Sondersitzung im Brandenburger Landtag

Wann haben die Brandenburger Behörden was im Lunapharm-Skandal erfahren?

Berlin - 16.08.2018, 16:40 Uhr

Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) gerät in der Lunapharm-Affäre zunehmend unter Druck. Am heutigen Donnerstag musste sie im Landtag Fragen dazu beantworten, wann ihr Ministerium von den ersten Auffälligkeiten bei Lunapharm erfuhr. (s / Foto: Imago)

Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) gerät in der Lunapharm-Affäre zunehmend unter Druck. Am heutigen Donnerstag musste sie im Landtag Fragen dazu beantworten, wann ihr Ministerium von den ersten Auffälligkeiten bei Lunapharm erfuhr. (s / Foto: Imago)


Am heutigen Donnerstag musste Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) bei einer Sondersitzung im Gesundheitsausschuss des Landtags erneut Rede und Antwort stehen. CDU, AfD und Grüne fordern personelle Konsequenzen innerhalb des Ministeriums. Sowohl Golze als auch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) verwiesen auf die Aufklärungsarbeit der Taskforce, von deren Ergebnissen sie etwaige arbeitsrechtliche Schritte abhängig machen möchten. Für heftige Diskussionen sorgte erneut die Frage, ob die Behörden schon im vergangenen Jahr von Auffälligkeiten bei Lunapharm wussten, ohne etwas unternommen zu haben.

Im Fall Lunapharm kam es im Brandenburger Landtag am heutigen Donnerstag zu einer zweiten Sondersitzung während der Sommerpause. Wie auch beim ersten außerplanmäßigen Termin am 25. Juli wurde der Gesundheitsausschuss auf Antrag von CDU und Grünen einberufen. Die verantwortliche Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) sowie Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) standen Rede und Antwort. Als Gäste waren Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig (Linke) sowie Dr. Ulrich Hagemann anwesend, der Leiter der Taskforce, die im Auftrag des Gesundheitsministeriums die Vorfälle aus Expertensicht aufklären soll.

Die Suche nach den Verantwortlichen geht weiter

Die beiden Oppositionsfraktionen nahmen zum Anlass, dass die Staatsanwaltschaft Neuruppin am 1. August 2018 die Anzeigenprüfungsverfahren gegen zwei Mitarbeiter der Aufsichtsbehörde mangels Anfangsverdachts eingestellt hatte. Zur Erklärung: Die Staatsanwaltschaft hatte geprüft, ob Mitarbeiter des Landesamts für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) schon früher von Auffälligkeiten bei Lunapharm erfahren, aber nichts unternommen haben. Die Opposition meint, nun sei immer noch nicht klar, wie es zu den Vorfällen kommen konnte und welche weiteren Maßnahmen die Ministerin plane. 

Die Sitzung begann mit einer halbstündigen, hitzigen Diskussionen darüber, dass Woidke die Sitzung eine Stunde nach Beginn wegen weiterer Anschlusstermine verlassen wollte. CDU und AfD forderten, dass der Ministerpräsident bis zum Ende der Sitzung für Rückfragen zur Verfügung stehen solle. „Ein Grußwort zu halten und aus dem Saal zu rauschen, ist das falsche Bild“, monierte Raik Nowka, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU. Allerdings: Obwohl der Ministerpräsident doch länger im Saal verblieb, wurde ihm auch drei Stunden nach Sitzungsbeginn keine Frage gestellt.

Was Woidke von der Taskforce erwartet

Woidke verwies in seinem Eingangsstatement darauf, dass er die Vorfälle sehr ernst nehme. „Das Vertrauen in das Gesundheitssystem ist durch den Lunapharm-Skandal schwer erschüttert worden.“ Er verlange von seiner Ministerin daher vorbehaltlose Aufklärung. Momentan habe er aber „volles Vertrauen“ in sie.

Außerdem konkretisierte er seine Erwartungen an die Taskforce, die Golze am 20. Juli einberufen hatte und an der unter anderem der AMK-Vorsitzende Professor Martin Schulz beteiligt ist. Und zwar soll das Gremium die Fragen beantworten, was bei der Aufsicht schief gelaufen ist, wie das Vertrauen in die Medikamentensicherheit wieder hergestellt werden kann und ob die Vorgaben auf Bundes- und europäischer Ebene ausreichen, um ähnliche Vorfälle in Zukunft zu verhindern. Um weitere Maßnahmen zu ergreifen, müssten jedoch die Ergebnisse der Taskforce abgewartet werden.

Auch Ministerin Golze verwies im Laufe der Sitzung mehrfach auf die Aufklärungsarbeiten der Taskforce. Hagemann stellte klar, dass sein Gremium zwar Empfehlungen abgeben werde, jedoch nicht die Rolle eines Strafverfolgungsorgans habe. Bisher liegen noch keine Analysenergebnisse aus den bei Lunapharm sichergestellten Rückstellmustern vor, die genauere Rückschlüsse auf das Ausmaß der möglichen Gesundheitsschädigung zulassen würden.

Hat der LAVG-Präsident gelogen?

Aus Sicht von AfD, CDU und Grüne haben die Behörden versagt. Die Oppositionsparteien verlangten von Ministerin Golze, personelle Konsequenzen aus dem Skandal zu ziehen. Hintergrund dieser Forderungen bildete unter anderem ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Neuruppin an den Präsidenten des LAVG. Aus dem Schreiben soll laut Opposition hervorgehen, dass die beschuldigten Mitarbeiter im vergangenen Jahr die Hinweise auf mutmaßlich illegale Geschäftspraktiken von Lunapharm Ende März 2017 doch an ihre Vorgesetzten weitergegeben hatten und das Gesundheitsministerium ebenfalls in diesem Zeitraum informiert wurde. LAVG-Präsident Detlev Mohr, der an der heutigen Sitzung nicht teilnahm, hatte am 25. Juli geäußert, er sei von seinen Mitarbeitern nicht davon unterrichtet worden. Die AfD warf Mohr Falschaussage vor.

Den ersten Hinweis auf möglicherweise illegalen Medikamentenvertrieb durch Lunapharm soll es sogar schon am 2. Dezember 2016 in einer Mail des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) an das Ministerium gegeben haben. Der Mail war ein Hinweis aus Polen beigefügt. Auch aus der Befragung von Golze ergab sich in diesen Punkten aber nicht viel neues. Unklar ist beispielsweise weiterhin, ob diese Informationen auch in der Leitung des Gesundheitsministeriums wahrgenommen wurde.

Das mehrfach zitierte Schreiben der Staatsanwaltschaft war jedoch nicht allen Ausschussmitgliedern bekannt. Abgeordnete der AfD und Linken hatten das Dokument offenbar gesehen, als ihnen Einblick in die Akte bei der Staatsanwaltschaft gewährt wurde. Die Anträge auf Einsichtnahme von Mitgliedern der weiteren Fraktionen werden derzeit laut Justizminister Ludwig noch bearbeitet.

Wie unabhängig ist die Taskforce? 

Die Opposition erwartet von Golze, dass sie Mohr des Amtes enthebt und arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen diejenigen Ministeriumsmitarbeiter ergreift, die von den Hinweisen auf Arzneimittelfälschung gewusst haben sollen. Doch die Linken-Politikerin möchte den Gesprächen, welche die Taskforce mit den Mitarbeitern plane, nicht vorgreifen. „Mir war es wichtig, diese Taskforce in unabhängige Hände zu geben“, betonte Golze.

Axel Vogel, der Fraktionsvorsitzende der Grünen in Brandenburg, zweifelte die Unabhängigkeit dieses Gremiums jedoch an. Denn an der Taskforce seien neben drei externen Experten auch vier Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums vertreten, darunter Staatssekretärin Almuth Hartwig-Tiedt.

Wie viele Patienten von dem Lunapharm-Skandal betroffen sind, ist nach wie vor nicht klar. Allein in Berlin in Brandenburg sollen es mindestens 220 sein. 



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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