FAZ zum Versandhandelskonflikt

Schmidt vs. Müller: Traditionalist gegen den Neuen

Berlin - 10.01.2019, 10:20 Uhr

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt auf Seite 3 der FAZ: In dem Artikel werden die Apotheker als Traditionalisten bezeichnet. (m / Foto: DAZ.online)

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt auf Seite 3 der FAZ: In dem Artikel werden die Apotheker als Traditionalisten bezeichnet. (m / Foto: DAZ.online)


Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hat sich in einem ausführlichen Beitrag mit dem Versandhandelskonflikt beschäftigt. En Detail schildert FAZ-Redakteur Kim Björn Becker die Zeit nach dem EuGH-Urteil. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und DocMorris-Vorstandsmitglied Max Müller werden in dem Beitrag als Sinnbilder für die Bewegung gezeichnet, für die sie stehen: Auf der einen Seite die „Traditionalisten“, auf der anderen „die Neuen“.

In der Literaturwissenschaft gibt es ein Stilmittel, das als „Pars pro toto“ (dt.: Ein Teil steht für das Ganze) bezeichnet wird. Autoren benutzen diese rhetorische Figur, um mit einem bestimmten Einzelteil das dazugehörige Ganze zu beschreiben. In dem fast einseitigen FAZ-Artikel über den Kampf zwischen der Apothekerschaft und DocMorris wird genau diese Technik angewendet: ABDA-Präsident Friedemann Schmidt steht in seiner analogen, alten Seume-Apotheke in Leipzig, die keine Flatscreens hat, während DocMorris-Vorstand Max Müller in einem neuartigen Bürogebäude in Heerlen über riesige computergesteuerte Lagerhallen sinniert.

Schmidt und die ABDA haben der FAZ einen selten intimen Einblick in die Leipziger Offizin des ABDA-Präsidenten gewährt. Ob sich das für die ABDA gelohnt hat, ist fraglich. Denn auf Seite 3 in der FAZ stehen nun Sätze wie: „Die Regale rund um den Verkaufstresen gehören noch zur Erstausstattung, viel dunkles Holz, eine Apotheke aus dem Bilderbuch. Schmidt hätte die Regale austauschen können. Flachbildschirme einbauen und anderes modernes Zeug, aber das hat er nicht. Sollen die anderen doch mit der Zeit gehen. (…) Schmidt dreht sich lieber um, geht ins Nebenzimmer und zieht eine dieser endlos langen Schubladen aus der Wand.“ Dass diese Art der Apothekengestaltung Schmidts persönliche Entscheidung ist und viele Apotheker schon digitalisierte Warenwirtschaften haben – das wird im FAZ-Beitrag nicht erwähnt.

» PDF (Foto: DAZ.online)

Schmidt: Ausprobieren ist den Apothekern völlig fremd

Das Bild des ewig gestrigen Apothekers wird weiter ausgeführt – auch, wenn es um den Versandhandelskonflikt geht: „Wenn man die Versender nicht stoppt, da waren sich die Traditionalisten einig, dann ist das der Tod vieler Apotheken (…)“, heißt es. Und mit Blick auf das rasante DocMorris-Wachstum schreibt FAZ-Redakteur Becker: „Es trifft die Branche auch so sehr, weil der Beruf von seiner Tradition zehrt, und die halten viele Ältere eisern hoch. Teil dieser Tradition ist das Bild des Apothekers als sorgfältig arbeitender Heilkundler, das veträgt sich schwer mit der Automatisierung (…).“ Letztlich ist es ABDA-Präsident Friedemann Schmidt selbst, der genau dieses Bild mit einem Zitat selbst vollendet: „Und wenn dann jemand sagt, wir probieren jetzt mal was, dann ist das dem Apotheker vollkommen fremd.“

Als personalisiertes Gegenbild der etablierten Apothekerschaft dient Max Müller. Der „Cheflobbyist“ von DocMorris wird in der FAZ unter anderem so beschrieben: „Max Müller sitzt in einem gläsernen Besprechungszimmer im dritten Stock, dunkler Rollkragenpullover, dunkler Anzug, und scherzt. Die deutschen Apotheker hätten sogar schon einmal Leute hergeschickt, die nachmessen sollten, ob das Gelände nicht doch auf deutscher Seite sei (…). Sehr eindrucksvoll ist natürlich auch das Bild von Müller am PR-Stand von DocMorris am Rande des CDU-Parteitages, wo er mit Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) und Michael Grosse-Böhmer (CDU), stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union, über seine Sicht auf das Rx-Versandverbot sprach. Übrigens: Die ABDA betreibt schon lange keine PR-Stände mehr auf Parteitagen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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7 Kommentare

Gewichtung beachten

von Reinhard Rodiger am 10.01.2019 um 22:50 Uhr

So pointiert wie die DAZ es darstellt kam es im Kontext des Artikels nicht. Sicher , es ist eine Darstellung von Berufsqualitäten benannt worden, die aber auch positiv formuliert werden können.Einhalten von sinnvollen Regeln ist notwendig und das Übertreten eben nicht. Im Gegenteil, es muss geahndet werden wollen.Das ist bei den Holländern nicht der Fall.Darüber und über die Verhältnisse von Fachaufsicht zu angelernten Kräften wäre zu reden.Das fokussiert das Thema auf arbeitsdruckbedingte Fehlerquoten , die anderen fehlerhaften bei unzureichend kontrollierter Automatisierung etc. Ich bin mir nicht sicher, ob das angesprochen wurde. vermutlich nicht.Das weist auf Defizite,die aufzuarbeiten wohl nur durch einen solchen Artikel möglich wird. Das gilt auch für die häufig unplausiblen Äusserungen zu Geschäftsergebnissen
und dem "mehr Geld für Apotheken". Ich weiss nicht, ob es nur an der selektiven Sicht der FAZ liegt oder an unprofessioneller
Kommunikation oder Kontrolle.
Wir haben hier ein ziemlich komplettes Bild der Kommunikationsschwäche unserer Vertretung und trotzdem einige Punkte, die so nicht oft zu lesen waren. Es wurde deutlich gesagt, dass ausländische VERSENDER Rabatte geben dürfen, deutsche APOTHEKER! nicht.Auch die Verbindung von Spahn zu Müller wird angesprochen.
Nur einige Ansatzpunkte.
Auf mich wirkt das ganze als Vorlage für eine strukturell zu verbessernde und offensivere PR-Arbeit. Da kann sich keiner drücken, schon gar nicht die Führung.
Hinzu kommt die Klärung der Frage, wer uns überhaupt noch wirksam vertreten kann und will ?

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Es tut mir leid ...

von Thorsten Dunckel am 10.01.2019 um 21:17 Uhr

... aber dieser (Friede-)Mann ist untragbar als "erster Apotheker". Wie er da in seiner "Bude" mit Handklingelchen abgebildet ist, ist beste Satire.
Will der uns verarschen?!?!?

Dieser "Saustall" ABDA, entschuldigung, aber anders kann man diesen Haufen nach solchen Berichterstattungen ja wohl nicht mehr nennen gehört umgehend aufgelöst.
Lasst endlich Profis ran, ansteller dieser Kader-Typen. Unerträglich!!!

Warum wird hier von Schmidt nicht das Bild des modernen Apothekers in seiner mittlerweile durchdigitalisierten Apotheke gezeigt. Moderne Warenwirtschaftssysteme, Automatisierung, Datenbanken, "VPN-Vertunnelung" in alle Richtungen ... das, verbunden mit der Empathie gegenüber unseren Kunden im HV ist doch mittlerweile das Bild des "normalen" Apothekers in Deutschland.

Trotzdem werden wir von dieser Pappnase am Nasenring vorgeführt.
Hat Spahn dem einen Posten bei DocMo versprochen?

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@Dr. Schabick: komplettes Zitat aus dem Beitrag der FAZ

von Andreas Gruenebaum am 10.01.2019 um 19:58 Uhr

Der von Ihnen in Zweifel gezogene Satz wurde im Zusammenhang wie folgt im Beitrag der FAZ zitiert: „Schon im Studium, sagt Schmidt, werde den Pharmazeuten Demut vor den Stoffen beigebracht, das sorgfältige Arbeiten entlang klarer Regeln sei „die Grundlage unserer Existenz“, sagt er. „Und wenn dann jemand sagt, wir probieren jetzt mal was, dann ist das dem Apotheker vollkommen fremd.““

„Demut vor den Stoffen“ und das „sorgfältige Arbeiten entlang klarer Regeln“ als „Grundlage unserer Existenz“? Das passt zumindest ins Bild des im vor-vorherigen Jahrhundert gefangenen Apothekers, der nicht in der Lage ist die Zeichen der Zeit zu verstehen und die eingetretenen Pfade zu verlassen. Ist so jemand wirklich in der Lage, unseren Berufsstand als „Chef-Lobbyist“ zu vertreten?

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AW: @Dr. Schabick und eine andere Sicht

von Reinhard Rodiger am 10.01.2019 um 22:15 Uhr

Das sorgfältige Arbeiten nach Regeln ist doch genauso Alltag wie damals.Nur, dass die Regeln früher berechenbar waren und heute ziemlich willkürlich ( s. KK-retax./Rabatte/Boni etc).
Aber, sie sind einzuhalten.Ursache anders,Prinzip gleich.
Das ist darstellbar.Vor allem im Systemvergleich von Mensch und Automatisierung.Noch sind die Fehlerhäufigkeiten bei Menschen geringer als bei Digitalisierung ohne Gegenkontrolle.
Verantwortungsvoll nicht gegen Regeln zu handeln ist damals wie heute richtig. Regelüberschreitungen der ach so digitalisierten Holländer bleiben ohne Berücksichtigung?
"Unsere" Kommunikation - eben nicht nur hier- ist fundiert unprofessionell.
Erzwungene Demut vor den Regeln der Krankenkassen trifft es doch.Warum wird es nicht gesagt?

Sturmflut

von Christian Giese am 10.01.2019 um 11:10 Uhr

Allein die Dualität dieser Diskussion zeigt, dass die "34" seit 2004 jahrelang geschlafen haben, nicht erkannt haben, welche Marktpartner ihr verpenntes System eigentlich selber konstruiert.
Jetzt ist Sturmflut und noch haben die "34" nicht erkannt, welches System sie denn schützen könnte.
Von dem aufschwimmenden steuerlosen ABDA Flösschen ganz zu schweigen.

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Was denkt der FAZ-Leser?

von Ulrich Ströh am 10.01.2019 um 10:53 Uhr

Multi-Sanostol und Standgefässe in der Sichtwahl,
Handklingel auf dem HV -Tisch.
Kann man natürlich so machen in der Seume Apotheke.

Die FAZ Leser auf Seite 3 von heute ziehen dann hoffentlich die richtigen Schlüsse.

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AW: Was denkt der FAZ-Leser

von Dr. Ralf Schabik am 10.01.2019 um 16:31 Uhr

Ich denke, die Leser vergleichen mit IHRER Apotheke, die sie kennen. Das kann gut sein - aber auch schlecht. Jeder Leser, wie er es "erwartet".
Unerträglich finde ich den Satz „Und wenn dann jemand sagt, wir probieren jetzt mal was, dann ist das dem Apotheker vollkommen fremd.“
Nun schätze ich den Kollegen Schmidt wirklich sehr und kenne ihn "ein bisschen" ... hier möchte ich wissen, in welchem Kontext dieser Satz gefallen ist. SO, wie das im FAZ-Artikel rüberkommt, kann das Schmidt nicht gesagt haben.

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