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Sommerabend der Hamburger Apotheker
Lunapharm: Graue kritisiert „mentale Blockade des politischen Systems“
„Alle stecken mit drin“, erklärte Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, zum Lunapharm-Skandal und wertete das Geschehen damit als Versagen des politischen Systems. Graue äußerte sich am gestrigen Dienstag beim politischen Sommerabend der Hamburger Apotheker.
In einer mit Ironie und Wortspielen gespickten Rede resümierte Dr. Jörn Graue beim Sommerabend der Hamburger Apotheker die Entwicklungen zu Valsartan und bei Lunapharm. Zur Verunreinigung von Valsartan mahnte er, dass sich solche Fälle wiederholen könnten. Der Vorsitzende des Hamburger Apothekervereins erklärte dazu: „Mit den von der Politik auf Veranlassung der Krankenkassen eingeführten Rabattverträgen wurde ein verminter Weg beschritten, dessen vielseitige gesundheitsgefährdende Holprigkeit schwer unterschätzt wurde.“
Lunapharm: Warnungen überhört
Bezüglich Lunapharm erinnerte Graue an frühere ähnliche Vorkommnisse im Rahmen der so genannten Holmsland-Affäre. Er gab zu verstehen, dass „eingefrorene Kommunikationswege“ die Entdeckung und Aufklärung behindern würden. „Der Datenschutz lässt grüßen und bindet uns Händ und Füß“, so Graue. Er deutete an, dass die Namen der Patienten sonst zu ermitteln wären. Zu den Ursachen des Skandals erklärte er: „Gäbe es die Importzwänge nicht, gäbe es kein Lunagate.“ Ganz schlimm sei die Ohnmacht der Betroffenen. Doch es habe schon immer warnende Stimmen gegeben. „Über die mangelnde Qualität wussten alle alles“, so Graue. Die mentale Blockade des politischen Systems, sehenden Auges lebensgefährliche Risiken einzugehen, lasse die Heilberufler nur schaudern. Doch die Debatte werde erst geführt, wenn das Kind in den Brunnen gefallen sei. Sie laufe auf „ein unwürdiges und völlig unnützes Schauspiel des Anschwärzens“ hinaus. „Denn alle stecken mit drin“, sagte Graue und erklärte dazu: „Die Wahrheit ist niederschmetternd und weist mitten in das Herz der politischen Mentalität, die von naiver Sorglosigkeit geprägt ist.“ Doch wenn sich der Rauch verzogen habe, gehe der Schlendrian weiter. Darum mahnte Graue die Politik, künftig zuerst an die Sicherheit zu denken.
Siemsen: Hindernisse des Apothekenalltags
Kai-Peter Siemsen, Präsident der Hamburger Apothekerkammer, vermittelte den Gästen beim Sommerfest einen weiter gefassten Überblick über die Probleme, mit denen Apotheker derzeit und künftig umgehen müssten. Neben den Skandalen um Valsartan und Lunapharm beklagte er diverse Lieferengpässe und die Entscheidung eines großen Arzneimittelherstellers, die Antibiotikaforschung einzustellen. Zur Gleichpreisigkeit von Arzneimitteln beklagte Siemsen, die Bundesregierung sei nicht in der Lage, „dem EU-Wirtschaftsterrorismus durch Großkonzerne Einhalt zu gebieten“. Doch nun sei er gespannt, welche Antwort der Gesundheitsminister beim Apothekertag präsentieren werde.
Eineinhalb Jahrzehnte ohne Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung würden nun auch zu Fachkräftemangel führen. Siemsen erklärte: „Die öffentliche Apotheke blutet aus.“ Denn andere Arbeitgeber könnten die Apotheker und PTA besser honorieren. Zudem kritisierte Siemsen, dass Politiker den kriminellen Einzelfall des Zytostatika-Betrugs in Bottrop verallgemeinern würden. Die Sonderprüfungen von Zytostatika in Nordrhein-Westfalen seien nur „politischer Aktionismus“.
Die Apotheker müssten in ihrem Alltag alle diese Probleme entschärfen, um die Bevölkerung ordentlich zu versorgen. Diese Versorgung sei einzigartig und lebenswichtig. Darum, so Siemsen, sei zu fragen: Was machen wir, wenn nicht mehr ausreichend Apotheken in der Fläche vorhanden sind?
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