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Kommentar
Rx-Versandverbot für Tierarzneimittel – Wem soll man das erklären?
Dass das EU-Parlament den Rx-Versand mit Tierarzneimitteln europaweit verbieten will, ist absolut richtig. Viel zu groß ist das Problem zunehmender Antibiotika-Resistenzen, die auch durch einen unkontrollierten Gebrauch von Antibiotika in der Tiermast entstehen. Dass es dann aber gerade wegen europarechtlicher Bedenken kein solches Verbot für Humanarzneimittel geben kann, wirkt vor diesem Hintergrund fast lächerlich. Der Beschluss des EU-Parlamentes zeigt, worum es in der Debatte um das Rx-Versandverbot wirklich ging: um Geld und politische Macht, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer.
Es ist absolut sinnvoll, wenn das EU-Parlament verlangt, dass Rx-Tierarzneimittel künftig nur noch in Ausnahmefällen über das Internet bestellt und dann versendet werden dürfen. Immer wieder hat man in den vergangenen Jahren von einem völlig unkontrollierten Antibiotika-Gebrauch in der Tiermast gelesen. Laut WHO gehen in manchen Ländern bis zu 80 Prozent des gesamten nationalen Antibiotika-Verbrauchs auf das Konto der Tiermast. Die Folgen für den Menschen sind klar: Über das Fleisch gelangt das Arzneimittel in Restbeständen in den Menschen. Einmal im Körper, kann es zu neuen Resistenzen führen. Nicht umsonst hat der deutsche Gesetzgeber die Abgabe von Antibiotika in der Tiermast erst in diesem Jahr an neue Voraussetzungen geknüpft. Und auch die Regelung des EU-Parlamentes, den grenzüberschreitenden Rx-Versand in keinem Fall zuzulassen, ergibt Sinn. Schließlich liegt es nahe, dass die Bauern versuchen, ihre Arzneimittel im Ausland über das Internet einzukaufen, wenn es im Inland nicht mehr geht. Mehr Unsicherheit in der Arzneimittelversorgung geht eigentlich gar nicht.
Das EU-Parlament hat hier also eine Regelung beschlossen, die zumindest indirekt die Gesundheit des Menschen schützen soll. Bei Humanarzneimitteln geht es aber nicht nur indirekt, sondern ganz direkt um die Gesundheit der Menschen: Die falsche Einnahme von Arzneimitteln beeinflusst den menschlichen Körper direkt. Im Gegensatz zu Tierarzneimitteln sieht die Politik hier aber sehr viel weniger Handlungsbedarf. Hier ist die Diskussion um das Rx-Versandverbot inzwischen erstickt. Ein Grund: europarechtliche Bedenken. Insbesondere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) führte diese europarechtliche Skepsis immer wieder an. Und sogar im EU-Parlament selbst beschwerten sich einige Abgeordnete, sie kritisierten die Pläne der Bundesregierung im Koalitionsvertrag, nach denen der Rx-Versand als Reaktion auf das EuGH-Urteil verboten werden sollte.
Kulturgut Buch schützenswert – und die menschliche Gesundheit?
Die ganze Sache erinnert etwas an die Debatte um die Buchpreisbindung: Vor einigen Monaten schlug die Monopolkommission vor, die Buchpreisbindung aufzuheben. Es verging kein Tag nach dieser Forderung, als Kulturstaatsministerin Monika Grütters erklärte, dass die Preisbindung das hohe Kulturgut Buch schütze, ihr komme eine entscheidende Funktion zu. Und bei Arzneimitteln? Da scheint die Bundesregierung weniger einzusehen, dass die Preisbindung eine schützende Funktion hat – trotz einer nicht nur kulturell-gesellschaftlichen Auswirkung auf die Gesellschaft (wie bei Büchern), sondern einer gesundheitlichen.
Wenn das Rx-Versandverbot bei Tierarzneimitteln nun also explizit europarechtlich gewünscht ist, es für Humanarzneimittel aber juristisch nicht machbar sein soll, ergeben sich einige Fragen: Bedeutet das im Umkehrschluss, dass eine mögliche indirekte und negative Wirkung von Tierarzneimitteln auf den menschlichen Körper besser belegt ist als die Wirkung von Humanarzneimitteln auf den menschlichen Körper? Und: Wie lässt sich Spahns Behauptung, dass das Rx-Versandverbot aus europarechtlichen Bedenken nicht möglich ist, vor dem Hintergrund des Beschlusses des EU-Parlamentes noch halten?
In jedem Fall wirft dieser Gegensatz kein gutes Licht auf die Debattenführung in der Politik der vergangenen zwei Jahre. Es ist wohl müßig, nach tieferen Gründen für diesen Gegensatz zu suchen. Klar ist aber, dass der Vertrieb von Humanarzneimitteln ein Milliarden-Markt ist, im Tierarzneimittel-Vertrieb ist schlichtweg weniger Geld unterwegs. Das wiederum führt dazu, dass eine politische Debatte faktenbasierter und mit weniger Einfluss von Interessenvertretungen geführt werden kann. Bei der heutigen Mitgliederversammlung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe wurde der Beschluss des EU-Parlamentes gemeinsam mit ABDA-Präsident Friedemann Schmidt heftig diskutiert. Schmidt sagte passend dazu: „Politik ist keine Wissenschaft, da ist ganz viel Bauch dabei, aber auch Macht und Entscheidungsfindung aus Opportunitäten. Diese Geschichte zeigt einmal mehr, dass die größte Bedrohung für unsere Strukturen aus Europa kommt.“
5 Kommentare
tierische Patientensicherheit
von Dr. Hardt am 29.11.2018 um 18:54 Uhr
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von Christiane Patzelt am 28.11.2018 um 14:07 Uhr
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