Reaktion auf Lunapharm-Affäre

Lauterbach will Arzneimittelaufsicht „zentralisieren“

Berlin - 12.09.2018, 16:10 Uhr

Professor Karl Lauterbach (SPD) will die Arzneimittelaufsicht von der Landes- auf die Bundesebene holen. (s / Foto: Imago)

Professor Karl Lauterbach (SPD) will die Arzneimittelaufsicht von der Landes- auf die Bundesebene holen. (s / Foto: Imago)


Die sogenannte Lunapharm-Affäre könnte noch in diesem Herbst gesetzgeberische Aktivitäten auf Bundesebene nach sich ziehen. Prof. Karl Lauterbach, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag, erklärte gegenüber DAZ.online, dass er sich für eine baldige Änderung des Arzneimittelgesetzes stark mache: Demnach sollen die Landesbehörden künftig nicht mehr für die Arzneimittelaufsicht zuständig sein.

In der sogenannten Lunapharm-Affäre, in der ein brandenburgischer Arzneimittelhändler beschuldigt wird, jahrelang mutmaßlich gestohlene Medikamente importiert zu haben, ging es in den vergangenen Wochen viel um ein mögliches Behördenversagen: Die vom Brandenburger Gesundheitsministerium einberufene Taskforce bescheinigte der Landesarzneimittelaufsicht heftige Fehler: Die Behörde sei unter- und fehlbesetzt, habe viel zu spät und falsch auf erste Verdachtsfälle bei Lunapharm reagiert und die Situation unterschätzt.

Im Arzneimittelgesetz (§§ 64 ff. AMG) ist bislang klar geregelt, wer für die Überwachung rund ums Arzneimittel verantwortlich ist: Die „zuständigen Behörden“, wie sie im Gesetz genannt werden, sind grundsätzlich Behörden auf Landesebene, deren Aufgabe es ist, festgestellte Verstöße zu beseitigen und künftige zu vermeiden. Die Behörden sind laut Arzneimittelgesetz zudem dazu berechtigt, das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zu untersagen, Rückrufe anzuordnen oder Arzneimittel sicherzustellen.

Nachdem der Bericht der Lunapharm-Taskforce zuletzt ein schlechtes Licht auf die Brandenburger Arzneimittelaufsicht warf, mehrten sich zuletzt die Stimmen, nach denen aus dieser dezentral organisierten Zuständigkeit eine zentrale Zuständigkeit werden sollte. Allen voran: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Spahn erklärte kürzlich in einem Interview, dass er es begrüßen würde, wenn das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) seine Kompetenzen erweitern und Zuständigkeiten der Landesbehörden übernehmen würde. Auch mit Blick auf die Valsartan-Krise sagte Spahn: „Einen Arzneimittelrückruf können wir – selbst mit Erkenntnissen wie bei Valsartan – gar nicht starten von Bundesebene, das können nur 16mal die Länder jeweils.“ Deswegen prüfe man, inwieweit Gesetzesänderungen nötig seien, damit das BfArM künftig „schneller agieren“ könne. Spahn betonte, man habe in den vergangenen Monaten gemerkt, dass bestimmte Dinge in der Organisation „nicht mehr zu einer Pharmaproduktion, die eher weltweit vernetzt“ sei, passe.

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Lauterbach: Qualität der Aufsicht verbessern

Spahn bekommt innerhalb der Regierungsfraktionen nun einen prominenten Fürsprecher: Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte am Rande einer Pressekonferenz am heutigen Mittwoch in Berlin: „Für mich steht fest: Wir müssen an das Arzneimittelgesetz ran. Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Qualität der Arzneimittelaufsicht spürbar verbessert. Wir werden versuchen, die Aufsicht in Zukunft zu zentralisieren. Ob diese zentrale Aufsicht dann vom BfArM oder einer anderen Instanz ausgeht, muss man sehen.“

Und auch Erwin Rüddel (CDU), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Bundestag, sieht Handlungsbedarf. Die Ärzte Zeitung berichtet, dass Rüddel aus den Skandalen um Valsartan und Lunapharm gelernt habe, „dass es bedingt durch insgesamt 37 Überwachungsbehörden in den Ländern zu Verzögerungen und Lücken in der Aufsicht kommt.“ Das BfArM müsse „konkret einbezogen“ werden, forderte Rüddel.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Seit 2004 geklärt und wird seit dem ständig verbessert

von Dr. Andreas van de Valk am 13.09.2018 um 11:26 Uhr

Es bedarf diesbezüglich gar keiner Anstrengungen der Politik. Mit der EU-Verordnung 726/2004 und der Richtlinie 2001/83/EG ist alles geklärt und vor allem schon geregelt.

Die Arzneimittelaufsicht obliegt der EMA. Sie erteilt die Zulassung für Arzneimittel an den dann "Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen" = Hersteller. Dieser Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen ist der einzige, der einen Rückruf vornehmen kann. Die Überwachung eines Rückrufs obliegt den (Vollzugs)Behörden der Mitgliedstaaten. Sinnvoll ist dies in der Bundesrepublik den Landesbehörden übertragen worden. Die Überwachung kann aber nur erfolgen wenn dafür geeignetes und in ausreichender Anzahl Personal in den Behörden vorhanden sind. Ausdrücklich GEEIGNETES Personal.

Und bitte - die gerade praktizierte "Quarantäne" ist nur EINEM Mitgledstaat gestattet (Artikel 20 Abs. 4 EU-VO 726/2004) und ist eine "Aussetzung" des Handels bis die EMA in einem Verfahren nach Artikel 20 Abs. 2 oder 3 eine Klärung nebst Entscheidung herbeigeführt hat..

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Formulierung

von Ralf Oberbauer am 13.09.2018 um 11:02 Uhr

Mal wieder genau lesen: "wir müssen..." (dreimal!), "wir werden versuchen..." und "muss man sehen" - Dampfplauderei vom Feinsten! Mache ich dann in Zukunft auch so: "Ob die Tabletten wirken, muss man sehen. Wir müssen uns überlegen, ob wir ihnen eine Einnahmeempfehlung aussprechen. Falls sie irgendwelche Nebenwirkungen spüren, müssen wir schnell reagieren. Ich setze mich dann dafür ein, dass sie wieder gesund werden." Der Politikapotheker...

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Die linke niete

von Alex am 13.09.2018 um 0:07 Uhr

Aha warum erwähnt eigentlich keiner, dass es im Falle von Lunapharm ein Totalversagen der Linke in Regierungsveranrwortung stattgefunden hat? Wenn wir solche Nieten am Staatslenken haben, was hilft da ganze Zentralisieren überhaupt? Früher hielt es sich zumindest in den Landesgrenzen. Nun soll den Totalschaden stetts die gesamte Bundesbevölkerung austragen. Das habt ihr toll konstruiert liebe Politiker.

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Valsartan

von Hans-Martin Scheil am 12.09.2018 um 17:17 Uhr

Zum Thema Valsartan haben wir jetzt für Betroffene und Interessenten eine Facebook-Gruppe mit dem Namen "Valsartan-Skandal" eingerichtet. Hier geht es um Aufklärung, Prävention und rechtliche Ansprüche – kurz Hilfe zur Selbsthilfe. Alle sind herzlich eingeladen! Hier der Link: https://www.facebook.com/groups/242178453170238/

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