„Inhaltliche Führerschaft übernehmen“

ABDA plant eigenes, großes E-Rezept-Projekt

Berlin - 29.06.2018, 07:00 Uhr

Überraschende Initiative: Die ABDA plant ein bundesweit angelegtes Projekt zur Einführung des E-Rezeptes, das noch vor der Telematikinfrastruktur an den Start gehen soll. (Foto: Imago)

Überraschende Initiative: Die ABDA plant ein bundesweit angelegtes Projekt zur Einführung des E-Rezeptes, das noch vor der Telematikinfrastruktur an den Start gehen soll. (Foto: Imago)


Beim Thema Telemedizin hat die ABDA ihren Mitgliedsorganisationen am gestrigen Donnerstag ein klares Zeichen mitgegeben: Wir haben verstanden. Losgelöst von allen Haushaltsstreitereien und Kommunikationskonflikten kündigte die ABDA überraschend an, dass man derzeit an einem großen Telemedizin-Projekt arbeite, das die flächenmäßige Nutzung des E-Rezeptes zum Ziel hat. Das ABDA-E-Rezept soll sogar noch vor dem E-Rezept der Telematikinfrastruktur ausgerollt werden.

Was die Themen Digitalisierung und Telemedizin betrifft, musste die ABDA in den vergangenen Wochen heftige Kritik einstecken: Nach dem Beschluss des Ärztetages zur teilweisen Aufhebung des Fernbehandlungsverbotes versendete die Standesvertretung eine fragwürdige Mitteilung, in der es sinngemäß hieß, dass der Beschluss keine Auswirkungen auf die Apotheker habe und dass die Ärzte ohnehin keine Online-Verordnungen wollten. Zeitgleich wird der Druck in diesen Bereichen nicht geringer: In Baden-Württemberg gibt es schon Versorgungsmodelle im Markt, bei denen (bislang nur privatversicherte) Patienten nach einer Online-Behandlung ein Rezept ausgestellt bekommen. Hinzu kommt, dass in immer mehr Regionen nun nach und nach das Fernbehandlungsverbot aufgehoben wird. Und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die Digitalisierung des Gesundheitswesens als eines seiner Top-Themen bezeichnet.

Druck aus dem Markt, der Politik und von den Mitgliedern

Weil man auch aus den Apothekerverbänden und -kammern beim Thema Telemedizin zuletzt immer häufiger vorsichtige und teils auch ablehnende Töne hörte (wie beispielsweise in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern), war es schon etwas überraschend, was ABDA-Präsident Friedemann Schmidt am gestrigen Donnerstag in Berlin ankündigte: „Wir haben ein groß angelegtes Projekt zur elektronischen Arzneimittelverordnung gestartet. Das Thema wurde einerseits von der Politik auf die Tagesordnung gesetzt, andererseits ist durch den Beschluss des Ärztetages noch mehr Brisanz und Tempo in dieses Thema gekommen. Wir wollen uns dieser Aufgabe widmen und streben dort die inhaltliche Führerschaft an.“

Konkrete Pläne konnte die ABDA am gestrigen Donnerstag noch nicht präsentieren – schließlich stecke man noch in den Anfängen, so Schmidt. Derzeit spricht die Standesvertretung der Apotheker mit eventuellen zukünftigen Projektpartnern, beispielsweise aus den Bereichen der Apothekensoftware, den Apothekenrechenzentren und den Krankenkassen. Bemerkenswert ist, dass die ABDA ihr „eigenes“ E-Rezept parallel zur Telematikinfrastruktur plant. Zur Erklärung: Die Telematikinfrastruktur ist die offizielle, gesetzlich vorgegebene Datenautobahn im Gesundheitswesen, an der die Leistungserbringer und die Krankenkassen seit Jahren ohne große Ergebnisse arbeiten.

ABDA will schneller als die Gematik sein

In den vergangenen Monaten hatten einige Kassen, weil ihnen die Entwicklung in der Gematik zu langsam voranging, eigene Projekte zu einer E-Patientenakte gestartet. Mit ihrem eigenen E-Rezept-Projekt folgt die ABDA nun diesem Vorgehen und will, so Schmidt, bis zur Einführung des „offiziellen“ E-Rezeptes ein „Übergangsprojekt“ schaffen. Schmidt stellte klar, dass bei den Plänen zwei Punkte oberste Priorität haben für die ABDA: die Datensicherheit und die freie Apothekenwahl. Der ABDA-Präsident erklärte, das auch mit der Politik bereits Gespräche geführt werden. Schließlich sei „politisches Handeln“ nötig, damit das E-Rezept der ABDA starten könne. Gemeint ist: Laut Gesetz dürfen Apotheker derzeit keine Rezepte beliefern, die aus einem nicht-direkten Arztkontakt resultieren. Außerdem müssen GKV-Rezepte in Papierform vorliegen.

Verbände loben ABDA für E-Rezept-Initiative

Dem Vernehmen nach erntete die ABDA aus den Mitgliedsorganisationen dafür großes Lob: Insbesondere die Verbandsvertreter sollen die Berliner Standesvertretung ermutigt haben, das Projekt möglichst schnell voranzubringen. Schmidt erklärte, dass man auf der gestrigen Mitgliederversammlung sogar über eine mögliche Erhöhung des ABDA-Haushaltes wegen des E-Rezept-Projektes gesprochen habe. In den ersten Umsetzungsgesprächen habe sich gezeigt, dass es insbesondere bei der Einbindung der Ärzte viele technische Probleme zu lösen gebe. Zum Zeitplan sagte Schmidt: „Wir wollen schnell sein damit, aber bis es einen ersten präsentierfähigen Demonstrator gibt, werden Monate ins Land ziehen.“

Auf Nachfrage von DAZ.online erklärte der ABDA-Präsident, dass man das Projekt aus der ABDA selbst heraus initiiert habe. „Wir haben hier Handlungsbedarf erkannt und wollen selber einen großen Schritt nach vorne machen. Wir wollen nicht, dass dieses Thema an uns vorbeiläuft, denn beim E-Rezept sind die Apotheker eine unverzichtbare Komponente.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.