häufiger betroffen sind als Erwachsene. Die Liste an potenziell allergenen Lebensmitteln ist lang: Soja, Kuhmilch, Nüsse, Hühner­eiweiß, Fisch sowie Krebs­ und Schalentiere, Johannisbrot­kernmehl, viele Obst-­ und Gemüsesorten wie Äpfel, Bananen, Kiwis, Erdbeeren, Tomaten und Gurken.

Bei Lebensmitteln sind Allergeninformationen verpflichtend, die 14 am häufigsten Lebensmittelallergien auslösenden Lebensmittel müssen immer gekennzeichnet werden.

Die „Allergenen 14“

Im Zutatenverzeichnis des entsprechenden Lebensmittels müssen die „Allergenen 14“ durch einen speziellen Schriftsatz hervorgehoben werden, beispielsweise durch Fettdruck oder Unterstreichung.

  • Glutenhaltige Getreide: namentlich Weizen (wie Dinkel und Khorasan-Weizen), Roggen, Gerste, Hafer oder deren Hybridstämme
  • Krebstiere: Krebse, Garnelen, Krabben, Hummer et cetera
  • Eier
  • Fisch
  • Erdnüsse
  • Soja
  • Milch (einschließlich Lactose)
  • Schalenfrüchte: namentlich Mandeln, Haselnüsse, Walnüsse, Cashewnüsse, Pecannüsse, Paranüsse, Pistazien, Macadamianüsse, Queenslandnüsse
  • Sellerie
  • Senf
  • Sesamsamen
  • Schwefeldioxid und Sulfite (ab 10 mg pro kg oder l)
  • Süßlupinen
  • Weichtiere (zum Beispiel Schnecken, Muscheln, Tintenfisch et cetera) 

Quelle: Bundeszentrum für Ernährung 

Auslöser und Ursachen

In den ersten Lebensjahren bilden sich Allergien auf Hühnereiweiß und Kuhmilch häufig zurück, während Lebensmittel, wie Erdnüsse oder Fisch, meist lebenslang allergische Reaktionen auslösen.

Im Normalfall handelt es sich um eine durch IgE-Anti­körper vermittelte Reaktion vom Soforttyp (Typ­ I­ Aller­gie). Beim (Erst­)Kontakt findet hierbei die Bildung spezifi­scher IgE-­Antikörper statt, wenn der Körper das Allergen (Antigen) fälschlicherweise als schädigenden Stoff identifi­ziert (Sensibilisierung). Diese Antikörper binden an Basophile und Mastzellen. Bei jedem weiteren Allergenkontakt kommt es nach der Bindung des Antigens an den IgE­-Anti­körper zur Degranulierung von Zellen und der Ausschüt­tung großer Mengen an Histamin, Leukotrienen und Prosta­glandinen. Innerhalb von Sekunden bis Minuten manifestie­ren sich körperliche Symptome wie Nesselsucht, Juckreiz, Kopfschmerzen, Rhinokonjunktivitis, Asthma, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen. Auch Beschwerden im Mund­- und Rachenraum wie Schwellungen und Kribbeln sind typisch.

Pollenallergiker entwickeln häufig Kreuzreaktionen auf Lebensmittel. In diesem Fall spricht man von pollenassozi­ierter Nahrungsmittelallergie.

Bei starker Symptomatik kann auch eine Anaphylaxie auftreten, also eine akute systemische Reaktion mit Symptomen einer allergischen Sofortreaktion, die den ganzen Organismus erfassen kann und potenziell lebensbedrohlich ist.

Therapiemöglichkeiten

Die wichtigste Maßnahme bei einer Nahrungsmittelallergie ist, das Allergen strikt zu meiden. Nach versehentlicher Allergenaufnahme hängt das Vorgehen stark von der Symp­tomatik ab. Bei leichteren Beschwerden wie Kribbeln, Juck­reiz oder leichter Nesselsucht kann in der Selbstmedikation ein H1-Antihistaminikum (Cetirizin, Loratadin, Dimetinden) eingesetzt werden.

Anaphylaxie

In der Leitlinie zu Akuttherapie und Management der Anaphylaxie (derzeit in Überarbeitung) wird als Notfallset bei Anaphylaxie ein Autoinjektor mit Adrenalin zur intramuskulären Applikation (gewichtsadaptiert) empfohlen. Ein H1-Antihistaminikum sowie ein Glucocorticoid sollten bei prädisponierten Patienten ebenfalls Bestandteil des Notfallsets sein. Neben Schulungsmaßnahmen gibt es zur sicheren Vermeidung der Nahrungsmittelallergene auch Beratungstipps aus der Apotheke.

Links

  • www.fet-ev.eu – Homepage der Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention mit Tipps zur Ernährungsumstellung
  • www.bzfe.de – Bundeszentrum für Ernährung
  • www.ugb.de – Homepage des Verbands für Unabhängige Gesundheitsberatung
  • www.blsdb.de – Bundeslebensmittelschlüssel, kostenpflichtig; eine nationale Datenbank für den Nährstoffgehalt von Lebensmitteln
  • www.dzg-online.de – Webseite der „Deutsche Zöliakie Gesellschaft www.histaminintoleranz.ch – Informationsplattform mit umfassender Wissenssammlung der Schweizerischen Interessengemeinschaft Histamin-Intoleranz

Im zweiten Teil der Serie geht es um die Lactose-Intoleranz.



Lars Peter Frohn, Apotheker, Autor DAZ.online
radaktion@daz.online


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1 Kommentar

Nahrungsmittelintoleranz

von Dr. Detlef Eichberg am 16.08.2019 um 19:38 Uhr

Meine Mama, sowohl als auch die Mütter meiner Kumpel und Kumpelinen, hatten Anfang der 1950er Jahre eine Nahrungsmittel-Unverträglichkeits-Intoleranz. Da wurde gegessen, was auf den Tisch kam. Ich hab´s überlebt. Bis ich eines Tages von Lactose-Unverträglichkeit hörte. Erst seitdem ich davon habe munkeln hören, vertrage ich Rohmilchprodukte nicht mehr so gut. Wenn ich gute Gesellschaft habe, dann kann ich Nachtisch mit Lactose satt essen. Erst auf dem Heimweg steigt dann das Fragezeichen auf "da war doch Lactose drin". Und jetzt habe ich den täglichen Kampf auszufechten, den Patienten Vertrauen zu übermitteln, dass die paar Krümel Laktose in der Rabattvertrags-Medikation bei dem Verteilungsvolumen 8 Liter Blut plus Knochen, Gewebe etc. nicht wirklich zu Buche schagen müssen.

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