Reaktion auf Wettbewerbsgutachten

Kaapke: Schweigen ist keine Gegenwehr

Stuttgart - 09.07.2018, 12:45 Uhr

 „Apotheken-Ökonom“ Professor Andreas Kaapke erklärt in der nächsten DAZ, welche Reaktion von der ABDA er auf das jüngste Gutachten der Monopolkommission für angebracht hält. (Foto: diz / daz)

 „Apotheken-Ökonom“ Professor Andreas Kaapke erklärt in der nächsten DAZ, welche Reaktion von der ABDA er auf das jüngste Gutachten der Monopolkommission für angebracht hält. (Foto: diz / daz)


Nach dem Honorargutachten des Bundeswirtschaftsministeriums ist seit letzter Woche ein weiteres Gutachten in der Welt, das den Apothekern nicht gefallen dürfte. Die Wettbewerbshüter der Monopolkommission haben sich erneut mit dem Arzneimittelmarkt in Deutschland beschäftigt und schlagen weitreichende Deregulierungen sowie einen Preiswettbewerb im verschreibungspflichtigen Sortiment vor. „Apotheken-Ökonom“ Professor Andreas Kaapke kommentiert in der DAZ, welche Reaktion von der ABDA jetzt angebracht wäre.

„Eine Regierung leistet sich keine Experten, wenn man deren Expertise missachtet oder zu missachten trachtet.“ Für Professor Andreas Kaapke steht fest, dass man die Daseinsberechtigung der Monopolkommission nicht unterschätzen sollte. Überbewerten dürfe man sie jedoch auch nicht. Bereits in den Jahren 2006 und 2009 hatte das Gremium von Wirtschaftsexperten, das die Bundesregierung regelmäßig berät, mehrere Regulierungen im Apothekenmarkt kritisiert . Unter dem ehemaligen Kommissionsvorsitzenden Professor Justus Haucap wurden unter anderem die Apothekenpflicht sowie das Fremd- und Mehrbesitzverbot in Frage gestellt. „Zwar fanden die damaligen Vorschläge nicht oder nur bedingt Eingang in die Rechtsprechung, gleichwohl sollte man aus der damaligen Verfahrensweise nicht auf die heutige schließen“, rät Kaapke.

„Damals wurde seitens der Experten völlig ausgeblendet, dass zwischen den Apotheken Wettbewerb besteht. Die Fokussierung auf einen Preiswettbewerb und die Ausblendung anderer Wettbewerbsarten wie Qualitätswettbewerb oder Servicewettbewerb war bereits im dort erschienenen Gutachten ersichtlich“, erinnert sich der Handelsökonom von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW). Bei der Interpharm im Jahr 2011 leistete sich Kaapke einen Schlagabtausch mit Haucap – ein Ereignis, das auch in der standeseigenen Fachpresse für Aufsehen sorgte.


In ihrem neuen Hauptgutachten hat sich die Monopolkommission wieder intensiv mit dem Arzneimittelmarkt in Deutschland auseinandergesetzt – diesmal vor allem im Hinblick auf die Arzneimittelpreisverordnung. Nach den Urteilen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) sowie des Bundesgerichtshofes (BGH) zur Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bzw. zu den Großhandelsrabatten sieht sie in den Festpreisen keinen Vorteil für die Patienten. Die Kommission – aktuell unter der Leitung von Wirtschaftsprofessor Achim Wambach von der Uni Köln – schlägt dagegen vor, alle Arzneimittelpreise freizugeben und Rabatte oder Aufschläge durch die Apotheker individuell festlegen zu lassen. 

Welche Folgeprobleme übersieht die Monopolkommission?

DAZ-Redakteur und Wirtschaftsexperte Dr. Thomas Müller-Bohn stellt in seiner ersten kommentierenden Analyse fest: „Dabei übersehen die Befürworter zwei fundamentale Folgeprobleme: Erstens wäre es zutiefst unsolidarisch, der Oma ohne Auto auf dem Land zu erklären, dass sie mehr für Arzneimittel bezahlen soll als junge mobile Großstadtbewohner. Und zweitens spricht jede empirische Erfahrung gegen diese Idee. Der Untergang dörflicher Geschäfte fast aller Branchen zeigt, dass diese Rechnung nicht aufgeht.“

ABDA: Ist das die Expertise, die wir brauchen?

Die Standesvertretung der Apotheker hat erwartungsgemäß kein Verständnis für die Empfehlungen der Monopolkommission. In einer Mitteilung erklärt ABDA-Präsident Friedemann Schmidt: „Die Vorschläge der Monopolkommission sind nicht zu Ende gedacht und hätten weitreichende negative Konsequenzen. So würde sich ein starkes Stadt-Land-Gefälle in der Arzneimittelversorgung ergeben. Verlierer wären die Menschen, die nicht in Ballungszentren wohnen, denn sie müssten für ihre Arzneimittel-Versorgung tiefer in die Tasche greifen.“ Schmidt weist daraufhin, dass die Kommission einerseits vor immer ausgeklügelteren Algorithmen warnt, die bei der Preisgestaltung von Online-Diensten eingeführt werden. Andererseits würde sie ausgerechnet in der Gesundheitsversorgung dem Arzneimittelversandhandel mit solchen Plattformökonomien extremen Vorschub leisten: „Hier widerspricht sich das Gutachten selbst. Ist das die Expertise, die wir brauchen?“

Andreas Kaapke empfiehlt dagegen, das Gutachten der Monopolkommission nicht nur oberflächlich zu kritisieren, sondern sich damit auseinanderzusetzen, weshalb die Experten zu diesen Schlussfolgerungen kommen: „Man kann es den Gutachtern nicht vorwerfen, dass sie wettbewerbsökonomisch argumentieren, das ist ihre Aufgabe. Dass sie sich ausgerechnet die Arzneimittelpreise aussuchen, liegt an der hohen Regulierungsdichte des Gesundheitswesens und den dort feststellbar ausufernden Kosten.“ Nach Meinung Kaapkes sollte es die Standesvertretung „sorgenvoll aufhorchen lassen“, dass die Wettbewerbshüter das sogenannte Honorargutachten des Bundeswirtschaftsministeriums in den Fußnoten rund 30 Mal zitieren. „Man mag nach wie vor zur Ansicht gelangen, dass das Honorargutachten das Geld nicht wert ist, dass es gekostet haben mag, und sich nicht darauf einlassen zu wollen, Falsches zu kommentieren. Alleine aber der Umstand, dass das Honorargutachten wieder zitiert wird, zeigt die Brisanz einer solchen Haltung.“ 

Liegt es an der Lobbyarbeit oder an den Argumenten?

Kaapke sieht vor allem deshalb Handlungsbedarf, weil wichtige Argumente der Apothekerschaft bezüglich Arzneimittelpreisbindung von der Monopolkommission immer noch anders bewertet werden. „Bis heute ist es nicht gelungen, in den einschlägigen Gremien die Hauptargumente der Apotheker für das bestehende System so zu platzieren, dass diese sitzen.“ Für Kaapke kommen dafür zwei Ursachen in Frage: Entweder ließe die Lobbyarbeit zu wünschen übrig oder die Argumente würden nicht taugen. Kaapke: „Letzteres wäre dramatisch, ersteres beschämend!“ 

Mehr in der nächsten DAZ

Den vollständigen Kommentar von Professor Andreas Kaapke zum Hauptgutachten der Monopolkommission sowie eine ausführliche Analyse von DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn finden Sie diese Woche in DAZ Nr. 28, die am Donnerstag erscheint. 



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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3 Kommentare

Kein Interessenausgleich ohne harte Diskussion

von Wolfgang Müller am 10.07.2018 um 10:51 Uhr

"Die ABDA", "Der DAV" und damit "Wir Alle" bezogen auf die Apotheken-Inhaber können sich drehen und wenden wie sie wollen: Es gibt kein von außen betrachtet „schlechtes“ bzw. „gutes“ Apotheken-Honorar-Modell.

Nein, es stehen sich zwei aus betriebswirtschaftlicher und speziell: wettbewerblicher Sicht ziemlich extreme Honorierungs-Modelle gegenüber. Das „Der Gutachter“ und das „Der ABDA“. Die eben aus vollkommen unterschiedlichen Ansätzen heraus entstanden sind. Voller schlimmer, in kaufmännischer Bodennähe schwer zu verstehender "Fehler". Und die beide hoch subjektiv bzw. hoheitlich Interessen-geleitet sind. Demgemäß sind auch BEIDE objektiv "diskussionswürdig" oder eben auch nicht.

Auf der einen Seite das Modell der ganzen "Gutachter und Professoren" aus "Der Wirtschaft" im Sinne des Versandhandels und der Ketten mit gnadenlosem Kommerz-Darwinismus zwischen den Apotheken. Vor Allem über ein rigides System freier Rx-Preise inkl. - als finalem Fangschuss für die unabhängigen Freiberufler - Rx-Selektivvertragswesen für große Versender, Apotheker-Gruppen oder Ketten mit den Krankenkassen. Aber interessanterweise mit zumindest zusätzlich honorierten, mehr oder weniger auskömmlichen Preisen für alle anderen Leistungen wie "Besondere Dienstleistungen und Beratung" und "Rezeptur", zum Beispiel.

Auf der anderen Seite dagegen das erwiesenermaßen immer weniger Praxis-taugliche, inzwischen ebenso Theorie-lastige und darwinistische "ABDA-Modell" mit "Defizitären Gemeinwohlpflichten", "Perspektivpapier" und "Mischkalkulation". Zzgl. sehr hoheitlicher, viel zu oft altertümlich-überflüssiger Ausführungs- und entsprechender Kontroll-Bürokratie gerade für die hoch defizitären Aufgaben. Interessanterweise auch mit den hochgefährlichen GKV-Selektivverträgen als Rüstzeug für die Zukunft, bzgl. selektiver Rx-Arzneimittel-Abgabe nur vermeintlich abgeschwächt, weil: "Für das Medikationsmanagement".

BEIDE sind, in Reinform umgesetzt bzw. beibehalten und weiter auf die Spitze getrieben, der Tod der Mehrzahl der typischen, durchschnittlichen bis leicht überdurchschnittlichen Vor-Ort-Apotheken. Unnötigerweise, und auch für die Bevölkerung höchst schädlich.

Wenn aus beiden aber ein vernünftiger Kompromiss gefunden wird; also jemand sich fleißig, verantwortlich, menschlich und schlau hinsetzt; dabei prinzipiell auch den Patienten und den traditionellen, auch etwas kleineren Apotheken gegenüber wenigstens einigermaßen normal wohlwollend ist: Dann könnte aus beiden Extrempositionen etwas Vernünftiges entstehen.

Also sagen wir mal: Eine auskömmliche Bezahlung für eine bestimmte, sinnvolle Anzahl von Apotheken > 15.000 für die logistische Versorgung der Bevölkerung mit Rx-Arzneimitteln zuzüglich normalem Beratungs-Angebot, zu Festpreisen. Am Besten gleich mal ohne GKV-Rabatte, damit die ärmeren Nicht-Privatrezept-Gegenden nicht weiter von vorn herein im Nachteil sind.

Und dann selbstverständlich alle sonstigen Leistungen wie Medikationsmanagement und Rezeptur nur noch AUSKÖMMLICH oben drauf. Und dafür auf keinen Fall: Selektivverträge einführen, „extra für Pharmazeutische Dienstleistungen“, was dann letztlich doch auch Selektivverträge für die verkauften Rx-Arzneimittel werden könnten (s. ARMIN). Sondern eine Honorarordnung, und Medikationsmanagement auf Überweisungsschein.

Als dritte Komponente einfach mal all den Ballast wie die überkommenen Ausgangsmaterial-Prüfungen und sonstige überflüssige Pflichten einfach weg sanieren (oder in der richtigen Höhe z. B. bei der Rezeptur mit-honorieren). Die "Der Versand" ja sogar per se nicht hat. Damit überhaupt eine Konkurrenz normaler Apotheken mit dem Versand möglich bleibt!

Die beste aller Welten wäre die, wo Jens Spahn und FS nach leidenschaftlichen, intelligenten geheimen Diskussionen genau zu solch einem Kompromiss schon längst gekommen sind, und uns alle nur damit gemeinsam überraschen wollen. Beim DAT halt. Sollte das nicht so sein, hat Christiane Patzelt Recht und die meisten von uns werden bei gefesseltem, lebendigem Leibe weiter langsam von beiden Seiten gekocht. Bzw. zwischen beiden gleichermaßen ideologischen Positionen zerrieben.

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Schuss

von Reinhard Rodiger am 10.07.2018 um 1:19 Uhr

Wenn ein externer Berater der ABDA öffentlich zu erkennen gibt,dass die ABDA nicht das Notwendige tut , ist dieser Schuss nicht zu überhören. Ein Angriff auf die Kompetenz. Alles klar oder was braucht es noch?

Öffentliche Führungskritik eines Beraters ohne massive Gegendarstellung der kritisierten Seite kann abgesprochen sein. Schliesslich ist die Forderung nach Schweigensentzug und intellektuellen Antworten auf die vorliegenden Fragen mehrfach erhoben worden, sie ist also weder neu noch irgendwie überraschend.Es wird daher schlicht getestet, ob und wieviel Widerstand sich regt.Das entspricht der Handlungsweise beim "Runden Tisch ".

Oder die Notlage ist so virulent, dass zum letzten Mittel - eben indirekter Desavouierung der Führung-gegriffen werden muss. Die Unterlassung evident notwendiger Handlungen stürzt üblicherweise Vorstände in Unternehmen.Damit würde sich ein Berater seines Klienten "entledigen".Kaum glaubhaft.

Auffällig ist die Frage nach Effizienz von Lobbyarbeit und Argumentation.Beides sind Führungsaufgaben.

Festzuhalten ist dass der Nutzen der Apotheken weder in quantitativer noch in qualitativer Form nachvollziehbar definiert ist.Es gibt keine intellektuelle Auseinandersetzung mit den vorgetragenen Argumenten,nur Pauschalitäten und Vordergründiges.Unerfüllte Führungsaufgaben.

Also scheint das Anschieben eines Diskurses das Ziel dieser etwas unüblichen oder auch verzweifelten Forderung zu sein.
Hauptsache,es wird reagiert.



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Hummer

von Christiane Patzelt am 09.07.2018 um 14:44 Uhr

Ich fühl mich wie n Hummer, erst haben sie mich rausgefischt, dann die Zangen mit Kabelbinder zugedrückt und jetzt seh ich dem kochenden Wasser entgegen - Zukunft kann auch deprimieren....

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