Neuraminidase statt Hämagglutinin

Grippeimpfstoff: Hat man bisher aufs falsche Antigen gesetzt?

Stuttgart - 22.06.2018, 11:45 Uhr

Antikörper binden an Grippevirus: Könnte die Wirksamkeit der Influenzaimpfung durch Neuraminidase-basierte Impfstoffe verbessert werden? (Foto: Juan Gärtner / Stock.adobe.com)

Antikörper binden an Grippevirus: Könnte die Wirksamkeit der Influenzaimpfung durch Neuraminidase-basierte Impfstoffe verbessert werden? (Foto: Juan Gärtner / Stock.adobe.com)


Passt die aktuelle Grippeimpfung oder passt sie nicht so optimal? Diese Frage begleitet jedes Jahr aufs Neue die Influenzasaison. Das Problem: Das Influenzavirus ist hochvariabel und mutiert rasch. Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts meinen jetzt jedoch, dass man sich bei der Grippeimpfung vielleicht seither zu stark auf Hämagglutinin konzentriert hat - und das Potenzial der Neuraminidase vernachlässigt.

Hat man bei Grippeimpfstoffen bislang aufs falsche Pferd gesetzt? Diese Überlegung stellen Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) an. Grippeimpfstoffe enthalten als Antigene Virusoberflächenproteine, und zwar Hämagglutinin und Neuraminidase, wobei die Impfantwort sich aktuell vorwiegend auf Hämagglutinin konzentriert. Der Nachteil an Hämagglutinin: Es verändert sich rasch, auch im Laufe der jährlichen Grippesaison. Das kann bedingen, dass der Impfstoff auf das dann kursierende, mutierte Virus nicht mehr passt. Der schnelle Mutationsturnus des Influenzavirus hat zur Konsequenz, dass jährliche Stammanpassungen an den – zumindest für die kommende Influenzasaison postulierten – zirkulierenden Grippestamm erfolgen müssen.

Aktuelle Grippeimpfstoffe fordern nur bestimmte Menge an Hämagglutinin-Antigen

Bei saisonalen Grippeimpfstoffen stand bislang vor allem das Oberflächenprotein Hämagglutinin im Zentrum des Interesses – was vielleicht ein Fehler gewesen sein könnte. Das zweite wichtige Protein auf der Oberfläche des Influenzavirus ist die Neuraminidase. Laut aktuellen Forschungsergebnissen des Paul-Ehrlich-Instituts könnte sich für eine Immunogenität die Neuraminidase besser eignen, da dieses Oberflächenprotein stärker konserviert ist und sich weniger stark verändert. Nur: Bislang konzentriert man sich bei der Zulassung von Grippeimpfstoffen auf eine definierte Menge Hämagglutinin-Antigen, definierte Mengen der Neuraminidase werden aktuell nicht gefordert.

Grippeimpfung verbessern durch Neuraminidase-Antigen

Das vielleicht verkannte immunogene Potenzial der Neuraminidase zeigten die Wissenschaftler im Tierversuch mit Frettchen: Die Tiere, die gegen Neuraminidase geimpft wurden, waren gegenüber den Influenzaviren mit dem identischen Neuraminidase-Subtyp ebenso gut geschützt wie die Tiere, deren Impfung sich gegen das exakt passende Hämagglutinin-Protein gerichtet hatte. Die Neuraminidase-basierten Impfstoffe erzeugten sogar eine Immunität gegenüber Influenzaviren mit einem anderen Hämagglutinin-Subtyp (Kreuzprotektion), solange sie nur weiterhin den gleichen Neuraminidase-Subtyp trugen.

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„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Neuraminidase-Antigene durchaus das Potenzial besitzen, einen Beitrag zur Entwicklung von Grippeimpfstoffen mit einem breiteren Schutz zu leisten", erläutert Prof. Veronika von Messling, Leiterin der Abteilung Veterinärmedizin des Paul-Ehrlich-Instituts, die Ergebnisse. Nun wolle man versuchen, das Neuraminidase-Protein so zu verändern, dass eine schützende Immunantwort gegen alle Viren des gleichen Subtyps erzeugt werden kann, was nach Ansicht von Messlings die Schutzwirkung der heutigen Grippeimpfstoffe verbessern dürfte.


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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