- DAZ.online
- News
- Politik
- „Die Bequemlichkeit des...
Bayerns Kammerpräsident Thomas Benkert
„Die Bequemlichkeit des Patienten kann nicht oberste Priorität sein“
Es bleibt dabei: Teile der Apothekerschaft sehen die Aufhebung des Fernbehandlungsverbotes bei den Ärzten kritisch. Thomas Benkert, Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK), sagte bei der heutigen Kammerversammlung in Augsburg: „Ich weiß nicht, ob diese Entscheidung der Ärzte gut durchdacht war.“ Benkert befürchtet, dass sich die Suchtgefahr bei Patienten und die Kriminalität steigern könnten. Und: Trotz der Zurückhaltung der ABDA hat Benkert seine Kollegen zur Unterzeichnung der Online-Petition für das Rx-Versandverbot aufgerufen.
Mitte Mai beschloss der Deutsche Ärztetag mehrheitlich, die Musterberufsordnung der Mediziner dahingehend zu ändern, dass Ärzte ihre Patienten künftig unter bestimmten Voraussetzungen ohne vorherigen persönlichen Kontakt in der Praxis ausschließlich per Telefon, SMS, E-Mail oder Online-Chat behandeln. Die Ärztekammern in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein haben diese Regel teilweise schon übernommen. Insbesondere in Baden-Württemberg entstehen derzeit einige Fernbehandlungsprojekte. Jüngstes Beispiel: Die Ärztekammer hat es der Londoner Online-Praxis erlaubt, Patienten in Deutschland via Chat zu behandeln. DrEd hat bereits angekündigt, dass auch Rezepte ausgegeben werden sollen.
Die erste Reaktion der ABDA auf die Beschlüsse der Ärzte erregte auch im Apothekerlager für Aufsehen: Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer, erklärte in einer Mitteilung, dass die Entscheidung der Ärzte keinerlei Auswirkungen auf die Apotheker haben werde. Fälschlicherweise fügte Kiefer hinzu, dass die Ärzte ihre Rezept ohnehin nicht online verschreiben wollen, dazu habe es einen Beschluss auf dem Ärztetag gegeben. Richtig ist, dass der Vorstand der Bundesärztekammer derzeit prüft, wie man mit Online-Rezepten umgehen will.
Benkert: Suchtgefahr und Kriminalität durch ausschließliche Fernbehandlung
Bayerns Kammerpräsident Thomas Benkert sieht die Entwicklungen in der Ärzteschaft ebenso kritisch. Bei der heutigen Kammerversammlung sagte er: „Ich weiß nicht, ob diese Entscheidung so gut durchdacht war.“ Es sei durchaus möglich, dass man Patienten, die man lange und gut kenne auch einmal fernbehandle, die Erstversorgung solle aber persönlich bleiben. Benkert sagte auch, dass das Patientenwohl und die Patientensicherheit immer Vorrang haben müsse. Es sei bei Online-Behandlungen nicht möglich, einige, sehr beratungsbedürftige Arzneimittel von der Verordnung auszuschließen. Deswegen befürchte er, dass es bei bestimmten Arzneimittel- und Patientengruppen zu „erhöhter Suchtgefahr, Arzneimittelmissbrauch und einer gesteigerten Kriminalität“ kommen könne.
Benkert kritisierte insbesondere die Zulassung der Londoner Online-Praxis DrEd. Dieses sei aus seiner Sicht das „falsche Modell“. Diesbezüglich sagte der Kammerpräsident: „Bequemlichkeit kann nicht die oberste Prämisse der Versorgung sein, die Arzneimittelsicherheit und das Patientenwohl müssen die oberste Prämisse sein.“ In der anschließenden Diskussion beschwerte sich ein Delegierter darüber, dass die Apotheker diese Prozesse nicht begleiten und keine eigenen Ideen einbringen. Doch Benkert blieb bei seiner Meinung: Das Thema Fernbehandlung werde erst relevant für die Apotheker, wenn E-Rezepte wirklich vorliegen und verwendet werden.
Unterzeichnet die Petition für das Rx-Versandverbot!
Benkert griff auch das kürzlich vom Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes beschlossene Positionspapier zum Apothekenmarkt auf. Er habe sich geärgert, dass die Kassen das Honorargutachten des Bundeswirtschaftsministeriums „doch noch rausgekramt“ haben. Zu einzelnen Inhalten äußerte sich der Kammerpräsident nicht. Nur so viel: „Rund 2,2 Prozent der Kassenausgaben werden für Apotheken ausgegeben, das ist der niedrigste Stand, der je da war. Die Verwaltungsausgaben sind allerdings doppelt so hoch.“ Benkert sprach daher eine Empfehlung aus: „Man sollte nicht am Apotheker sparen, sondern mit dem Apotheker.“
Rewitzer: 50.000 Unterschriften nächste Woche knacken
Was die größten politischen Forderungen der BLAK betrifft, nannte Benkert das Rx-Versandverbot als erstes. Er sehe große Gefahren, wenn man nicht bald eingreife. Denn: „Das Großkapital lässt sich nicht steuern, wir sollten die Versorgung nicht aus der Hand geben.“ Diesbezüglich empfahl er seinen Kollegen ausdrücklich, die Petition von Apotheker Christian Redmann zu unterzeichnen. Dazu sagte der Kammerpräsident: „Wir sollten das alle unterstützen – als Zeichen, dass wir alle dahinter stehen. Es wäre schon sehr schade, wenn das scheitert, weil einige Kollegen nicht in der Lage sind, das aufzurufen.“ Sehr vehement mischte sich Vizepräsidentin Jutta Rewitzer in die Diskussion um die Online-Petition ein. Sie beschwerte sich: „Es kann nicht sein, dass DAZ.online jeden Tag dafür wirbt und es kommen täglich nur 500 Unterschriften dazu. Das muss jetzt Schlag auf Schlag gehen – wir müssen die 50.000 Unterschriften nächste Woche voll haben, um dem Minister auch zu zeigen, wir sehr wir dahinter stehen.“ Die ABDA hatte ihre Unterstützung für die Online-Petition verwehrt. Präsident Friedemann Schmidt sagte, dass eine Petition nicht das richtige politische Mittel sei.
Hubmann: Protestaktionen derzeit falsch
Während der Diskussion sprachen die Delegierten auch über weitergehende Protestmaßnahmen, um gegen die Forderungen der Kassen und den Widerstand gegen das Rx-Versandverbot zu protestieren. An dieser Stelle mischte sich allerdings Bayerns Verbandschef und DAV-Vize Dr. Hans-Peter Hubmann in die Debatte ein. Hubmann erklärte, dass Protestmaßnahmen „genau den Druck erzeugen würden, den wir nicht brauchen“. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe den Apotheker bislang in keinem Punkt eine Absage erteilt, es gebe derzeit daher keinen Anlass für solche Maßnahmen.
Mehr Studienplätze in Bayern?
Schließlich ging es in der Rede von Benkert, aber auch in der anschließenden Diskussion um die Nachwuchssituation der Apotheker. In seiner Rede wies Benkert auf die Landesinitiative in Niedersachsen zur flächendeckenden Etablierung von Stationsapothekern hin. „Hochrechnungen haben gezeigt, dass wir dafür etwa 1200 Apotheker bräuchten, wenn es in allen Kliniken Stationsapotheker geben sollte. Davor sollten wir aber nicht zurückschrecken, weil es unserem eigenen Berufsanspruch und unserem Ansehen in der Öffentlichkeit dient.“ Aus dem Publikum hieß es diesbezüglich, dass das Pharmaziestudium reformbedürftig sei. Es werde zu viel Chemie unterrichtet, die Versorgungsrealität komme zu kurz, erklärte ein Delegierter. Benkert erklärte, das er sich bei der bayerischen Staatsregierung zunächst dafür stark machen werde, die Anzahl der Studienplätze zu erhöhen.
4 Kommentare
Bequemlichkeit
von Benjamin Rohrer am 11.06.2018 um 19:50 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Unverstanden
von Reinhard Rodiger am 08.06.2018 um 15:32 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Unverstanden
von Dr. Ralf Schabik am 11.06.2018 um 18:28 Uhr
AW: Unverstanden
von Reinhard Rodiger am 11.06.2018 um 23:25 Uhr
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.