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FAZ zum Versandhandelskonflikt
Schmidt vs. Müller: Traditionalist gegen den Neuen
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hat sich in einem ausführlichen Beitrag mit dem Versandhandelskonflikt beschäftigt. En Detail schildert FAZ-Redakteur Kim Björn Becker die Zeit nach dem EuGH-Urteil. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und DocMorris-Vorstandsmitglied Max Müller werden in dem Beitrag als Sinnbilder für die Bewegung gezeichnet, für die sie stehen: Auf der einen Seite die „Traditionalisten“, auf der anderen „die Neuen“.
In der Literaturwissenschaft gibt es ein Stilmittel, das als „Pars pro toto“ (dt.: Ein Teil steht für das Ganze) bezeichnet wird. Autoren benutzen diese rhetorische Figur, um mit einem bestimmten Einzelteil das dazugehörige Ganze zu beschreiben. In dem fast einseitigen FAZ-Artikel über den Kampf zwischen der Apothekerschaft und DocMorris wird genau diese Technik angewendet: ABDA-Präsident Friedemann Schmidt steht in seiner analogen, alten Seume-Apotheke in Leipzig, die keine Flatscreens hat, während DocMorris-Vorstand Max Müller in einem neuartigen Bürogebäude in Heerlen über riesige computergesteuerte Lagerhallen sinniert.
Schmidt und die ABDA haben der FAZ einen selten intimen Einblick in die Leipziger Offizin des ABDA-Präsidenten gewährt. Ob sich das für die ABDA gelohnt hat, ist fraglich. Denn auf Seite 3 in der FAZ stehen nun Sätze wie: „Die Regale rund um den Verkaufstresen gehören noch zur Erstausstattung, viel dunkles Holz, eine Apotheke aus dem Bilderbuch. Schmidt hätte die Regale austauschen können. Flachbildschirme einbauen und anderes modernes Zeug, aber das hat er nicht. Sollen die anderen doch mit der Zeit gehen. (…) Schmidt dreht sich lieber um, geht ins Nebenzimmer und zieht eine dieser endlos langen Schubladen aus der Wand.“ Dass diese Art der Apothekengestaltung Schmidts persönliche Entscheidung ist und viele Apotheker schon digitalisierte Warenwirtschaften haben – das wird im FAZ-Beitrag nicht erwähnt.
Schmidt: Ausprobieren ist den Apothekern völlig fremd
Das Bild des ewig gestrigen Apothekers wird weiter ausgeführt – auch, wenn es um den Versandhandelskonflikt geht: „Wenn man die Versender nicht stoppt, da waren sich die Traditionalisten einig, dann ist das der Tod vieler Apotheken (…)“, heißt es. Und mit Blick auf das rasante DocMorris-Wachstum schreibt FAZ-Redakteur Becker: „Es trifft die Branche auch so sehr, weil der Beruf von seiner Tradition zehrt, und die halten viele Ältere eisern hoch. Teil dieser Tradition ist das Bild des Apothekers als sorgfältig arbeitender Heilkundler, das veträgt sich schwer mit der Automatisierung (…).“ Letztlich ist es ABDA-Präsident Friedemann Schmidt selbst, der genau dieses Bild mit einem Zitat selbst vollendet: „Und wenn dann jemand sagt, wir probieren jetzt mal was, dann ist das dem Apotheker vollkommen fremd.“
Als personalisiertes Gegenbild der etablierten Apothekerschaft dient Max Müller. Der „Cheflobbyist“ von DocMorris wird in der FAZ unter anderem so beschrieben: „Max Müller sitzt in einem gläsernen Besprechungszimmer im dritten Stock, dunkler Rollkragenpullover, dunkler Anzug, und scherzt. Die deutschen Apotheker hätten sogar schon einmal Leute hergeschickt, die nachmessen sollten, ob das Gelände nicht doch auf deutscher Seite sei (…). Sehr eindrucksvoll ist natürlich auch das Bild von Müller am PR-Stand von DocMorris am Rande des CDU-Parteitages, wo er mit Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) und Michael Grosse-Böhmer (CDU), stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union, über seine Sicht auf das Rx-Versandverbot sprach. Übrigens: Die ABDA betreibt schon lange keine PR-Stände mehr auf Parteitagen.
DocMorris ist das, wovon die Apotheker träumen
Grundsätzlich ist DocMorris in dem FAZ-Artikel alles das, was die Apotheke nicht ist: modern, rasant wachsend, wirtschaftlich florierend. Während es einerseits um die rückgängige Apothekenzahl geht, heißt es zu DocMorris: „DocMorris ist die größte Versandapotheke Europas, 370 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2017, ein jährliches Wachstum von etwa 20 Prozent – Zahlen, von denen deutsche Apotheker träumen.“ Die dauernde Gegenüberstellung zwischen alt und modern gipfelt in der Beschreibung des neuen DocMorris-Lagers, das der EU-Versender gerade errichtet, weil das alte Arzneimittel-Lager laut FAZ zu klein geworden ist. „Wenn man die Angst der Apotheker vor der Konkurrenz aus dem Netz festhalten will, dann ist es wohl der Anblick des Baggers auf der frisch planierten Fläche. Die Neuen graben den Alten die Marktanteile ab.“
Auch die Bekanntschaft zwischen Müller und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) – die beiden betrieben vor einigen Jahren eine Beratungsgesellschaft – lässt der FAZ-Artikel nicht aus. Müller erklärt, dass sein „Draht“ zu Spahn nicht mehr so kurz sei wie früher. Denn: „Gerade jetzt, wo Spahn Minister ist, wäre zu viel Nähe schädlich, meint er, weil es dann wieder Gerede geben könnte.“
Kritischer Blick auf Spahn
Spahns Treiben im Versandhandelskonflikt wird übrigens auch kritisch beleuchtet. Denn die FAZ beschreibt auch die Beschwerden von Saarlands Kammerpräsident Manfred Saar, der das zögerliche Abrücken der ABDA vom Rx-Versandverbot zugunsten einer eventuellen Honorar-Erhöhung bekanntlich äußerst kritisch sieht. Saar hatte nach dem Auftritt Spahns bei der ABDA-Mitgliederversammlung mehrfach darauf hingewiesen, dass Spahn den Apothekern „gedroht“ habe – wenn sie sich nicht auf seinen „Plan B“ einließen, würde er sich auf den Koalitionsvertrag zurückziehen und keine Vakanzen mehr für andere Tätigkeiten im Apothekenbereich haben.
In der Sache, also wie es mit den von Spahn vorgeschlagenen Eckpunkten nun weitergeht, liefert der FAZ-Bericht wenig Neues. Spannend ist lediglich, wie sich DocMorris-Vorstand Müller zu dem Paket äußert. Kurz nach Bekanntwerden der Eckpunkte hatte sich DocMorris zurückhaltend geäußert. Nun heißt es mit Blick auf den darin vorgesehen Boni-Deckel: „Nur eines an Spahns Vorschlag stört ihn: die geplante Deckelung der Rabatte auf 2,50 Euro pro Packung – denn das ist genau so viel, wie DocMorris und etliche andere Versender gerade anbieten. Spielraum für weitere Rabatte gäbe es dann nicht. Am Ende, sagt Müller, könne er mit dem Kompromiss aber leben.“
Koalitionsvertrag? Nichts Verbindliches ...
Dass Union und SPD im Koalitionsvertrag festgehalten haben, dass sie sich für das Rx-Versandverbot einsetzen wollen, interpretiert die FAZ übrigens so: „Das ist so ein typischer Berlin-Mitte-Satz: nichts Verbindliches.“
7 Kommentare
Gewichtung beachten
von Reinhard Rodiger am 10.01.2019 um 22:50 Uhr
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Es tut mir leid ...
von Thorsten Dunckel am 10.01.2019 um 21:17 Uhr
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@Dr. Schabick: komplettes Zitat aus dem Beitrag der FAZ
von Andreas Gruenebaum am 10.01.2019 um 19:58 Uhr
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AW: @Dr. Schabick und eine andere Sicht
von Reinhard Rodiger am 10.01.2019 um 22:15 Uhr
Sturmflut
von Christian Giese am 10.01.2019 um 11:10 Uhr
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Was denkt der FAZ-Leser?
von Ulrich Ströh am 10.01.2019 um 10:53 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Was denkt der FAZ-Leser
von Dr. Ralf Schabik am 10.01.2019 um 16:31 Uhr
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