Bundestagsfraktion

FDP will Suizid-BtM für unheilbar Kranke zugänglich machen

Berlin - 15.10.2018, 15:30 Uhr

Die FDP-Bundestagsfraktion will den Schwebezustand in Sachen Suizid-BtM nicht länger hinnehmen. ( r / Foto: Imago)

Die FDP-Bundestagsfraktion will den Schwebezustand in Sachen Suizid-BtM nicht länger hinnehmen. ( r / Foto: Imago)


Die FDP-Bundestagsfraktion fordert von der Bundesregierung einen Gesetzesentwurf, der es schwer und unheilbar Kranken in einer extremen Notlage ermöglicht, ein Betäubungsmittel zur Selbsttötung zu erwerben. Dahinter steckt ein entsprechendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das das Bundesgesundheitsministerium allerdings nicht umgesetzt wissen will.

Im März 2017 hatte das Bundesverwaltungsgericht eine aufsehenerregende Entscheidung getroffen: Demnach hat ein schwer und unheilbar kranker Patient das Recht zu entscheiden, wie und wann er sein Leben beendet – dies gehöre zu seinem grundgesetzlich verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Im extremen Einzelfall kann das bedeuten, dass ihm der Staat – hier verkörpert durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) – nicht den Zugang zu einem tödlichen Betäubungsmittel zur schmerzlosen Selbsttötung verwehren darf.

Nachdem das Urteil gefallen war, gingen im BfArM mehr als 100 Anträge von Patienten ein, die eine solche tödliche BtM-Dosis erhalten wollten. Doch die Entscheidung der Leipziger Richter sorgte für Kontroversen und die Behörde beschied keinen der Anträge positiv. Vielmehr erlässt sie mittlerweile abschlägige Bescheide, nachdem das Bundesgesundheitsministerium Ende Juni dieses Jahres darum gebeten hatte. „Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, Selbsttötungshandlungen durch die behördliche, verwaltungsaktmäßige Erteilung von Erlaubnissen zum Erwerb eines konkreten Suizidmittels aktiv zu unterstützen“, schrieb der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium (BMG), Lutz Stroppe (CDU), seinerzeit an BfArM-Präsident Prof. Karl Broich. Schon zuvor hatte der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio im Auftrag von BfArM/BMG ein Gutachten erstellt, das zu dem Ergebnis kam, das Urteil sei „verfassungsrechtlich nicht haltbar“.

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Tatsächlich ist die Situation höchst unbefriedigend: Es gibt ein höchstrichterliches Urteil, das nicht nur nicht umgesetzt wird – es steht überdies in Konflikt zum Straftatbestand der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB), der 2015 vom Bundestag nach kontroverser Debatte beschlossen wurde.

Auch aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion ist diese Situation für wartende Schwerstkranke nicht haltbar; deren Option ist es nun, Sterbehilfe im Ausland in Anspruch zu nehmen. Schon im Mai hatten die Liberalen eine Kleine Anfrage zum Thema gestellt. Allerdings erhielten sie von der Bundesregierung keine befriedigenden Antworten. Vielmehr hieß es seinerzeit pauschal: „Die Beratungen der Bundesregierung hierüber unter Berücksichtigung des Rechtsgutachtens von Herrn Professor Dr. Di Fabio sind noch nicht abgeschlossen“.

Neues Bescheidungsverfahren mit ärztlicher Expertise

Nun versucht es die FDP-Fraktion direkt mit einem Antrag an den Bundestag, in dem sie nochmals auf die erheblichen praktischen und rechtlichen Unsicherheiten verweist. „Denn nunmehr müsste eine Abteilung des BfArM über existenzielle Schicksale und die höchst sensible Frage der Selbsttötung im Einzelfall entscheiden“, heißt es in dem Antrag mit dem Titel „Rechtssicherheit für schwer und unheilbar Erkrankte in einer extremen Notlage schaffen“. Er wurde bereits vergangene Woche in die zuständigen Ausschüsse des Bundestags überwiesen.

Wertungswiderspruch mit dem Strafrecht

Der Antrag beschreibt das Dilemma: Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgend müsste der Staat einem Schwerstkranken den Suizid ermöglichen. Doch ein Arzt mache sich nach § 217 StGB strafbar, wenn er wiederholt bei einem Suizid assistiert. Und auch die zuständigen Mitarbeiter des BfArM verwirklichen möglicherweise diesen Straftatbestand, wenn sie Anträge positiv bescheiden. Dazu kommt die Anweisung aus dem BMG ans BfArM, das Urteil nicht zu befolgen – Betroffene, die den ablehnenden Bescheid nicht akzeptieren wollen, müssen also erneut vor Gericht ziehen.

Daher will die FDP-Fraktion den Bundestag mit ihrem Antrag dazu bewegen, die Bundesregierung aufzufordern, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, „der klarstellt, dass für schwer und unheilbar Erkrankte in einer extremen Notlage, die eine Selbsttötung beabsichtigen, der Erwerb eines Betäubungsmittels für eine Selbsttötung zu ermöglichen ist“. Zudem müssten bestehende Wertungswidersprüche im Wechselspiel mit § 217 StGB auflöst und insoweit Rechtssicherheit geschaffen werden. Nicht zuletzt soll der Gesetzentwurf ein Bescheidungsverfahren für die Anträge Betroffener vorgeben. Dieses soll eine sachverständige ärztliche Beurteilung – gegebenenfalls auch die einer entsprechenden Kommission – vorsehen und gewährleisten, dass Anträge in angemessener Zeit bearbeitet werden.

FDP-Abgeordnete: Selbstbestimmung am Lebensende ermöglichen

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Katrin Helling-Plahr, auf deren Initiative der Antrag zurückgeht, erklärte gegenüber DAZ.online: „Gesundheitsminister Spahn missachtet weiterhin das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Er bürdet damit schwer und unheilbar Erkrankten, die unter massiven Schmerzen leiden und sich Erlösung wünschen, ein langwieriges Gerichtsverfahren auf. Das können wir nicht hinnehmen. Wir wollen für die Betroffenen Rechtssicherheit schaffen und ihnen mehr Selbstbestimmung am Lebensende ermöglichen.“  



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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