CHMP folgt PRAC-Empfehlung

Anwendungseinschränkungen für Fluorchinolone sind fast beschlossene Sache

Stuttgart - 19.11.2018, 11:30 Uhr

Der EMA-Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) folgt den Empfehlungen des Pharmakovigilanzausschusses (PRAC) bezüglich der Fluorchinolone. ( r / Foto Schwanen-Apotheke)

Der EMA-Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) folgt den Empfehlungen des Pharmakovigilanzausschusses (PRAC) bezüglich der Fluorchinolone. ( r / Foto Schwanen-Apotheke)


Anfang Oktober hatte der Pharmakovigilanzausschuss der EMA (PRAC) empfohlen, die Anwendung von Fluorchinolon-Antibiotika zu beschränken und sie bei leichten und mittelschweren Infekten nicht mehr einzusetzen. Die nächste Instanz, der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP), hat dem nun zugestimmt. Tut dies auch die EU-Kommission, sind die neuen Vorgaben rechtlich bindend.

Der CHMP hat den Empfehlungen des PRAC vom Oktober bezüglich der Anwendungseinschränkungen für Antibiotika aus den Gruppen der Fluorchinolone und Chinolone vergangene Woche zugestimmt.

So sollen zum einen Antibiotika aus der Gruppe der Chinolone, also Nalidixinsäure, Pipemidsäure und Cinoxacin, ganz vom Markt verschwinden. Ihre Zulassungen sollen ruhen, findet der PRAC. Sie seien ohnehin nur für Indikationen zugelassen, die mit dieser Wirkstoffklasse nicht mehr behandelt werden sollen, begründet der Ausschuss seine Empfehlung. In Deutschland waren Chinolone ohnehin nie zugelassen oder sind es bereits seit längerer Zeit nicht mehr.

Weiter hat der PRAC Beschränkungen für Fluorchinolone empfohlen. Für lokal anzuwendende Arzneimittel, wie Augen- oder Ohrentropfen, gelten die Beschränkungen allerdings nicht, sondern nur für orale, parenterale und inhalative.

Wann sind Fluorchinolone künftig tabu?

  • Bei Infektionen, die möglicherweise selbstlimitierend oder nicht schwerwiegend sind, wie Halsinfektionen,
  • zur Behandlung von nicht-bakteriell verursachten Infektionen, wie z.B. nicht-bakterielle (chronische) Prostatitis,
  • zur Vorbeugung von Reisedurchfall oder wiederkehrender Blasenentzündungen,
  • bei Patienten, die bereits Nebenwirkungen unter einer Fluorchinolon-Therapie hatten,
  • zur Behandlung leichter oder mittelschwerer Infekte – außer in Fällen, in denen die üblicherweise empfohlenen Antibiotika nicht angewendet werden können.

Besondere Vorsicht unter anderem bei Älteren und unter Corticoidtherapie

Besondere Vorsicht sollte nach Ansicht des PRAC geboten sein, wenn Ältere, Patienten mit Nierenproblemen, Patienten nach Organtransplantationen oder unter Corticoidtherapie mit Fluorchinolonen behandelt werden. Das Risiko für Sehnenverletzungen, bedingt durch diese Antibiotika, sei bei diesen Patienten höher, so der PRAC.

Die Einschränkungen resultieren aus einem Review, das 2017 auf Initiative des BfArM gestartet wurde. Im Rahmen dieses Reviews hatte die EMA die Lebensqualität beeinträchtigenden und potentiell dauerhaften Nebenwirkungen nach Einnahme von oralen, injizierbaren und inhalativen Fluorchinolone und Chinolone wissenschaftlich neu bewertet. In diese Bewertung ist auch die Sichtweise von Patienten, Vertretern der Gesundheitsberufe und der Wissenschaft eingeflossen.

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Nebenwirkungen müssen im Beipackzettel dargestellt werden

Neben den Anwendungsbeschränkungen sollen künftig in den Fachinformationen und Beipackzetteln die Nebenwirkungen, die die Lebensqualität beeinträchtigen und potenziell dauerhaft sein können, dargestellt werden. Diese unerwünschten Wirkungen betreffen vor allem Muskeln, Sehnen und Knochen sowie das Nervensystem. Den Patienten wird geraten, die Behandlung bei ersten Anzeichen von Nebenwirkungen, die die Muskeln, Sehnen oder Gelenke beziehungsweise das Nervensystem betreffen, zu beenden.

Die Empfehlungen des CHMP werden nun an die Europäische Kommission weitergeleitet. Diese wird dann einen Beschluss fassen, der für alle Mitgliedstaaten rechtsverbindlich ist und den die Behörden auf Länderebene dann umsetzen müssen. Beim BfArM heißt es, dass man weitere Maßnahmen ergreifen werde, um die korrekte Anwendung der Fluorchinolone zu unterstützen.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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