Studie aus Schottland

HPV-Impfung wirkt – je früher, desto besser

Edinburgh / Stuttgart - 22.04.2019, 08:00 Uhr

Immer mehr Studien weisen die Effektivität einer HPV-Impfung zum Schutz vor zervikalen intraepithelialen Neoplasien (CIN) und Gebärmutterhalskrebs nach. Ein frühes Impfalter scheint sich positiv auf die Impfwirksamkeit von Gardasil oder Cervarix auszuwirken. (s / Foto: imago)

Immer mehr Studien weisen die Effektivität einer HPV-Impfung zum Schutz vor zervikalen intraepithelialen Neoplasien (CIN) und Gebärmutterhalskrebs nach. Ein frühes Impfalter scheint sich positiv auf die Impfwirksamkeit von Gardasil oder Cervarix auszuwirken. (s / Foto: imago)


Die routinemäßige Impfung gegen Humane Papillomaviren verringert die Gefahr für Gebärmutterhalskrebs und für andere Erkrankungen der Zervix. Das zeigt eine Studie an 138.692 Frauen in Schottland, die jüngst im British Medical Journal veröffentlicht wurde. Zervikale intraepitheliale Neoplasien (CIN) reduzierten sich bei HPV-geimpften Mädchen um 89 Prozent im Vergleich zu Ungeimpften. Die Wissenschaftler sprechen von einer „virtuellen Ausrottung“ von HPV 16 und 18 – doch verlagert sich die Krankheitslast dann auf andere HPV-Subtypen?

Für die Entdeckung, dass bestimmte Typen der Humanen Papillomaviren (HPV) an der Entstehung von Zervixkarzinomen beteiligt sind, erhielt Professor Dr. med. Harald zur Hausen 2008 den Nobelpreis für Medizin. Weltweit erkrankten 2018 laut der International Agency for Research on Cancer 569.847 Frauen an einem Zervixkarzinom. Es ist nach Brust, Kolorektal- und Lungenkazinom die vierthäufigste Krebsart bei Frauen.

Präinvasive Zervixerkrankungen drastisch reduziert

Seit 2006 gibt es mit Gardasil® (MSD Vaccins) und Silgard® (Merck Sharp & Dohme) in Deutschland eine Impfung gegen HPV, Cervarix® (GlaxoSmithKline) folgte 2007 und 2015 schließlich Gardasil® 9 (MSD Vaccins). Eine große retrospektive Bevölkerungsstudie, die die Daten von 138.692 Frauen in Schottland analysierte, bestätigt nun den Nutzen des HPV-Schutzes: „Die routinemäßige Impfung von Mädchen im Alter von zwölf bis 13 Jahren mit dem bivalenten HPV-Impfstoff in Schottland hat zu einer drastischen Verringerung der präinvasiven Zervixerkrankung geführt“, lautet das Fazit der Studienautoren. Sie publizierten die Ergebnisse ihrer Studie „Prevalence of cervical disease at age 20 after immunisation with bivalent HPV vaccine at age 12-13 in Scotland: retrospective population study“ jüngst im British Medical Journal (BMJ).

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Die retrospektive Bevölkerungsstudie analysierte die Daten von 138.692 Frauen, die zwischen dem 1. Januar 1988 und dem 5. Juni 1996 geboren und von denen Abstriche im Alter von 20 Jahren gemacht wurden. Es gab drei Gruppen:

  • Jahrgang 1988 und 1989 – keine HPV-Impfung
  • Jahrgang 1990 bis 1994 – bivalente HPV-Impfung im Rahmen des Aufholprogrammes im Alter 14 bis 17 Jahren
  • Jahrgang 1995 und 1996 – routinemäßige bivalente HPV-Impfung im Alter von zwölf und 13 Jahren

HPV-Hochrisiko-Subtypen 16 und 18

Schottland führte 2008 ein nationales Impfprogramm mit einem bivalenten HPV-Impfstoff (Cervarix®) zum Schutz vor den Humanen Papillomaviren 16 und 18 ein. Der bivalente Impfstoff wurde bis 2012 verwendet – somit sind die zwölf- bis 17-jährigen Mädchen der schottischen Studie mit der bivalenten Vakzine immunisiert worden. Laut Angaben von „NHS inform“, dem schottischen Gesundheitsinformationsdienst, impfen Ärzte heute jedoch routinemäßig mit dem tetravalenten Impfstoff Gardasil®. Dieser schützt vor den beiden Hochrisiko HPV-Subtypen 16 und 18 (laut NHS inform verantwortlich für 75 Prozent der Fälle von Gebärmutterhalskrebs) und zusätzlich vor den Niedrigrisiko-Subtypen 6 und 11 (laut NHS inform verantwortlich für 90 Prozent der Fälle von Genitalwarzen). 

Frühe HPV-Impfung schützt besser

Je jünger die Mädchen bei der HPV-Impfung waren, desto geringer waren die zervikalen intraepithelialen Neoplasien (CIN), die im Abstrich, der im Alter von 20 Jahren gemacht wurde, gefunden wurden. Bei Mädchen, die im Alter von zwölf oder 13 Jahren HPV-geimpft wurden, reduzierten sich Neoplasien (CIN 3) um 89 Prozent (Prävalenz 0,06 Prozent) im Vergleich zu ungeimpften Frauen (Prävalenz 0,59 Prozent).

CIN - was ist das?

Der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) gibt auf seiner Homepage einen Überblick über die einzelnen Stufen von zervikalen intraepithelialen Neoplasien (CIN). CIN beschreibt Veränderungen des Gebärmutterhalses, die allerdings auf die Schleimhaut begrenzt sind und nicht auf tiefer liegende Gewebeschichten übergegriffen haben. Zu den CIN zählen leichte (CIN 1) bis mittelschwere (CIN 2) Veränderungen, die als Krebsvorstufe gelten, und oberflächliche Karzinome, die nicht über die Schleimhaut hinaus vorgedrungen sind – sogenannte In-situ-Karzinome.

CIN 1: leichte Zellveränderungen, bilden sich bei 50 Prozent der Frauen allein zurück; frühe, aber kontrollbedürftige Befunde

CIN 2: mittelschwere Zellveränderungen, spontane Heilungen sind möglich, aber seltener (etwa ein Drittel der Frauen)

CIN 3: weit fortgeschrittene Zellveränderungen, fortgeschrittene Krebsvorstufen mit Übergang zum Karzinom, wobei die veränderten Zellen noch auf die oberen Gewebeschichten begrenzt sind; meist raten Ärzte zur Entfernung des betroffenen Gewebes, da das Risiko für invasiven Gebärmutterhalskrebs hoch ist

Den Ergebnissen der Studie zufolge erhöht sich die Impfwirksamkeit mit einem frühen Impfalter. Mädchen, die mit 17 Jahren HPV-geimpft wurden, zeigten eine Impfeffektivität von 51 Prozent, Mädchen, die im Alter von zwölf oder 13 Jahren geimpft wurden, wiesen eine deutliche höhere Impfeffektivität von 86 Prozent auf.

Dass eine HPV-Impfung effektiv ist, zeigt auch eine Cochrane-Analyse von 2018. Die Cochrane-Autoren fanden ebenfalls eine altersabhängige Wirksamkeit, vor allem 15- bis 26-Jährige profitierten von der HPV-Impfung.

Herdenimmunität durch HPV-Impfung

Die Studienautoren fanden auch positive Effekte im Sinne der Herdenimmunität. Sie verglichen hierfür die Krankheitsraten unter anderem von Ungeimpften der Geburtsjahrgänge 1995 und 1996 mit dem ungeimpften Kollektiv aus den Geburtsjahrgängen 1989 und 1990. „Nicht geimpfte Frauen zeigten auch eine Verringerung der Krankheit", erklären die Wissenschaftler. Diese Daten stünden im Einklang mit der reduzierten Prävalenz von Hochrisiko-HPV-Subtypen in Schottland. Die Autoren sprechen in ihrer Publikation von einer „virtuellen Ausrottung der Infektionen, die mit den HPV-Typen 16 und 18" assoziiert sind. Einen „shift“ hin zu anderen HPV-Subtypen habe man darüber hinaus bislang nicht beobachtet.

Die Studienautoren geben als Limitation der Studie an, dass das Screening im Alter von 20 Jahren bei den Ungeimpften nur bei 23 Prozent lag, bei den voll geimpften Frauen im Alter von 20 oder 21 Jahren lag es bei 51 Prozent. Dies könnte zu einer Überschätzung der Impfeffektivität führen.

HPV-Impfempfehlung für Mädchen und Jungen

In Deutschland sind mehrere Impfstoffe zum Schutz vor HP-Viren auf dem Markt. Eine Impfung gegen alle HPV-Typen existiert nicht – was bei mittlerweile etwa 170 Virustypen auch unmöglich wäre. Derzeit schützt Cervarix® (GlaxoSmithKline) gegen die Subtypen 16 und 18, Gardasil® (MSD; nur noch Importe in Deutschland verfügbar) und Silgard® (MSD; nur noch Importe in Deutschland verfügbar) immunisieren zusätzlich gegen die Virustypen 6 und 11. Am umfassendsten ist die seit 2015 verfügbare Impfung Gardasil® 9, der neunfache HPV-Impfstoff schützt vor den Typen 6, 11, 16, 18, 31, 33, 45, 52, 58.

Humane Papillomaviren zählen zu den sexuell am häufigsten übertragenen Infektionen. Das Robert Koch Institut (RKI) schätzt, dass sich sexuell aktive Menschen mindestens einmal im Leben mit HP-Viren anstecken. Papillomaviren infizieren Haut und Schleimhäute und können dort – je nach Subtyp – zu einer ungefährlichen Warzenbildung (Niedrigrisiko-Typen) führen oder auch maligne Veränderungen hervorrufen (Hochrisiko-Typen). Insbesondere die Virussubtypen 16 und 18 stehen im Zusammenhang mit der Pathogenese anogenitaler Tumoren. Bei Zervixkarzinomen lassen sich in nahezu 100 Prozent der Fälle Infektionen mit HPV- Hochrisiko-Typen nachweisen. Die bekanntesten Niedrigrisiko-Typen sind HPV 6 und HPV 11 – sie infizieren vorrangig Geschlechtsorgane und After und lösen dort gutartige Genitalwarzen, sogenannte Feigwaren (Kondylome) aus.

Impfempfehlung von neun bis 14 Jahren

Bis vor kurzem zielte die Standardimpfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am RKI lediglich auf Mädchen ab. Das hat sich 2018 geändert. In ihrem Epidemiologischen Bulletin 26/2018 empfahl die STIKO im Juni 2018 die Impfung gegen HPV auch für Jungen im Alter von neun bis 14 Jahren. Diese Empfehlung gilt seit Veröffentlichung im Epidemiologischen Bulletin 34/2018. Daraufhin änderte der G-BA im September 2018 die Schutzimpfungs-Richtlinie. Der Beschluss zur Änderung der Schutzimpfungs-Richtlinie trat nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 29. November 2018 in Kraft. Seither gilt ein Schutz vor einer HPV-Infektion als Standardimpfung für alle Personen im Alter von neun bis 14 Jahren. 

Die Zulassung der in Deutschland verfügbaren HPV-Impfstoffe umfasst „Personen ab einem Alter von neun Jahren“. Somit können männliche Jugendliche, analog den Mädchen, mit allen verfügbaren Vakzinen geimpft werden.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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