Valsartan, Lunapharm, Bottrop

Das sind Spahns Pläne für den Arzneimittelmarkt

Berlin - 16.11.2018, 13:30 Uhr

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat mit dem Entwurf zum „Gesetz für mehr Sicherheit in
der Arzneimittelversorgung“ (GSAV) das erste Gesetz im Arzneimittelbereich vorgelegt und will damit insbesondere auf die Arzneimittelskandale im Sommer dieses Jahres reagieren. (m / Foto: imago)

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat mit dem Entwurf zum „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ (GSAV) das erste Gesetz im Arzneimittelbereich vorgelegt und will damit insbesondere auf die Arzneimittelskandale im Sommer dieses Jahres reagieren. (m / Foto: imago)


Am heutigen Freitag schickt das Bundesgesundheitsministerium den ersten Gesetzentwurf im Arzneimittel- und Apothekenbereich dieser Legislaturperiode an die anderen Ressorts zur Abstimmung. Mit dem „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ (GSAV) will das BMG unter anderem das Zyto-Honorar reformieren und die Importförderklausel ändern. Als Reaktion auf die Arzneimittelskandale rund um den Brandenburger Händler Lunapharm und die Valsartan-Verunreinigungen plant das BMG aber noch weitere Umstellungen. DAZ.online bietet eine Übersicht.

Mit dem „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ (GSAV) legt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sein erstes Gesetz für den Arzneimittelmarkt vor. In erster Linie geht es im GSAV darum, auf die Arzneimittelskandale des Sommers zu reagieren. Zur Erinnerung: Der Brandenburger Händler Lunapharm wird beschuldigt, jahrelang auf illegalem Wege Zytostatika nach Deutschland importiert zu haben. Ebenfalls im Sommer dieses Jahres wurde bekannt, dass in in China hergestelltem Valsartan das Nitrosamin NDMA festgestellt wurde. Außerdem beschäftigt das BMG auch nach wie vor der Fall des Bottroper Zyto-Apothekers Peter S.

Neuregelungen sollen im Juli 2019 in Kraft treten

Nach den Plänen des Ministeriums soll das GSAV im Juli 2019 in Kraft treten. Dadurch dass die Länder – etwa im Bereich der Arzneimittelüberwachung – unmittelbar betroffen sind, wird der Bundesrat dem Vorhaben zustimmen müssen. Aus der Lunapharm-Affäre will das BMG die folgenden Konsequenzen ziehen:

  • Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und das Paul-Ehrlich-Institut sollen bei der Arzneimittelüberwachung künftig eine größere „Koordinierungsfunktion“ erhalten, hieß es aus dem BMG. Beide Institutionen sollen künftig etwaige Rückruf-Aktionen auf Ebene der Bundesländer koordinieren. Zur Erklärung: Die von der Brandenburger Landesregierung eingesetzte Taskforce hatte kritisiert, dass die Arzneimittelüberwachung im Land schlecht organisiert sowie fehl- und unterbesetzt sei.
  • Das BMG will auch die Zusammenarbeit der Behörden auf Bundes- und Landesebene verbessern. Und zwar soll es künftig eine Informationspflicht für Rückrufe geben, die zu einem Lieferengpass führen könnten.
  • Die Landesbehörden sollen in ihrer Überwachungsbefugnis gleichzeitig gestärkt werden, indem es ihnen erlaubt werden soll, Unterlagen über Wirkstoffe oder andere Stoffe bei den Herstellern einzusehen.
  • Außerdem sollen die EU-Vorgaben zur Kennzeichnung von Arzneimitteln mit Sicherheitsmerkmalen angepasst werden. Den Herstellern drohen Sanktionen bei Verstößen gegen die Anforderungen der EU-Verordnung. Die Kennzeichnung soll zudem vereinfacht werden.
  • In der Arzneimittelüberwachung soll es in Zukunft auch sogenannte „Interessenkonflikterklärungen“ geben. Gibt es einen solchen Interessenkonflikt zwischen einem Inspektor eines Herstellers und einem Behördenmitarbeiter, soll dieser veröffentlicht werden.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Hoffentlich falsch abgetippt?

von David Becker am 19.11.2018 um 8:10 Uhr

"Die Kassen sollen einen Anspruch auf Regress gegenüber dem HERSTELLER erhalten, wenn es Produktmängel gibt, die beispielsweise zu einem Rückruf führen. Das BMG will damit ein wirtschaftliches Interesse für die HERSTELLER schaffen, dass Arzneimittel sicher und sauber sind."

Hoffentlich handelt es sich hier um einen Tippfehler und im Gesetzesentwurf ist vom Vermarkter und nicht vom Hersteller die Rede.
Ansonsten haben wir bald Forderungen der TK gegen irgendwelche Chinesischen Hersteller die dann politisch abgehandelt werden.
Die Verantwortung für die Arzneimittelqualität liegt eindeutig beim in-Verkehr-Bringer. Wenn der seine Qualitätsprüfungen aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen schleifen lässt muss dieser auch dafür haftbar gemacht werden.

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AW: Re: Hoffentlich falsch abgetippt

von Benjamin Rohrer am 19.11.2018 um 8:50 Uhr

Lieber Herr Becker,

im Referentenentwurf ist vom "pharmazeutischen Unternehmer" die Rede, was wir mit "Hersteller" als Synonym ersetzt haben. Falls damit der Eindruck entstanden sein sollte, es gehe um die Wirkstoffhersteller in Fernost, bitten wir dies zu entschuldigen. Es ist zwar nicht ausdrücklich beschrieben, dass es sich um die "Vermarkter" handelt. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass das BMG mit "pharmazeutischen Unternehmern" die in Europa ansässigen großen Pharmaunternehmen meint.

Vielen Dank für Ihren Hinweis!

Benjamin Rohrer
Chefredakteur DAZ.online

Valsartan

von Schall am 16.11.2018 um 19:42 Uhr

Ich habe viele Jahre Valsartan geschluckt, im guten Glauben an ein Arzneimittel, dass mir hilft. Ich bin sehr enttäuscht darüber, dass man mich als Kunde mit dem Problem alleine lässt und außer in der Presse redet Keiner drüber, schon gar nicht diejenigen, die das Mittel verunreinigt und vertrieben haben. Ich habe mich an den deutschen Vertrieb gewandt, aber auch dort keine aussagekräftige Antwort bekommen. Zum Kotzen.

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AW: Valsartan

von Dr. Arnulf Diesel am 17.11.2018 um 12:19 Uhr

Sehr geehrte(r) Frau/ Herr Schall,

Ihr Unmut ist allzu verständlich, allerdings sind nach dem derzeitigen Stand ja nicht alle Hersteller betroffen. Somit ist Valsartan nicht grundsätzlich schlecht. Allerdings halte ich es für zu einfach, jetzt wieder pauschal auf die böse geldgierige Pharmaindustrie einzudreschen. Der "teure" Erstanbieter war übrigens nicht betroffen. Weiterhin ist es wohl so, daß alle Hersteller ihren analytischen Pflichten nachgekommen sind, da eine Prüfung auf die krebsauslösende Substanz mW nicht vorgeschrieben ist/ war. Reden sollte man auch einmal über den chinesischen Hersteller, der die verunreinigte Substanz nach Europa geliefert hat -selbstverständlich im Wissen um die Verunreinigung-, da China ein wichtiger Handelspartner ist, wird darüber natürlich genauso deutlich gesprochen wie über die Menschenrechte. Reden sollte man auch mal über den Preisdruck der Krankenkassen, der dazu führt, daß in Deutschalnd praktisch keine Herstellung der Wirkstoffe mehr stattfindet (das sind übrigens auch Arbeitsplätze). Als Shell die Ölplattform versenken wollte, haben es die Verbraucher geschafft, hinreichend Druck auszuüben. Warum beschweren sich die Mitglieder der Krankenkassen eher spärlich bei ihrer Kasse darüber, daß das einzige Kriterium bei der Auswahl der Rabatt(!)Arzneimittel der Preis ist, nicht die Einhaltung deutscher Umwelt- und Arbeitschutzvorschriften bei den Herstellern der Grundstoffe, eine bestimmte Quote aus Europa / Deutschland stammender Grundstoffe.
Schlußendlich haben Sie natürlich hinsichtlich der mangelnden Information des Verbraucher recht.

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