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Deutsch-griechischer Arzneimittelskandal
Ministerium ruft mutmaßlich gestohlene Arzneimittel nun doch zurück
Aufatmen – Fehlanzeige! Offenbar ist nicht auszuschließen, dass die Wirksamkeit der mutmaßlich gestohlenen Krebsmedikamente, die der brandenburgische Händler Lunapharm in Verkehr brachte, doch beeinträchtigt sein könnte. Daher hat das brandenburgische Gesundheitsministerium einen Rückruf der betroffenen Produkte gestartet. Dies teilte das Ministerium am gestrigen Mittwoch mit und revidierte damit seine Aussage vom Freitag.
Vergangene Woche berichtete das ARD-Magazin Kontraste über den mutmaßlichen Pharmaskandal: Der im brandenburgischen Mahlow ansässige Arzneimittelhändler Lunapharm soll von einer griechischen Apotheke Medikamente bezogen haben, die Diebesgut einer kriminellen Schmuggelbande gewesen sein sollen. Dabei habe es sich um hochpreisige Onkologika gehandelt, heißt es. Laut Kontraste verlief der Schmuggeltransport ungekühlt, sodass es bei temperatursensiblen Biologika zu einem Wirkverlust gekommen sein könnte.
Noch am vergangenen Freitag dementierte das Gesundheitsministerium, dass für Patienten ein Sicherheitsrisiko bestanden habe. Denn das dem Ministerium unterstellte Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) habe im Mai 2017 Stichproben im Landeslabor Berlin-Brandenburg überprüfen lassen, die einwandfrei gewesen seien.
Arzneimitteltests offenbar nicht aussagekräftig
Das Brandenburger Gesundheitsministerium nimmt nun die Entwarnung im deutsch-griechischen Arzneimittelskandal zurück. Am vergangenen Dienstag initiierte es einen Rückruf aller Präparate, die die Lunapharm Deutschland GmbH aus Griechenland bezogen haben soll. Dies teilte das Ministerium bei einer Pressekonferenz am gestrigen Mittwoch mit. Denn seit Dienstagabend gebe es Verdachtsmomente, denen zufolge eine Gesundheitsgefahr nicht länger auszuschließen sei.
Das LAVG hat nämlich anscheinend seinen Besuch bei Lunapharm im Vorfeld angekündigt und lediglich zwei und zudem temperaturunempfindliche Präparate testen lassen. Darüber hinaus verfügt das Landeslabor Berlin-Brandenburg nicht über die Geräte, spezielle Proteinanalysen durchzuführen, die zur Qualitätsüberprüfung von wärmeempfindlichen Biologika notwendig gewesen wären.
Doch solche Analysen hielt weder das LAVG noch das Ministerium bis vor kurzem für erforderlich. Denn bislang ging das Ministerium nicht von einem Diebstahl aus, sondern lediglich von unzulässigen Vertriebswegen – Lunapharm hatte Arzneimittel von einer griechischen Apotheke bezogen, die nach dortigem Recht nicht hätte exportieren dürfen. Doch hatte das LAVG das Ministerium umfassend informiert?
Wusste das LAVG Bescheid?
Als das Ministerium im Rahmen der ARD-Recherchen mit dem Diebstahlsverdacht konfrontiert wurde, hat es die Berichte zu Lunapharm beim LAVG angefordert. Darin entdeckte es am vergangenen Dienstagabend einen Vermerk zu einem Amtshilfeersuchen, das das Landeskriminalamt dem LAVG am 7. März 2017 zugestellt haben soll. Das Originaldokument war in der Akte zwar nicht mehr vorhanden, jedoch enthielt der Vermerk einen Hinweis auf Diebstahl.
Ab diesem Zeitpunkt hätte das LAVG einen Rückruf starten müssen, sind sich die Ministerin Diana Golze (Linke) und ihre Staatssekretärin Almuth Hartwig-Tiedt einig. „Ich sehe das sehr kritisch“, betonte Golze. Noch wenige Tage zuvor hatte sich das Ministerium in einer Presseerklärung schützend hinter das Amt gestellt.
Um einen Rückruf zu starten, müsse allerdings schon mehr vorliegen als nur ein „Bauchgefühl“, wandte Thomas Barta, Abteilungsleiter im Landesgesundheitsministerium ein. Auch in der E-Mail vom 27. März 2017, die das LAVG von der griechischen Überwachungsbehörde EOF erhalten habe, sei nur die Rede von „illegalen Wegen“ gewesen, was nicht automatisch „gestohlen“ bedeute.
Kommt der Rückruf zu spät?
Mit dem aufgetauchten Aktenvermerk stand für das Ministerium fest, dass ein Rückruf erfolgen muss. Dieser solle auf Apotheken- Großhandels- und Arztebene stattfinden und werde demnächst veröffentlicht, heißt es. Doch um welchen Umfang geht es überhaupt?
Hartwig-Tiedt sprach von einer „geringen Menge“ und bezog sich dabei auf die Angaben des Unternehmens Lunapharm, das dem Ministerium sieben verschiedene Präparate und insgesamt 700 Packungen nannte. Welche Apotheken oder weitere Händler die betroffenen Produkte erhalten haben, sei noch nicht bekannt. Diese Kundenaufstellung müsse Lunapharm dem Ministerium noch liefern. Das ARD-Magazin Kontraste geht dagegen von dem zwanzigfachen Umfang aus. So sollen den Recherchen des Senders zufolge etwa 14.000 Packungen und bis zu 15 verschiedene Präparate betroffen sein.
„Das meiste ist schon verabreicht“, gab Hartwig-Tiedt zu bedenken. Die ersten Indizien über die mutmaßlichen kriminellen Vorgänge sind seit anderthalb Jahren bekannt. Das Mindesthaltbarkeitsdatum der meisten onkologischen Präparate liegt bei zwei Jahren. Sollte eine Gesundheitsgefährdung durch Wirkminderung entstanden sein, dürfte der Rückruf für die meisten Patienten zu spät kommen.
Unsicher ist zudem, wie zuverlässig die betroffenen
Präparate überhaupt zurückverfolgt werden können. Denn Lunapharm verfügt nicht
nur über eine Großhandels- sondern auch über eine Herstellungserlaubnis und
kann daher Arzneimittel umpacken. Durch eine veränderte Kennzeichnung könnte der
Händler theoretisch die Spuren verwischt haben.
2 Kommentare
Gesundheitsministerin
von Bernd Küsgens am 19.07.2018 um 8:30 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Gesundheitsministerin DG
von Dr Schweikert-Wehner am 19.07.2018 um 15:09 Uhr
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