Retax-Quickie

Wenn im Notdienst Sonderkennzeichen und Begründung fehlen

Stuttgart - 06.09.2018, 15:40 Uhr

Darf die Krankenkasse Notdienst-Rezepte retaxieren, auf denen weder Sonderkennzeichen noch eine schriftliche Begründung vermerkt sind? ( r / Foto: imago)

Darf die Krankenkasse Notdienst-Rezepte retaxieren, auf denen weder Sonderkennzeichen noch eine schriftliche Begründung vermerkt sind? ( r / Foto: imago)


Eigentlich dürfen Krankenkassen „unbedeutende, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierende, formale Fehler“ nicht mehr retaxieren – also auch nicht, wenn Sonderkennzeichen oder schriftliche Begründung bei Nichtverfügbarkeit im Notdienst fehlen. Was aber passiert, wenn die Apotheke beides versäumt?

Seit dem neuen Rahmenvertrag gelten für Apotheken „mildere“ Bedingungen. Jener regelt seit Inkrafttreten im Juni 2016, dass die Krankenkassen bestimmte unbedeutende und die Arzneimittelsicherheit nicht beeinträchtigende Fehler nicht mehr beanstanden dürfen. Wörtlich steht im Vertrag:

„Der Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn (…) es sich um einen unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden, insbesondere formalen Fehler handelt.

Dies ist insbesondere der Fall, wenn (…) die Apotheke in den Fällen (…) des § 4 Absatz 3 Sätze 1 und 2 (Akutversorgung, Notdienst) … dieses Vertrages 
- entweder nur das vereinbarte Sonderkennzeichen oder 
- nur einen Vermerk auf der Verordnung aufträgt 
oder 
- im Fall, dass Vermerk und Sonderkennzeichen auf der Verordnung fehlen, einen objektivierbaren Nachweis im Beanstandungsverfahren erbringt."

Keine Retax, wenn Sonderkennzeichen oder schriftliche Begründung fehlen

Das bedeutet: Weicht der Apotheker im Notdienst aufgrund der Akutversorgung von der Abgabe von Rabattarzneimitteln, den drei preisgünstigsten oder dem namentlich verordneten ab, sollte er im vorbildlichsten Fall das Sonderkennzeichen aufdrucken und dies schriftlich, inklusive Unterschrift, begründen. Vergisst er das Sonderkennzeichen oder den schriftlichen Vermerk, darf die Krankenkasse dies seit Juni 2016 nicht mehr retaxieren. Und was passiert, wenn beides fehlt?

Ein vergessenes Sonderkennzeichen oder versäumter schriftlicher Vermerk, kann sich nur sehr unwahrscheinlich auf die Arzneimittelsicherheit der Patienten auswirken. Das könnte nur dann der Fall sein, wenn der Apotheker vor lauter Konzentration, bürokratisch alles im Sinne der Krankenkasse richtig zu machen, dann letztendlich noch in der Lauer-Taxe verrutscht oder sich im Arzneimittel-Schubfach vergreift.

Was ist ein „objektivierbarer Nachweis“ des Notdienstes?

Den Retax-Experten des DeutschenApothekenPortals (DAP) liegt ein Fall vor, bei dem im Eifer des Gefechts im Notdienst die Apotheke tatsächlich weder das Sonderkennzeichen noch eine schriftliche Begründung auf dem Rezept vermerkt hat. Das Rabatt-Arzneimittel war schlicht – aufgrund der häufigen gleichen ärztlichen Verordnung im Laufe des Notdienstes – nicht mehr vorrätig. Die Krankenkasse, namentlich die KKH, retaxierte. Doch darf sie das?

Apotheke muss Notdienst nachweisen

Eigentlich nicht, denn auch den Fall, dass Sonderkennzeichen und schriftlicher Vermerk fehlen, berücksichtigt der Rahmenvertrag im Sinne der Apotheker. Die Apotheke muss einen „objektivierbaren Nachweis“ erbringen – was die Frage aufwirft, was das sein könnte. Im Notdienst kann nach Ansicht des DAP ein angekreuztes Noctu-Feld, das Datum der Versorgung – im vorliegenden Fall ein Sonntag – und nicht zuletzt die auf dem Rezept aufgedruckte Uhrzeit der Abgabe ein Nachweis der Akutversorgung sein. Somit darf die Krankenkasse auch Rezepte ohne Sonderkennzeichen und ohne schriftliche Begründung nicht beanstanden.

Diese vertragliche Vereinbarung ist keine Legitimation für Apotheken, grundsätzlich auf Sonder-PZN und schriftlichen Vermerk bei Nichtabgabe von Rabatt-Arzneimitteln zu verzichten. Sinn und Zweck ist der Retax-Schutz für den Ausnahmefall.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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