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Interview in der FAZ
Spahn will Urteil zu Suizid-BtM nicht akzeptieren
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hadert wie schon sein Amtsvorgänger mit der Umsetzung des im März 2017 ergangenen Urteils zum Erwerb tödlicher Betäubungsmittel. Anders als das Bundesverwaltungsgericht meint er, das BfArM solle auch im Einzelfall nicht darüber entscheiden, ob ein Schwerkranker eine tödliche BtM-Dosis erhalten darf. Doch bevor er selbst gegen das Urteil vorgeht oder eine gesetzliche Klarstellung initiiert, will er eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einer anderen Sache abwarten – wann diese fallen wird, ist allerdings noch unklar.
Im März 2017 entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dass Bürger im Einzelfall und unter engen Voraussetzungen das Recht haben, ein tödlich wirkendes Betäubungsmittel zum Zweck des Suizids zu erwerben. Zwar ist der Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung grundsätzlich nicht erlaubnisfähig. Doch die Richter befanden, dass das Betäubungsmittelgesetz in einer extremen Ausnahmesituation auch nicht ausschließt, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen solchen Erwerb erlaubt.
Nachdem dieses Urteil gefallen war, ging eine Reihe von Anträgen beim BfArM ein. Wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) vom heutigen Montag erklärt, beantragten bislang 111 Personen bei der Behörde, ihnen den Erwerb einer tödlichen BtM-Dosis zu gewähren. Er betont, dass das BfArM die Anträge auch wirklich im Einzelfall geprüft habe: Alle Antragsteller hätten einen Fragebogen erhalten, um ihre konkrete Lage zu schildern. Spahn: „Damit entsprechen wir dem Willen des Bundesverwaltungsgerichts. Das hatte in seiner Urteilsbegründung auf eine ‚extreme Notlage‘ abgestellt. Jeder Fall muss also individuell geprüft werden“.
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Allerdings fielen die Antworten des BfArM bisher einseitig aus. Nämlich in dem Sinne, wie sie Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium (BMG), kürzlich erbeten hatte: Abschlägig. Spahn bestätigt im Interview mit der FAZ, das bislang 57 Anträge abgelehnt wurden. Und er erklärt, warum er so dezidiert eine andere Auffassung hat als der Senat des Bundesverwaltungsgerichts: „Würden wir dem Gericht folgen, geriete staatliches Handeln in die Nähe geschäftsmäßiger Beihilfe zum Suizid – was der Gesetzgeber ausdrücklich unter Strafe gestellt hat. Mit diesem Konflikt kann ich als Minister die Mitarbeiter im Bundesamt nicht alleinlassen. Diesen Konflikt muss ich selber eingehen“. Für ihn ist die Vorstellung abwegig, dass Staatsbedienstete am Ende entscheiden müssen, ob menschliches Leiden unerträglich ist oder nicht. Spahn sieht ein solches Vorgehen auch nicht im Einzelfall durch das Betäubungsmittelgesetz gedeckt: „Dass ein ‚würdiger und schmerzloser‘ Suizid, wie das Gericht formuliert, einen medizinischen Nutzen haben beziehungsweise gar eine Therapie sein soll, erschließt sich mir nicht. Selbsttötung ist keine Therapie, wie das Gericht meint. Sie ist vielmehr die unwiderrufliche Selbstzerstörung, nichts anderes“.
Was sagt das Bundesverfassungsgericht zum Verbot der geschäftsmäßigen Selbsttötung?
Verweigern sich das BMG und das ihm nachgeordnete BfArM also der Umsetzung des höchstrichterlichen Urteils? Diesen Vorwurf muss sich Spahn derzeit von verschiedenen Seiten gefallen lassen. Auch die FAZ hakte jetzt nach, mit welchem Recht dies geschehe. Spahns Antwort: „Aus Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht“. Das höchste Gericht, so erklärt er, werde demnächst in mehreren Verfahren über die Zulässigkeit des vom Bundestag im November 2015 beschlossenen Verbots der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB) entscheiden. „Anschließend werden wir im Lichte dieser Entscheidung unsere Position überprüfen“, verspricht der Minister. Denn sie werde „viele Rückschlüsse auf die Interpretation des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts zulassen“.
In dieser Erwartung will Spahn im Hinblick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auch kein gesondertes Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht starten. Er schließe diesen Weg nicht aus, sagt er. Doch zunächst wolle er die Hinweise des Gerichts in Sachen geschäftsmäßige Sterbehilfe abwarten. „Das ist mein Maßstab. Und das sollten auch jene respektieren, die auf eine schnelle Umsetzung des Leipziger Urteils dringen“. Spahn räumt auch ein, dass eine Klarstellung im Betäubungsmittelgesetz denkbar ist: Dort ließe sich deutlich machen, dass die Abgabe von Betäubungsmitteln zum Zweck des Suizids ausgeschlossen ist. Doch auch mit einem solchen Schritt will er warten, bis die Entscheidung aus Karlsruhe vorliegt.
Wann die Entscheidung in Karlsruhe fallen wird, ist allerdings unklar. Aus der Pressestelle des höchsten deutschen Gerichts heißt es, ein Termin zur mündlichen Verhandlung und/oder Entscheidung für das Verfahren zu § 217 StGB sei „noch nicht absehbar“. Entschieden hat das Gericht kürzlich allerdings bereits, dass Bundesverfassungsrichter Peter Müller, früher saarländischer Ministerpräsident, wegen Besorgnis der Befangenheit nicht über die Verfassungsbeschwerden entscheiden wird. Müller hatte sich in seiner politisch aktiven Zeit wiederholt öffentlich zum Grundsatz der „Nichtverfügbarkeit des Lebens“ bekannt und gegen aktive Sterbehilfe ausgesprochen. Er hatte sich daher selbst für befangen erklärt – und das Bundesverfassungsgericht hielt das auch für begründet.
1 Kommentar
Selbsttötung
von Lothar am 24.11.2018 um 13:12 Uhr
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