LKA Niedersachsen ermittelt

440.000 illegale Potenzmittel sichergestellt

Stuttgart - 19.09.2018, 15:45 Uhr

Wie gefährlich sind die beschlagnahmten Arzneimittel? ( r / Foto: Polizeiinspektion Emsland / Grafschaft Bentheim)

Wie gefährlich sind die beschlagnahmten Arzneimittel? ( r / Foto: Polizeiinspektion Emsland / Grafschaft Bentheim)


Am Mittwoch vergangener Woche haben ein Grenzpolizeiteam und niederländische Polizeibeamte gemeinsam in zwei Wohnhäusern in Niedersachsen über 440.000 Tabletten sowie etwa 170.000 Euro Bargeld und andere Vermögensgegenstände sichergestellt. Bei den Verdächtigen, die illegale Potenzmittel gewerbsmäßig über das Internet vertrieben haben sollen, handelt es sich um in Deutschland lebende Niederländer. DAZ.online hat bei der Polizei nachgefragt, um welche illegalen Arzneimittel es sich handelt.

„Good job!“ postete die Polizei Leer / Emden am gestrigen Dienstag auf ihrer Facebookseite und berichtet dort von der erfolgreichen „Zusammenarbeit zwischen der niederländischen und der deutschen Polizei sowie unserem Grenzpolizeiteam“: Ermittlern der Polizeiinspektion Emsland / Grafschaft Bentheim ist am Mittwoch vergangener Woche laut Pressemitteilung der Polizei ein „Schlag gegen den illegalen Medikamentenhandel“ gelungen. Demnach stehen ein 54-jähriger Niederländer sowie seine Ehefrau und zwei seiner Söhne im Verdacht, illegale Potenzmittel gewerbsmäßig über das Internet vertrieben zu haben. Die Einnahmen der Verdächtigen aus dem Handel ihrer „Online-Apotheke" sollen sich auf über vier Millionen Euro belaufen. 

Wie kamen die Beamten den illegalen Arzneimitteln auf die Spur?

Laut Pressemitteilung waren die Ermittler den Männern durch angehaltene Postsendungen mit darin befindlichen Potenzmitteln auf die Spur gekommen. Wie genau die Verdächtigen der Polizei aufgefallen sind, dazu wollte sich die zuständige Pressestelle jedoch nicht weiter äußern, um kein Täterwissen preiszugeben. Klar sei jedoch, dass es sich bei den Verdächtigen um Niederländer handelt, die in Deutschland leben. In den Ortschaften Sustrum-Moor und Heede in Niedersachsen wurden die Ermittler nämlich fündig: Über 440.000 Tabletten sowie etwa 170.000 Euro Bargeld und andere Vermögensgegenstände sollen die Beamten dort in zwei Wohnhäusern sichergestellt haben. 

Verschickt wurden die Potenzmittel wohl nicht nur – aber offenbar auch – nach Deutschland. Bislang seien keine Meldungen über unerwünschte oder gefährliche Arzneimittelwirkungen bezüglich der beschlagnahmten Medikamente bekannt geworden – und waren somit auch nicht der Grund für die Ermittlungen.

Präparate aus Indien? Erste Hersteller haben sich bei der Polizei gemeldet

Im Verlauf der Ermittlungen wurde bekannt, dass der 54-jährige Hauptverdächtige bereits im Fokus der „Politie Noord-Nederland“ stand, heißt es in der Pressemitteilung. Neben den vermutlich aus Indien stammenden illegalen Arzneimitteln sollen zahlreiche weitere Beweismittel beschlagnahmt worden sein. Nähere Angaben zu den beschlagnahmten Präparaten machte die Polizei nicht, jedoch wurde ein Foto veröffentlicht, auf dem drei verschiedene Präparate zu erkennen sind: „Vidalista 60“, das dubios erscheinenden Seiten im Internet zufolge von der indischen Firma Centurion Laboratories hergestellt wird und 60 mg Tadalafil enthalten soll; „Kamagra oral jelly“, das 100 mg Sildenafil enthalten soll ist kein unbekannter Name unter den (illegalen) Potenzmitteln. Bereits 2010 fand es in einer Warnung „Gefährliche Potenzmittel aus dem Internet“ der Schweizer Arzneimittelbehörde Swissmedic Erwähnung: „Auch das in Indien hergestellte und illegal exportierte Nachahmerprodukt Kamagra wird bereits gefälscht: Ein analysiertes Muster enthielt anstelle des deklarierten einen anderen Wirkstoff.“ Kamagra-Hersteller in Indien ist nach eigenen Angaben die Firma Ajanta Pharma.   

Ebenfalls auf dem veröffentlichten Bild zu erkennen sind weitere Präparate von Ajanta Pharma: „Kamagra Effervescent“, das 100 mg Sildenafil enthalten soll und augenscheinlich Orangengeschmack verspricht; und lose Blisterpackungen von „Kamagra 100“, in denen bunte Tabletten zu sehen sind. Manche Hersteller sollen ihre Produkte auf dem Bild erkannt und sich einer Polizeisprecherin zufolge bereits bei der Polizei gemeldet haben.

Wie gefährlich sind die beschlagnahmten Tabletten?

Ob es sich nun um wirkstofffreie, unter- oder überdosierte Arzneimittel handelt, oder ob gar falsche Wirkstoffe enthalten sind, werde derzeit vom Landeskriminalamt untersucht, das den Fall übernommen hat. Die Pressestelle der Polizei machte deutlich, dass es sich bei den auf dem Foto abgebildeten Potenzmitteln nicht um alle vorgefundenen Präparate handelt. Doch auch die nicht abgebildeten sichergestellten Präparate sollen Potenzmittel sein.

Wer wissen möchte, ob im Internet angebotene Arzneimittel legal im Verkehr sind, der findet auf PharmNet.Bund Arzneimittel, die in Deutschland zugelassen sind. Dort gibt es auch eine extra Suchfunktion für Laien. Sind Arzneimittel dort nicht aufgeführt, muss davon ausgegangen werden, dass sie illegal angeboten werden. Eine gute Quelle für „Gepanschtes“ aus dem Internet ist außerdem die Datenbank der Zeitschrift „Gute Pillen – Schlechte Pillen“. Diese Datenbank widmet sich vor allem vermeintlich „natürlichen“ Nahrungsergänzungsmitteln, die via Internet vermarktet werden, aber nicht deklarierte (und potenziell gefährliche) Arzneistoffe enthalten.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.